Mädchen trinkt alleine Bier

Jugendliche: Alleine zu trinken ist ein Alarmsignal

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Einsamer Konsum: Für junge Menschen, die allein trinken, ist das Risiko, später Alkoholprobleme zu bekommen, stark erhöht.

"Die meisten jungen Menschen, die trinken, tun dies in Gesellschaft. Sie wollen eine gute Zeit mit Freunden haben. Aber eine beträchtliche Zahl von ihnen trinkt auch allein", sagte Kasey Creswell, ausserordentliche Professorin für Psychologie an der Carnegie Mellon University. Was das für den späteren Konsum bedeutet, haben die Forscherin und ihr Team genauer untersucht.

Grundlage waren Daten von rund 4.500 Jugendlichen, die im Alter von 18, 24 oder 25 und zuletzt mit 35 Jahren Fragebögen zu ihrem Trinkverhalten beantwortet hatten. Unter anderem gaben sie an, ob und wie oft sie Alkohol konsumierten, wenn sie allein waren. Das traf auf 25 Prozent der 18-Jährigen und 40 Prozent der Mittzwanziger zu.

Bei der letzten Befragung wurden gezielt auch Symptome einer möglichen Alkoholabhängigkeit erfragt wie beispielsweise Kontrollverlust über den Konsum und grosses Verlangen, Alkohol zu trinken.

Bis zu 60 Prozent höheres Suchtrisiko

Das Ergebnis: Rund ein Drittel der Teilnehmenden berichtete im Alter von 35 Jahren von Symptomen einer Alkoholerkrankung. Dabei trafen auf manche allerdings nur ein oder zwei von insgesamt sechs Suchtkriterien zu.

Die Wahrscheinlichkeit, im Alter von 35 Jahren solche Anzeichen einer Alkoholabhängigkeit zu zeigen, war um 35 Prozent erhöht, wenn die Befragten schon als 18-Jährige allein Alkohol konsumierten. Wer Mitte Zwanzig angegeben hatte, Alkohol auch alleine zu trinken, für den war das Risiko für Suchtsymptome sogar um 60 Prozent höher als für Personen, die ausschliesslich in Gesellschaft tranken.

Das erhöhte Risiko der Alleinetrinker war unabhängig von anderen risikoreichen Trinkverhalten wie exzessives Trinken oder häufiger Konsum gegeben. Auch Faktoren wie der sozioökonomische Status und das Geschlecht spielten hierfür keine Rolle. Es scheint sich demnach um einen eigenständigen Risikofaktor zu handeln.

Trinken gegen negative Gefühle

Frühere Arbeiten von Creswell und anderen Wissenschaftlern haben gezeigt, dass junge Menschen allein trinken, um mit negativen Gefühlen fertig zu werden. Ein solches Trinkverhalten wird immer wieder mit der Entwicklung von Alkoholproblemen in Verbindung gebracht wird.

Beispielsweise bewegen soziale Ängste und geringes Selbstwertgefühl junge Menschen dazu, allein Alkohol zu konsumieren. Sie trinken dann vor sozialen Begegnungen, um sich Mut zu machen, oder im Anschluss daran, um mit negativen Gedanken bezüglich ihres sozialen Erfolgs fertig zu werden.

Auch andere Ängste, Sorgen und Depressionen erhöhen das Risiko für Alkoholmissbrauch. Allerdings gibt es hier keine spezifischen Untersuchungen, die dies mit Alleinetrinken bei jungen Menschen in Verbindung gebracht haben.

Umgekehrt tritt ein einsamer Konsum von Alkohol auch auf, wenn die Kontrolle über den Konsum verlorengeht. Der Trinkende kann es nicht mehr abwarten, bis er in Gesellschaft ist - oder er will seinen Konsum verbergen.

Einsamen Konsum ernst nehmen

Die Forscher fordern nun entsprechende Präventionsmassnahmen: Zwar untersuchen Ärzte junge Menschen häufig auf riskanten Alkoholkonsum hin. Aber ihre Fragen konzentrieren sich auf die Häufigkeit und Menge des Alkoholkonsums. Das soziale Umfeld, in dem junge Menschen trinken, sei ein wichtiger, aber oft übersehener Indikator für künftigen Alkoholmissbrauch, so Creswell.

In jedem Fall ist häufiges Alleinetrinken als Alarmsignal zu werten. Nicht nur in Hinblick auf das Risiko einer späteren Alkoholerkrankung, sondern auch, weil es auf eine bestehende psychische Belastung oder Erkrankung hinweisen kann.

Die Pandemie hat die Problematik nun offenbar noch verstärkt: "Mit der Zunahme von pandemiebedingten Depressionen und Ängsten beobachten wir auch eine Zunahme von Alkoholproblemen unter den Jugendlichen", sagte Creswell.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Kasey G.Creswell at al.: Solitary alcohol use in adolescence predicts alcohol problems in adulthood: A 17-year longitudinal study in a large national sample of US high school students, Journal of Drug and Alcohol Dependence, 11. July 2022, https://doi.org/10.1016/j.drugalcdep.2022.109552
  • Matthew T Keough et al.: Solitary drinking is associated with specific alcohol problems in emerging adults, PubMed, Jan 2018, MID: 28888175 DOI: 10.1016/j.addbeh.2017.08.024
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