Low-Carb-Mahlzeit

Hohes Cholesterin: Ist Zucker oft riskanter als Fett?

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Bei hohen Cholesterinwerten vor allem tierisches Fett einzusparen, scheint logisch. Dabei könnten Kohlenhydrate manchmal das grössere Problem sein.

Wer hohe Cholesterinwerte hat, soll gesättigte Fette meiden, empfehlen Experten seit Jahrzehnten. Insbesondere Menschen mit einer genetischen Veranlagung für hohe LDL-Cholesterinwerte wird das ans Herz gelegt. Keine Butter, keine Wurst und Hähnchenbrust nur ohne Haut – eine Ernährung, die möglichst wenig gesättigte Fettsäuren enthält, lautet dabei die Devise. So sollen die Blutfettwerte herunterreguliert, Herz und Gefässe geschützt werden.

Tatsächlich aber könnte es für viele Betroffene hilfreicher sein, ganz andere Bestandteile der Ernährung zu reduzieren: Kohlenhydrate. Zu diesem Schluss kommt jetzt ein internationales Experten-Team, das die Studienlage zu der Thematik auswertete.

Wenn Gene die Cholesterinwerte nach oben treiben

Im Fokus standen dabei Personen, die aufgrund eines Gendefekts von Natur aus zwei- bis viermal so hohe Cholesterinwerte haben wie Menschen mit günstigeren Genvarianten. Familiäre Hypercholesterinämie (FH) nennen Mediziner diese vererbbare Störung, die etwa eine von 500 Personen betrifft.

"In den vergangenen 80 Jahren hat man den Betroffenen empfohlen, ihr Cholesterin über eine fettarme Ernährung zu senken", erklärte der Hauptautor David Diamond, Kardiologe an der University of South Florida. Aber hilft das auch?

Der Ursprung der Fettspar-Hypothese

Um die Problematik zu verstehen, muss man zurückgehen zum Ursprung dieser Ernährungsempfehlung. Grundlage war die Beobachtung, dass Menschen mit hohen Werten von LDL-Cholesterin im Blut häufiger unter Arteriosklerose (bzw. präziser Atherosklerose) leiden. Tatsächlich ist Cholesterin Bestandteil der Plaques, die sich krankhaft an den Innenwänden der Arterien bilden und diese verengen. So entwickelt sich eine Arteriosklerose.

Diese wiederum bereiten den Boden für verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Die verengten Gefässe sind mitunter Hauptursache für eine Koronare Herzkrankheit (KHK), bei der die Atherosklerose die blutversorgenden Gefässe des Herzens betrifft. Weitere Folgen können sein:

Die Hypothese Fettsparen - einleuchtend, aber falsch?

Dem entgegenzuwirken, indem man möglichst wenig Cholesterin, beziehungsweise gesättigte Fettsäuren, beispielsweise über tierische Fette aus der Nahrung aufnimmt, scheint erst einmal einleuchtend. Empfohlen hat das schon im Jahr 1939 der norwegische Mediziner Carl Müller, Chefarzt am Ullevaal Hospital in Oslo. Nicht ohne zu erwähnen, dass es für die Wirksamkeit dieser sogenannten Hypothese keinen wissenschaftlichen Nachweis gibt. Das Problem: Ein solcher scheint bis heute zu fehlen.

Das Team um Diamond hat zusammengetragen, was es an Untersuchungen zu dem Thema gibt. Fazit: Dass das Fettsparen Personen mit familiärer Hypercholesterinämie hilft, lässt sich nicht belegen. Die verbreiteten Ernährungsempfehlungen dazu seien eine „evidenzfreie Zone“, so die Forscher.

Tatsächlich hat eine strikte Diät mit wenig gesättigten Fetten nur mässigen Einfluss auf den Cholesterinspiegel. Der Grund: Den Löwenanteil des Cholesterins produziert der Körper selbst. Cholesterin ist ein Baustoff der Zellmembran und notwendig für zahlreiche Prozesse im Körper. Treibt also nicht ein Überverzehr die LDL-Werte nach oben, sondern die genetische Veranlagung, bewirkt eine fettreduzierte Diät wenig.

Cochrane-Forscher: Kein Beleg für Wirksamkeit

Den fragwürdigen Nutzen fettreduzierter Diäten bei Menschen mit familiärer Hypercholesterinämie belegt auch eine Durchsicht von 15 Studien zu dem Thema durch die renommierte Cochrane Collaboration. Es fehlten die Belege, dass solch eine Ernährung Herzerkrankungen und die Sterblichkeit von Menschen mit familiärer Hypercholesterinämie tatsächlich reduziere, so das Fazit. Um den potenziellen Nutzen und Schaden einer solchen Diät zu bewerten, seien Langzeitstudien mit parallelem Gruppendesign erforderlich, schreiben die Cochrane Forscher.

Kein Freibrief fürs Fettschlemmen!

Einen Freibrief für ungehemmtes Schlemmen tierischer Fette bedeutet das allerdings nicht. Dass der herzschützende Effekt des Verzichts auf Butter, Eier oder Sahne begrenzt ist, bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass ein übermässiger Verzehr gesund ist. Er kann zweifellos trotzdem schädlich sein.

Um nur zwei Beispiele zu nennen: Eine sehr fettreiche Ernährung begünstigt Übergewicht – und auf diesem Wege zahlreiche Krankheiten von Diabetes über Krebserkrankungen bis Herzinfarkt. Zudem gilt insbesondere das rote Fleisch von Schwein, Rind und Wild als förderlich für Darmkrebs.

Gesunde Gefässe trotz hoher LDL-Werte

Insgesamt mehren sich die Zweifel, dass LDL-Cholesterin allein ein guter Risikomarker für eine Atherosklerose ist - in der Allgemeinbevölkerung ebenso wie bei Menschen mit familiärer Hypercholesterinämie. So zeigt ein Teil der Menschen, die erblich bedingt sehr hohe Werte an LDL-Cholesterin im Blut haben, keine wesentlichen Anzeichen einer Koronaren Herzerkrankung.

Es muss folglich auch andere Ursachen für den Zusammenhang von familiärer Hypercholesterinämie und einem hohen Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen geben. Diamond und sein Team sehen die Erklärung in anderen Risikofaktoren.

Herzrisiko Metabolisches Syndrom

So hatten Personen mit familiärer Hypercholesterinämie, die tatsächlich eine Herz-Kreislauf-Erkrankung entwickelten, auch andere krankhafte Veränderungen. Diese erhöhen – schon jede für sich genommen und auch bei Personen ohne erblichen Gendefekt – das Krankheitsrisiko für Herz und Gefässe. Dazu gehören unter anderem:

Treten diese Risikofaktoren gemeinsam auf, sprechen Mediziner vom Metabolischen Syndrom. Betroffene sind besonders gefährdet, eine schwere Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln.

Chronische Entzündungen und verstärkte Blutgerinnung

Häufig ist zudem die Blutgerinnung bei Personen mit familiärer Hypercholesterinämie gestört – was übrigens auch für Menschen mit Metabolischem Syndrom gilt. Es bilden sich eher Blutgerinnsel, die beispielsweise einen Infarkt verursachen können.

Eine weitere Studie zeigte, dass manche Menschen mit erblich bedingt überhöhten LDL-Cholesterinwerten und festgestelltem Koronarschaden auch erhöhte Blutwerte des sogenannten C-reaktiven Proteins hatten. Dieser Eiweissstoff weist auf chronische Entzündungen hin – ein Prozess, der die Atherosklerose ebenfalls vorantreiben kann.

Wie Kohlenhydratsparen das Herz schützen kann

Diamond und Kollegen empfehlen Personen mit familiärer Hypercholesterinämie, die zugleich eine Insulinresistenz haben, auf eine kohlenhydratreduzierte Kost zu setzen, um Herz und Gefässe zu schützen. Unter dieser Diät verbessere sich die Fähigkeit der Zellen wieder, Zucker aus dem Blut aufzunehmen. Damit sinken auch überhöhte Blutzuckerwerte.

Mehr noch: Eine Insulinresistenz bewirke, dass in der Niere vermehrt Natrium zurückgehalten wird. Das lässt die Blutdruckwerte steigen – denn Natrium ist ein entscheidender Mitspieler in der Blutdruckregulation. Auf diesem Wege kann eine kohlenhydratarme Diät auch den Blutdruck günstig beeinflussen.

Tatsächlich hätten zwei kürzlich durchgeführte klinische Langzeitstudien gezeigt, dass eine kohlenhydratarme Ernährung über einen Zeitraum von zwei Jahren sowohl den Blutdruck als auch die Insulinresistenz deutlich besserte, schreiben die Forscher.

Und noch ein weiterer Faktor spricht für eine Reduktion von Zucker, Brot und Pasta: Wer Kohlenhydrate spart, bei dem sinkt der Wert von Lipoprotein (a). Hohe Werte dieses Blutfetts gelten inzwischen als unabhängiger Risikofaktor für Herzkreislaufkomplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall.

Fazit: Bei Insulinresistenz vor allem Kohlenhydrate reduzieren?

"Unsere Studie […] hat gezeigt, dass eine kohlenhydratarme Ernährung die "herzgesündere" ist und nicht eine, die gesättigte Fette reduziert“, sagt der Hauptautor David Diamond. Eine solche Ernährung würde die Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich stärker verbessern als eine Diät mit wenig Fett.

Bei Personen mit erhöhtem Risiko für Herzerkrankungen wie Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes sei das Einsparen von Kohlehydraten besonders effektiv. „Davon könnten auch Personen mit überhöhten LDL-Spiegeln profitieren, die Anzeichen von Insulinresistenz oder eine höhere Gerinnungsneigung zeigen“, schliessen die Wissenschaftler. Sie regen daher an, diese Annahme im Rahmen grösserer Studien zu überprüfen.

Gilt Kohlenhydrate sparen für alle mit hohen Cholesterinwerten?

Ebenfalls unbeantwortet bleibt die Frage, inwiefern sich die Empfehlung, aus Herzschutzgründen vor allem die Kohlenhydrate im Auge zu behalten, auch für Menschen gelten sollte, die zwar hohe LDL-Cholesterinwerte haben, aber nicht aufgrund der vergleichsweise seltenen Form der familiären Hypercholesterinämie.

Bei einem grossen Teil der Betroffenen spielen zwar ebenfalls ungünstige Gene eine Rolle, nur ist ihr Einfluss weniger gravierend als bei einer familiären Hypercholesterinämie. Träfen die Schlussfolgerungen der Autoren auch auf diese Personengruppe zu, würde das einen deutlich weitreichender Paradigmenwechsel der Ernährungsempfehlungen bedeuten.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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