Frau liegt im Bett

Kaiserschnitt schützt nicht vor Schmerzen beim Sex

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Eine vaginale Geburt kann Verletzungen hinterlassen, die den Sex für einige Zeit, selten auch langfristig, beeinträchtigen.

Ist eine Frau mit einem Kaiserschnitt diesbezüglich auf der sicheren Seite? Dass Schmerzen beim Sex bei ihnen seltener sein könnten, scheint zunächst einleuchtend: Denn Vulva und Vagina werden bei der Entbindung nicht in Mitleidenschaft gezogen.

Tatsächlich aber leiden Mütter nach einer Kaiserschnitt-Geburt langfristig sogar häufiger unter sexuellen Schmerzen, zeigt nun eine dänisch-britische Untersuchung.

Wie entwickelt sich der Sex nach der Geburt?

Das Forschungsteam hat untersucht, wie sich die Art der Geburt mittel- und langfristig auf das Sexleben auswirkt. Dazu werteten sie Daten von mehr als 10.000 Britinnen aus, die zwischen 1991 und 1992 ein Kind geboren haben und über einen Zeitraum von 18 Jahren begleitet wurden.

Zu Spass am und Häufigkeit von Sex gaben die Frauen zu vier Zeitpunkten Auskunft: nach 33 Monaten sowie nach fünf, zwölf und 18 Jahren. Zu möglichen Schmerzen beim Sex wurden sie hingegen nur einmal befragt – nämlich elf Jahre nach der Geburt.

Angst vor den Folgen einer vaginalen Geburt

„Oft wird berichtet, dass sich Frauen in Absprache mit ihren Ärzten für einen Kaiserschnitt entscheiden. Sie befürchten, dass eine vaginale Entbindung ihr sexuelles Wohlbefinden beeinträchtigen könnte“, berichtet Studienautor Viktor H. Ahlqvist vom Department of Global Public Health am Karolinska Institutet. „Unsere Daten bestätigen dies nicht. Das hat uns positiv überrascht", sagt der Forscher.

In Hinblick auf den Spass am Sex und die sexuelle Frequenz fanden die Forschenden keine nennenswerten Unterschiede zwischen Frauen mit vaginaler und solchen mit Kaiserschnittgeburt. „Diese Studie legt nahe, dass die Art der Entbindung nicht mit dem sexuellen Vergnügen oder der Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs nach der Geburt zusammenhängt“, schreiben die Autoren und Autorinnen.

Langfristig sind Schmerzen nach Kaiserschnittgeburten häufiger

Anders sieht es mit der Wahrscheinlichkeit von sexuellen Schmerzen nach der Geburt aus: Sie war elf Jahre nach der Entbindung bei Müttern, die ihr Kind per Kaiserschnitt zur Welt gebracht hatten, um 74 Prozent höher als bei Frauen, die vaginal entbunden hatten.

Eine mögliche Erklärung für sexuelle Schmerzen nach einem Kaiserschnitt sind Vernarbungen der Gebärmutter aufgrund des Eingriffs. Dass ein solcher immer wieder auch ungeplant als Notoperation durchgeführt werden muss, könnte die nachfolgenden Probleme körperlich und psychisch begünstigen.

Für die Auswertung hatten die Forschenden Daten wie Alter, Body-Mass-Index (BMI), sozioökonomischen Status sowie psychische Probleme der Mütter berücksichtigt. Diese können die Wahrscheinlichkeit von Schmerzen beim Sex beeinflussen.

Ausgeprägte Schmerzen insgesamt selten

Ausgeprägte Schmerzen beim Sex waren in beiden Gruppen sehr selten. Allerdings waren Mütter mit Kaiserschnitt auch diesbezüglich häufiger betroffen.

Wie gross der Anteil der Schmerzen war, die tatsächlich mit der Geburt im Zusammenhang standen, kann die Studie nicht klären. Denn solche Beschwerden sind auch unabhängig von Geburtsverletzungen oder Traumata verbreitet.

So betreffen Schmerzen beim Sex auch viele Frauen, die noch kein Kind geboren haben. Die Ursachen sind hochkomplex. Dabei spielen neben organischen und funktionalen Störungen häufig auch psychologische Faktoren eine entscheidende Rolle.

Zahl der Kaiserschnitte hat sich verdreifacht

Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) profitieren Mütter und Kinder in maximal 15 Prozent der Geburten von einem Kaiserschnitt. Tatsächlich ist die Zahl der Kaiserschnittgeburten in den letzten Jahrzehnten in den Industrienationen aber deutlich über diesen Wert angestiegen. In der Schweiz kam 2020 fast jedes dritte Kind (32,6 Prozent) per Kaiserschnitt zur Welt. Vor rund 20 Jahren (1998) waren es noch zehn Prozentpunkte weniger (22,7 Prozent).

Die Gründe für den Anstieg sind vielfältig. Sie reichen von einem höheren Altersdurchschnitt der Mütter über Angst vor Geburtsschäden beim Kind und gesundheitliche Beeinträchtigungen der Mutter bis hin zu Personalmangel in den Kliniken und bessere Planbarkeit von Kaiserschnitt-Entbindungen.

Kaiserschnitt nicht ohne medizinischen Grund

Grundsätzlich sollen Kaiserschnitte nicht auf Wunsch, sondern nur mit entsprechender medizinischer Begründung durchgeführt werden. Denn sie gehen mit Risiken und möglichen gesundheitlichen Nachteilen für Mutter und Kind einher.

„Vor dem Hintergrund steigender Raten von Kaiserschnitten ist die Information, dass ein Kaiserschnitt möglicherweise nicht vor sexuellen Funktionsstörungen schützt, bei der Entscheidungsfindung zur Geburtsmethode besonders wichtig“, schreiben die Forschenden.

Bei Sexschmerzen medizinischen Rat suchen

Die Forschenden ermutigen Frauen, die Schmerzen beim Sex erleben, grundsätzlich, das Gespräch mit ihrer Gynäkologin oder ihrem Gynäkologen zu suchen. Die therapeutischen Möglichkeiten sind vielfältig. Abhängig von der Art der Ursache reichen sie von simplen Massnahmen wie der Anwendung von Gleitgel über hormonelle Therapeutika und operative Korrekturen bis hin zu psychologischen Hilfsangeboten.

Autoren- & Quelleninformationen

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Martin, F.Z. et al.: Mode of delivery and maternal sexual wellbeing: A longitudinal study, in: BJOG Obstretics ans Gynaecology 20. Juli 2022, DOI: https://doi.org/10.1111/1471-0528.17262
  • Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Statistik: Reproduktive Gesundheit, unter: www.bfs.admin.ch (Abruf:08.02.2023)
  • Statistik Austria: “Nahezu jedes dritte Neugeborene kam 2021 per Kaiserschnitt zur Welt“, Pressemitteilung vom 07.07.2022, unter: www.statistik.austria.at
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