HIV: Weniger Tests, mehr unerkannte Infektionen?
Die Corona-Pandemie wirkt sich auch auf die HIV-Prävention aus. Da weniger getestet wird, bleiben Infektionen womöglich länger unerkannt. Davor warnen Experten anlässlich des Welt-Aids-Tags am 1. Dezember.
Ende 2019 lebten in Deutschland rund 11.000 Menschen, die mit HIV-infiziert waren, ohne davon zu wissen – viele von ihnen schon seit Jahren. Das geht aus dem aktuellen Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Instituts (RKI) hervor. Die unentdeckt Infizierten können nicht nur andere anstecken - unbehandelt kann ein Krankheitsausbruch schweren Schaden anrichten.
Experten befürchten, dass sich die Lage während der Corona-Pandemie verschärfen könnte – denn das Testangebot auf HIV ist eingebrochen.
Jede dritte Diagnose erfolgt zu spät
„Diese Zahlen können uns nicht zufrieden stellen. Es wäre möglich, deutlich mehr HIV-Infektionen und schwere Erkrankungen zu verhindern“, sagt Sven Warminsky vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe (DAH).
Etwa ein Drittel der HIV-Diagnosen erfolgt der Deutschen Aids-Hilfe zufolge erst, wenn die Patienten bereits schwer erkrankt sind. Bei 1.100 Menschen bricht Aids aus oder sie erleiden einen schweren Immundefekt, obwohl das vermeidbar gewesen wäre.
Testen verhindert Ansteckungen und schwere Verläufe
Denn je früher eine HIV-Infektion medikamentös behandelt wird, desto besser lässt sich die Gesundheit erhalten. Zugleich ist HIV unter Therapie nicht mehr übertragbar. Testangebote sind daher auch ein wichtiger Bestandteil der HIV-Prävention.
„Die Stagnation bei den Spätdiagnosen ist tragisch“, so Warminsky, „hier müssen die Anstrengungen für frühe Diagnosen dringend noch verstärkt werden, zum Beispiel durch Fortbildungen für ÄrztInnen, die HIV als Krankheitsursache oft nicht in Betracht ziehen.“
Weniger Tests in der Corona-Pandemie
Durch die Corona-Pandemie drohten jetzt zusätzliche Rückschritte und Schäden, weil Lücken bei den HIV-Testangeboten entstünden. „Es gilt jetzt dringend, mit zusätzlichen Ressourcen gegenzusteuern – denn die Corona-Pandemie wird uns noch erhalten bleiben und darf nicht dauerhaft die Massnahmen gegen HIV behindern“, fordert Warminsky.
Aufgrund der Covid-19-Epidemie seien die anonymen Testangebote vielerorts stark eingeschränkt, weil Gesundheitsämter aufgrund von Überlastung zurzeit keine Tests auf HIV und Geschlechtskrankheiten anbieten. Aidshilfen mit ihren Checkpoints gleichen diesen Mangel teilweise aus, die Testangebote sind durch die Corona-Bedingungen aber ebenfalls betroffen.
Finanzierung gefährdet
Zugleich ist die Finanzierung der Testangebote in Aidshilfen in vielen Städten gefährdet: Die Kommunen wollen die entsprechenden Mittel im nächsten Jahr nicht wieder zur Verfügung stellen oder kürzen. Mit den leicht erreichbaren Testangeboten für spezielle Zielgruppen würde aber ein essenzielles Mittel der erfolgreichen deutschen HIV-Strategie geschwächt.
„Um Aids-Erkrankungen und HIV-Neuinfektionen weiter zu reduzieren, dürfen keine Testangebote wegfallen, sie müssen vielmehr weiter ausgebaut werden“, betont Warminsky im Einklang mit den Empfehlungen des RKI. „Hier stehen Länder und Kommunen in der Verantwortung.“
Das RKI empfiehlt hier ausserdem, Selbsttests stärker zu bewerben und Angebote von Einsendetests auszuweiten. Letztere werden in Deutschland bisher vom Kooperationsprojekt s.a.m health angeboten, das die Deutsche Aids-Hilfe koordiniert.
Etwas mehr Neuinfektionen als im Vorjahr
Die Zahl der HIV-Neuinfektionen lag laut RKI im Jahr 2019 bei 2.600, das sind 100 mehr als im Vorjahr. Bei den schwulen und bisexuellen Männern ist die Zahl mit 1.600 Fällen konstant geblieben. Der deutliche Rückgang der letzten Jahre in dieser Personengruppe hat sich damit nicht fortgesetzt.
Autoren- & Quelleninformationen
- Deutsche Aids-Hilfe