Kardiologische Notaufnahme im Krankenhaus

Herzinfarkt oder nicht? Neuer Test gibt mehr Sicherheit

Von , Chefredakteur und Humanmediziner
Jens Richter

Jens Richter ist Chefredakteur bei NetDoktor. Seit Juli 2020 ist der Mediziner und Journalist außerdem als COO für den Geschäftsbetrieb und die strategische Weiterentwicklung von NetDoktor verantwortlich.

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Ein neues Testverfahren könnte den Ärzten in der Notaufnahme des Krankenhauses bald mehr Sicherheit geben, ob ihre Patienten tatsächlich einen Herzinfarkt erlitten haben. Und ob sie wirklich eine Behandlung benötigen, die nicht nur Leben retten kann, sondern auch Risiken birgt.

Werden Patienten mit dem Verdacht auf einen Herzinfarkt heute ins Krankenhaus eingeliefert, gehören ein EKG und eine Blutentnahme zu den allerersten Routinehandlungen. Im Blut achten die Ärzte vor allem auf die Konzentration von Troponin. Das ist ein Eiweissstoff des Herzmuskels, der bei einer Schädigung der Zellen vermehrt in den Blutkreislauf gelangt.

Troponin ist der wichtigste Marker

Besonders schnell und aussagekräftig reagieren die Troponine I und T, die spezifisch für die Herzmuskelzellen sind. Ab einer bestimmten Höhe dieser Werte gilt akuter Herzinfarktverdacht – besonders dann, wenn die Werte über längere Zeit erhöht bleiben und gleichzeitig weitere typische Beschwerden und Veränderungen im EKG bestehen.

Zu ungenau, zu langwierig

Doch die absolute Höhe der Werte zum Aufnahmezeitpunkt und in den folgenden Stunden ist nicht immer ein sicheres Kriterium. Denn da gibt es zwischen verschiedenen Patienten oft erhebliche Unterschiede. Etwa, weil die Patienten zusätzlich eine weitere Erkrankung haben, die die Werte verändert.

Zudem ist die Empfindlichkeit der Tests nicht hoch genug, um bereits sehr kleine Veränderungen zu erkennen. Entsprechend werden die Abstände zwischen den Blutentnahmen grösser gewählt: zwischen einer und bis zu zwölf Stunden. So verstreicht kostbare Zeit – oder es wird bereits aufgrund der Aufnahmebefunde eine Behandlung eingeleitet, die vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre.

Wichtig, wie sich die Werte verändern

Deutsche Herzforscher unter Führung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf haben deshalb bei ihren Probanden statt der absoluten Troponin-Werte die Veränderungen der Messwerte im Verlauf der ersten Stunde beobachtet. Sie haben dafür einen besonders empfindlichen Test verwendet, der in den Kliniken bereits zur Verfügung steht. Ihre Studie an mehr als 22000 Patienten aus 13 Ländern, die jetzt im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, zeigt: Auf diese Weise lässt sich ein Herzinfarkt wesentlich schneller und zudem sicherer diagnostizieren als bisher.

Risikoberechnungs-Software für die Notaufnahme

Die Verlässlichkeit der Methode erwies sich als so gross, dass die Hamburger Forscher mithilfe ihrer Daten einen Risiko-Rechner entwickeln konnten, der künftig Notfallmedizinern überall auf der Welt die Herzinfarkt-Diagnostik erleichtern könnte. Der aber genauso helfen könnte zu verhindern, dass Patienten ohne Infarkt eine Behandlung bekommen, die einige Risiken birgt.

Bei der sogenannten PTCA wird mittels eines bis zum Herzen vorgeschobenen Ballonkatheters eine verstopfte Herzkranzarterie (Koronararterie) wieder aufgedehnt und gegebenenfalls mit einem kleinen Drahtgeflecht stabilisiert. Für Infarktpatienten oft die Rettung, aber es können auch gefährliche Herzrhythmusstörungen, Gefässverletzungen oder Embolien dabei auftreten.

"Time is muscle"

"Zeit ist Muskel" – so lautet die Devise in der Behandlung eines Herzinfarkts. Denn bei einem Herzinfarkt (Myokardinfarkt) verengt oder verschliesst sich eine Herzkranzarterie akut und schneidet einen Teil des Herzmuskels von der Sauerstoffversorgung ab. Ohne Behandlung würde dieser Muskelabschnitt binnen weniger Stunden absterben und wäre nicht mehr zu retten.

Oft – aber nicht immer – hat ein Herzinfarkt eine Vorgeschichte: Die Patienten leiden bereits an der Koronaren Herzkrankheit. Aber der Infarkt kann auch "wie aus heiterem Himmel" kommen. Typische Symptome sind stärkste Schmerzen in der Brust, die in den Arm ausstrahlen können, Kaltschweissigkeit, Übelkeit, unregelmässiger Herzschlag und Todesangst.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Autor:

Jens Richter ist Chefredakteur bei NetDoktor. Seit Juli 2020 ist der Mediziner und Journalist außerdem als COO für den Geschäftsbetrieb und die strategische Weiterentwicklung von NetDoktor verantwortlich.

Quellen:
  • J. T. Neumann, R. Twerenbold et al.: Application of High-Sensitivity Troponin in Suspected Myocardial Infarction, New England Journal of Medicine, 27.06.2019, DOI: 10.1056/NEJMoa1803377
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich