Hirnscan

Hirnschrittmacher bremst frühen Parkinson

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Eine Tiefe Hirnstimulation (THS) wird bei Parkinson derzeit erst in einem späten Stadium der Erkrankung angewendet – wenn die Medikamente nicht mehr ausreichend wirken oder starke Nebenwirkungen haben. Nun zeigt sich, dass die Methode in einem frühen Stadium der Krankheit sogar das Potenzial haben könnte, den Verlauf der Krankheit zu bremsen.

Für eine Tiefe Hirnstimulation pflanzt man den Patienten kleine Elektroden in ganz bestimmte Gehirnareale. Die notwendigen elektrischen Impulse gehen von einem Gerät aus, das ähnlich wie ein Herzschrittmacher unter dem Schlüsselbein platziert wird. Das Resultat ist oft verblüffend: Bei Patienten, die sich kaum noch flüssig bewegen konnten, Sprachschwierigkeiten hatten und unter starkem Ruhezittern (Tremor) litten, verbessern sich die Symptome teilweise dramatisch.

Schrittmacher im frühen Stadium

Nun haben Forscher der Vanderbilt University die Tiefe Hirnstimulation an Parkinsonpatienten in einem frühen Stadium der Erkrankung getestet. Sie rekrutierten für ihr Experiment insgesamt 30 Teilnehmer – mehr Probanden hatte ihnen die amerikanische Food and Drug Agency (FDA) nicht genehmigt. Denn der Eingriff ins Gehirn bei noch mehr Patienten mit vergleichsweise milden Symptomen schien zunächst ethisch nicht gerechtfertigt.

Weniger Zittern

Das Ergebnis: Innerhalb von zwei Jahren entwickelten 86 Prozent der Teilnehmer, die nur Medikamente erhalten hatten, einen Tremor in weiteren Gliedmassen. In der Gruppe mit zusätzlichem Hirnschrittmacher waren es nur 46 Prozent. Bei vier von ihnen besserte sich der Tremor sogar, bei einem Patienten verschwand er ganz.

„Es scheint, dass eine Tiefenhirnstimulation das Voranschreiten des Tremors in einem frühen Parkinsonstadium verlangsamen kann“, sagt David Charles, Senior Autor der Studie. „Das ist bemerkenswert, denn bislang gibt es keine Therapie, die irgendeinen Aspekt der Krankheit bremst.“

Die teilnehmenden Patienten waren zu Beginn der Studie zwischen 50 und 75 Jahre alt. Sie nahmen zu diesem Zeitpunkt seit mindestens sechs Monaten, aber maximal vier Jahren Parkinsonmedikamente ein. Alle halbe Jahr fanden sich die Teilnehmer zu neurologischen Tests ein. Um den aktuellen Zustand der Patienten möglichst unverfälscht zu ermitteln, durchliefen sie vor den Tests jeweils eine einwöchige Auswaschphase, während der sie kein Medikament und auch keine Tiefe Hirnstimulation erhielten.

Wirkung ist noch unbekannt

Wie genau eine THS wirkt, ist indes noch nicht erforscht. Man nimmt aber an, dass die elektrischen Impulse überaktivierte Hirnregionen dämpfen. Angewendet wird das Verfahren auch zur Behandlung anderer neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen, darunter Epilepsie, Zwangsstörungen und schwere Depressionen, die sich unter medikamentöser oder psychotherapeutischer Behandlung nicht bessern.

Die Wissenschaftler wollen das Experiment nun 2019 mit einer Gruppe von rund 280 Parkinsonpatienten wiederholen. Diese sehr viel grössere Teilnehmerzahl hat die FDA angesichts der erfolgreichen Pilotstudie inzwischen genehmigt.

Dopamin-Mangel im Gehirn

Bei Parkinson gehen nach und nach die Dopamin-produzierenden Zellen in der sogenannten schwarzen Substanz im Gehirn zugrunde. Der Botenstoff ist unter anderem für die Koordination von Bewegungen notwendig. Erst wenn mehr als die Hälfte der Zellen zugrunde gegangen sind, treten die ersten Parkinsonsymptome auf. Dazu zählen Zittern, verlangsamte Bewegungen, Muskelversteifung, starre Gesichtsmimik, Gangunsicherheit und Sprachstörungen.

200.000 Parkinsonkranke in Deutschland

Dann helfen unter anderem Medikamente, die Levodopa enthalten. Es wird in den Nervenzellen in Dopamin umgewandelt. Auf Dauer nehmen aber Nebenwirkungen wie unwillkürliche Zuckungen und ruckartige Bewegungen zu, und das Medikament verliert an Wirksamkeit. Dann kommt eine Tiefe Hirnstimulation als Behandlung in Frage.

In Deutschland leben rund 220.000 Menschen mit der Krankheit. Sie beginnt meist zwischen dem 50. und dem 60. Lebensjahr. Jeder zehnte Betroffene erkrankt aber bereits vor dem 40. Lebensjahr.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • David Charles et al.: Effects of deep brain stimulation on rest tremor progression in early stage Parkinson disease. Neurology, 2018; DOI: 10.1212/WNL.0000000000005903
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