Spritze auf Impfpass

Impfstoffe: Weiterhin Engpässe bei Lieferung

Von , Medizinredakteurin
Lisa Vogel

Lisa Vogel hat Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach studiert und ihre journalistischen Kenntnisse im Masterstudiengang Multimediale Information und Kommunikation vertieft. Es folgte ein Volontariat in der NetDoktor-Redaktion. Seit September 2020 schreibt sie als freie Journalistin für NetDoktor.

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Neben Covid-19 zusätzlich an anderen Erregern wie Pneumokokken zu erkranken, kann besonders gefährlich werden. In Anbetracht der anstehenden Herbst- und Wintermonate steigt diese Sorge. Impfungen sollen vor weiteren Krankheiten schützen. Doch was passiert, wenn Impfdosen fehlen? Kann der Hausarzt die Durchführung einer Impfung ablehnen?

Coronavirus steigert Nachfrage

Seit dem Ausbruch des Coronavirus Sars-CoV-2 ist die Nachfrage nach Impfungen wie der Pneumokokken-Impfung deutlich angestiegen. Zwar schützen aktuell verfügbare Impfstoffe nicht vor einer Coronavirusinfektion. Allerdings können zusätzliche Infektionen, beispielsweise mit Pneumokokken oder Influenzaviren, zu erheblichen Komplikationen bei Covid-19 führen. Eine Impfung könnte also zumindest teilweise schützen.

Was zunächst logisch und sinnvoll klingt, kann in der Praxis Probleme mit sich bringen: Die grosse Nachfrage zehrt an den vorhandenen Ressourcen. Deshalb ist steter Impfstoff-Nachschub wichtig. Doch genau dieser kann sich in Corona-Zeiten mit mancherorts weitreichenden Beschränkungen schwierig gestalten: Gibt es für einen Wirkstoff nur einen Produzenten und sitzt dieser in einem Lockdown-Gebiet, verzögern sich die Lieferungen auch nach Deutschland - oder sie bleiben ganz aus.

Impfstoff reicht nicht aus

Die Folge: Der Impfstoff reicht nicht mehr für alle aus. Kritisch scheint es derzeit vor allem bei der Pneumokokken-Impfung zu sein. Bereits Mitte März diesen Jahres gab es Lieferschwierigkeiten. Im Juni entspannte sich die Lage ein wenig: Nachschub kam aus Japan und England.

Doch die Situation hat sich seither kaum gebessert. “Bis auf weiteres ist Pneumovax23 nur eingeschränkt lieferbar”, schreibt die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts (RKI). Und auch bei noch verfügbaren Impfstoffen, bleibt die Frage, ob die Nachfrage angesichts der bevorstehenden, kalten Jahreszeit gedeckt werden kann.

Pneumovax ist der einzige Impfstoff, der gegen die häufigsten und gefährlichsten Typen von Pneumokokken wirkt. Der Polysaccharidimpfstoff (PPSV) enthält die charakteristischen Hüllenbestandteile von 23 verschiedenen Pneumokokken-Varianten (PPSV23). Er ist für Kinder ab zwei Jahren zugelassen und laut Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts teilweise nur “eingeschränkt verfügbar”.

Massnahmen gegen Impfstoffknappheit

Das bedeutet, dass manche Menschen gegebenenfalls auf die Immunisierung verzichten beziehungsweise länger auf einen Impftermin warten müssen. Um zu regeln, wer die verfügbaren Impfstoffe erhalten soll, hat die STIKO bereits im März 2020 eine Pneumokokken-Impfempfehlung für die Zeit der Impfstoffknappheit herausgegeben.

"Derartige 'Notmassnahmen' erfolgen im Rahmen von Überlegungen zu einer notwendigen Priorisierung", sagt der STIKO-Vorsitzende Professor Thomas Mertens gegenüber dem Politmagazin “Report Mainz”.

Priorisierung notwendig

Die Priorisierung ist notwendig, um mit den noch vorhandenen Impfstoffen besonders gefährdete Personen schützen zu können. Denn auch ohne eine begleitende Covid-19-Erkrankung kann eine Pneumokokken-Infektion lebensbedrohlich verlaufen. Die Bakterien lösen vor allem Lungenentzündungen aus.

"Die Pneumokokken-Erkrankung ist eine prinzipiell zum Tode führende Erkrankung. Wenn wir diese Risikopatienten nicht mehr schützen können, dann werden mehr Patienten erkranken und mehr Patienten an Pneumokokken versterben", sagt Pneumologe Tobias Welte von der Medizinischen Hochschule Hannover gegenüber "Report Mainz".

Vorzug den Risikopatienten

Menschen mit einem erhöhten Risiko, schwer an Pneumokokken zu erkranken, sollen die verfügbaren Impfstoffdosen deshalb vorrangig erhalten. Dazu gehören in diesem Fall:

  • Patienten mit einem Immundefekt bzw. Patienten, die ihr Immunsystem medikamentös unterdrücken müssen (Immunsuppression)
  • Personen ab 70 Jahren (bislang: ab 60 Jahren)
  • Patienten mit chronischen Herzerkrankungen
  • Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen

Mitbürger ohne erhöhtem Risiko könnte der Hausarzt also erst einmal abweisen. Das ist grundsätzlich auch nachvollziehbar: Personen ausserhalb der Risikogruppen erkranken meist weniger heftig und sind oft allgemein weniger anfällig. Ausserdem können sie in der Regel leichter Infektionsschutzmassnahmen befolgen und so einer Infektion vorbeugen als etwa ältere Patienten, die in ihrer Mobilität stark eingeschränkt sind.

Gibt es alternative Impfstoffe?

Auf dem Markt gibt es zwei weitere Impfstoffe, sogenannte Pneumokokken-Konjugatimpfstoffe (PCV), PCV10 (zugelassen für Kinder bis fünf Jahren) und PCV13 (für alle Altersstufen). Diese Vakzine werden vor allem zur Grundimmunisierung bei Kindern verwendet und bilden den ersten Teil der sequentiellen Impfung für immunschwache und chronisch kranke Patienten (mehr dazu erfahren Sie in unserem Artikel zur Pneumokokken-Impfung).

Auch bei diesen Impfstoffen gab es im laufenden Jahr bereits Engpässe. Nun sind sie wieder vollumfänglich verfügbar, sodass zumindest die Grundimmunisierung bei Kindern den üblichen STIKO-Empfehlungen entsprechend vollständig erfolgen kann. Eine Alternative zum PPSV23-Impfstoff für Erwachsene sind diese Vakzine laut RKI allerdings nicht. “Wegen der breiteren Abdeckung kann Pneumovax23 nicht durch einen anderen Impfstoff ersetzt werden”, so das RKI. PPSV23 verwenden Ärzte zum einen für die Standardimpfung der Über-60-Jährigen, zum anderen stellt dieser Impfstoff den Abschluss der sequentiellen Impfung dar.

Warum sind die Impfungen wichtig?

Gegen das Coronavirus gibt es noch keinen wirksamen Impfstoff. Deshalb ist es wichtig, sich mit bereits vorhandenen Wirkstoffen gegen andere Erreger, die den Körper und insbesondere die Atemwege angreifen können, zu wappnen. Vor allem Risikopatienten sollten sich etwa mit der Pneumokokken- und der Grippeimpfung schützen.

Das reduziert nicht nur die Gefahr des Einzelnen, sondern entlastet auch das Gesundheitssystem. Denn durch die Impfung lassen sich schwere Krankheitsverläufe an Influenza oder Pneumokokken eher vermeiden. Das könnte letztlich auch die Anzahl der Krankenhauspatienten reduzieren. Und es blieben dadurch mehr (Intensiv-)Betten für Covid-19-Patienten frei. Daneben bleibt einer der wichtigsten Eckpfeiler im Kampf gegen Infektionskrankheiten, notwendige Schutzmassnahmen einzuhalten.

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Lisa Vogel hat Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach studiert und ihre journalistischen Kenntnisse im Masterstudiengang Multimediale Information und Kommunikation vertieft. Es folgte ein Volontariat in der NetDoktor-Redaktion. Seit September 2020 schreibt sie als freie Journalistin für NetDoktor.

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