Mann erhält Grippeimpfung

Grippeimpfungen: Unterschätzte Herzensretter

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Schon das ganze laufende Jahr lang hat sich alles ums Impfen gedreht – gegen Covid-19. Nun sollen sich viele Menschen erneut immunisieren lassen, diesmal gegen die Grippe. Das gilt auch für Jüngere, die an bestimmten Vorerkrankungen leiden – insbesondere Herzpatienten. Doch denen ist das häufig nicht bewusst.

Eine Influenza kann schwer und auch tödlich verlaufen: nicht nur bei älteren Menschen, sondern auch in jungen Jahren. Gefährdet sind neben Herzpatienten auch Menschen mit anderen Grunderkrankungen wie Diabetes und chronischen Lungenleiden - aber auch Übergewichtige und schwangere Frauen.

„Im Grunde sind das dieselben Risikokandidaten, denen auch durch Covid-19 schwere Verläufe drohen“, erklärt Prof. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung im Gespräch mit NetDoktor.

Grippeimpfung schützt vor Infarkt wie Nichtrauchen

Durch eine Grippeschutzimpfung liessen sich viele Tragödien verhindern. Tatsächlich kann die Immunisierung beispielsweise Herzpatienten ebenso wirksam vor einem Herzinfarkt schützen wie ein Rauchverzicht, Blutdrucksenker oder Statine (Cholesterinsenker).

Zutage gefördert hat das die dänische IAMI-Studie, die erst im August dieses Jahres veröffentlicht wurde. Für Patienten, die direkt nach einem Herzinfarkt eine Grippeimpfung erhielten, sank das Risiko, in den folgenden zwölf Monaten zu sterben oder einen Herzinfarkt zu erleiden, um 28 Prozent. „Auch diese Ergebnisse zeigen, wie wirksam die Grippeimpfung sein kann“, erklärt Voigtländer, der Ärztlicher Direktor des Agaplasion Bethanien Krankenhaus ist.

Auch eine weitere dänische Untersuchung mit 130.000 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz untermauert den Nutzen der Impfung: Für Patienten, die in der Nachbeobachtungszeit von rund 4 Jahren mindestens eine Grippeimpfung erhalten hatten, war das Sterberisiko 18 Prozent geringer.

Wenn Influenza das Herz befällt

Influenzaviren können das Herz-Kreislauf-System über unterschiedliche Wege schädigen: „Grippeviren können die Zellen des Herzmuskels oder der Herzaussenhaut beispielsweise direkt befallen und dort Entzündungen hervorrufen“, berichtet Voigtländer.

Bleibende Herzschäden sind dann möglich – beispielsweise, wenn die Patienten die Krankheit nicht richtig auskurieren. Allerdings seien solche Entzündungen bei Grippe – und übrigens auch bei Covid-19 - eher selten, erklärt der Kardiologe.

„Influenza betrifft den ganzen Körper“

Eine gravierendere Rolle für schwere Verläufe spielen andere Prozesse. „Wie Covid-19 ist auch die Influenza ein Infekt, der mehr oder weniger den ganzen Körper betrifft“, sagt der Mediziner. Liegen dann weitere Risikofaktoren vor, begünstigt das Herzinfarkte und Schlaganfälle auch bei Menschen ohne Herz-Kreislauf-Erkrankung.

„Und dann kann das Herz auch durch einen sogenannten Zytokinsturm in Mitleidenschaft gezogen werden“, erklärt Voigtländer. Ähnlich wie das inzwischen von Covid-19 bekannt ist, wird der Körper dabei mit Entzündungsbotenstoffen überflutet.

Geringe Impfquote auch unter Älteren

Trotzdem verzichten viele Gefährdete auf den Impfschutz. Von den über 60-Jährigen lässt sich in Deutschland normalerweise nur etwa jeder Dritte gegen Grippe impfen. Bei den Jüngeren mit Vorerkrankungen, die vielleicht seltener Arztkontakte haben, könnte die Quote noch niedriger sein. „Das macht uns Sorgen“, so Voigtländer.

Denn gerade in dieser Saison könnte sich die Grippeimpfung wegen der noch herrschenden Pandemie als besonders wichtig erweisen. Intensivmediziner fürchten, dass neben den Coronapatienten auch viele Influenzapatienten im Krankenhaus behandelt werden müssen.

„Die bange Frage ist zudem, ob es uns, nachdem die Influenzasaison im letzten Winter quasi ausgefallen ist, in diesem Jahr umso härter trifft“, sagt der Mediziner. Tatsächlich könnte aus diesem Grund die Grundimmunität in der Bevölkerung schwächer ausfallen.

Andererseits haben sich im letzten Jahr mehr Menschen gegen Grippe impfen lassen als sonst üblich. „Das ist die grosse Frage, ob das dieses Jahr wieder funktioniert. Wir müssen abwarten, wie sich das entwickelt“, so Voigtländer.

Wer viele Kontakte hat, sollte sich impfen lassen

Neben Älteren und Menschen mit Vorerkrankungen sind auch Personen zur Impfung aufgerufen, die in medizinischen oder Pflegeberufen arbeiten – oder gefährdete Angehörige haben: Sie schützen durch eine Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch andere, indem sie dazu beitragen, dass sich die Influenza in diesem kritischen Jahr nicht zu stark ausbreitet.

Das Gleiche gilt für alle, die regelmässig Kontakt mit vielen Menschen haben. Dazu gehört die Lehrerin ebenso wie der Kassierer, die Barkeeperin oder auch Menschen, die viel im öffentlichen Verkehr unterwegs sind – um nur einige Beispiele zu nennen.

Doch auch, wer nicht zu den genannten Personengruppen gehört, kann sich immunisieren lassen. „Mit Ausnahme von Allergien gegen die Inhaltsstoffe der Impfung gibt es keine Kontraindikation gegen die Grippeschutzimpfung“, sagt Voigtländer.

Genug Impfstoff für alle Impfwilligen

Grippe-Impfstoff gibt es immerhin genug: Die Bundesregierung hat 23 Millionen Impfdosen bestellt – deutlich mehr als in den Jahren zuvor. Für die gesamte Bevölkerung würde das zwar nicht ausreichen. Sorge haben, dass man jemandem die Impfung wegnimmt, der sie dringender braucht, muss man aber nicht: Das eigentliche Problem ist, dass sich eher zu wenig Menschen gegen Grippe impfen lassen wollen.

„Auch in sensiblen Bereichen wie der Pflege und der Gesundheitsversorgung ist die Bereitschaft, sich gegen Grippe impfen zu lassen, nicht sehr hoch“, bedauert Voigtländer. Oft werde die Grippe nicht ernstgenommen, „da muss man die Leute überzeugen.“

Corona- und Grippeimpfung im Doppelpack

Wer sich zur Grippeimpfung entschliesst und ausserdem noch eine (Auffrisch-)Impfung gegen Covid-19 benötigt, kann beide Immunisierungen bei einem einzigen Arztbesuch erledigen. Dann wird die eine Spritze am linken Arm, die andere am rechten gesetzt – für das Immunsystem ist das kein Problem.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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