Frühchen im Krankenhaus

Frühchen: Sanfte Musik fördert Gehirnentwicklung

Von , Medizinredakteurin
Lisa Vogel

Lisa Vogel hat Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach studiert und ihre journalistischen Kenntnisse im Masterstudiengang Multimediale Information und Kommunikation vertieft. Es folgte ein Volontariat in der NetDoktor-Redaktion. Seit September 2020 schreibt sie als freie Journalistin für NetDoktor.

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Sanfte Klänge fördern die Gehirnentwicklung von Frühchen. Die Musik wirkt beruhigend auf die Kinder: Die Wirkung ist so stark, dass neue Verbindungen zwischen den Hirnregionen entstehen.

Hektischer Start ins Leben

Kommt ein Kind mehrere Wochen zu früh auf die Welt, ist sein Körper noch nicht fertig entwickelt. Das betrifft auch das Gehirn. Die einzelnen Sektionen sind bei Frühchen weniger gut untereinander vernetzt als bei anderen Neugeborenen.

Schweizer Forscher haben herausgefunden, dass sanfte Musik auf der Frühchenstation die Gehirnentwicklung der Neugeborenen unterstützen könnte. Die gängige Klinikumgebung hingegen ist für die Entwicklung der Kinder nicht förderlich.

„Auf den Intensivstationen für Neugeborene ist es laut und hektisch“, schreiben die Autoren der Studie. Türen gehen auf und zu fremde Menschen wuseln herum und Geräte piepsen. „Die mechanischen Geräusche können die Hirnentwicklung stören“, so die Forscher.

Musiktherapie für Frühchen

Das Team um die Pädiaterin Prof. Petra Hüppi untersuchte die Auswirkung beruhigender Musik auf zu früh geborene Kinder. Sie analysierten die Gehirnaktivität von 39 Frühchen mit einer funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) nach der Geburt.

20 Babys bekamen danach dreimal täglich zu festen Zeiten sanfte Musik über Kopfhörer vorgespielt. Ein Musikstück nach dem Aufwachen, eines zum Einschlafen und eines, wenn die Kinder tagsüber wach waren. Die Forscher nutzten vor allem beruhigende Harfenklänge und Flötenspiel.

Die 19 Frühchen in der Kontrollgruppe bekamen ebenfalls drei Mal am Tag Kopfhörer aufgesetzt, allerdings ohne Musik. Die Kopfhörer dämmten die Umgebungsgeräusche nicht ein.

Musik fördert Hirnaktivität

Bei der Entlassung aus dem Krankenhaus oder wenn der ursprünglich errechnete Geburtstermin erreicht wurde, untersuchten die Wissenschaftler die Gehirne der Kinder erneut. Dazu verglichen sie ihre Hirnscans auch mit denen von Kindern, die nach einer regulären Schwangerschaftsdauer zur Welt gekommen waren.

Dabei wurde deutlich: Die Frühchen, die keine Musik zu hören bekommen hatten, zeigten im MRT weniger Gehirnaktivität. Zwischen der Musik-Frühchen-Gruppe und termingerecht Geborenen gab es hingegen kaum Unterschiede.

Bessere Reizverarbeitung dank Musik

Vor allem das sogenannte Salienz-Netzwerk profitierte von der musikalischen Stimulation. Es registriert Sinneseindrücke und leitet die Reize zur Verarbeitung in verschiedene Hirnregionen weiter. Auf der Intensivstation werden die Frühchen mit Reizen überflutet. Die Neugeborenen können sie nicht zuordnen und sind mit der Verarbeitung überfordert. „Indem wir das Umfeld der Kinder durch die Musik verändert haben, konnten wir die Gehirnverschaltung verbessern“, schreiben die Wissenschaftler.

65000 Frühchen jährlich

Eine normale Schwangerschaft dauert 40 Wochen. Von einem Frühgeborenen sprechen Mediziner, wenn das Kind bereits vor der 37. Schwangerschaftswoche das Licht der Welt erblickt. Das trifft jährlich auf etwa 65000 Neugeborene in Deutschland zu.

Frühchen sind anfälliger für verschiedene Krankheiten, sie hinken in der körperlichen Entwicklung hinterher und lernen in der Schule langsamer als gleichaltrige Klassenkameraden. Bis zu acht Jahre lang dauert es, bis die Kinder den Rückstand aufgeholt haben.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Autor:

Lisa Vogel hat Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach studiert und ihre journalistischen Kenntnisse im Masterstudiengang Multimediale Information und Kommunikation vertieft. Es folgte ein Volontariat in der NetDoktor-Redaktion. Seit September 2020 schreibt sie als freie Journalistin für NetDoktor.

Quellen:
  • Bundesverband „Das Frühgeborene Kind“ (https://www.fruehgeborene.de/; Abruf am 13.06.2019)
  • Hüppi, Petra S. et al.: Music in premature infants enhances high-level cognitive brain networks; Proceedings of the National Academy of Sciences Jun 2019, 116 (24) 12103-12108; DOI: 10.1073/pnas.1817536116
  • Kinderärzte im Netz: Frühgeborene (https://www.kinderaerzte-im-netz.de/; Abruf am 13.06.2019)
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich