Forscher in Zeiten von Corona
Selten standen Forscher so im Zentrum der Aufmerksamkeit wie in der Corona-Krise. Ungewohnt leidenschaftlich diskutieren sie auf offener Bühne. Das könnte die Wahrnehmung von Wissenschaft verändern.
Bislang galten Forscher in der Regel als eher zurückgenommene, sachliche Zeitgenossen. Meinungsverschiedenheiten wurden meist in Fachjournalen oder auf Konferenzen ausgetragen. Doch in der Corona-Krise ändert sich das. Debatten finden in aller Öffentlichkeit statt. Zwei der bekanntesten Forscher, die Virologen Christian Drosten und Alexander Kekulé, beharken sich gerade intensiv. Das könnte die Wahrnehmung von Wissenschaft verändern.
Wissenschaft wird mehr nach aussen getragen
Der Experte für Wissenschaftskommunikation Sven Engesser von der TU Dresden beobachtet, dass Rivalitäten zwischen Forschern nicht mehr intern geklärt, sondern nach aussen getragen werden. "Das liegt auch daran, dass alle Beteiligten sehr exponiert sind und unter Druck stehen." Wissenschaftliche Ergebnisse hätten in der Corona-Krise viel mehr Relevanz als früher. "Es passiert Grundlagenforschern selten, dass eine unveröffentlichte Studie politische Entscheidungen beeinflusst."
Aktuelle Diskussionen
Auslöser der aktuellen Diskussion sind von Drosten veröffentlichte, vorläufige Ergebnisse zur Ansteckungsgefahr durch Kinder und eine damit verbundene Warnung davor, Schulen und Kindergärten in Deutschland uneingeschränkt zu öffnen. An der Studie gibt es teils deutliche Kritik, wie etwa in der "Bild"-Zeitung zu lesen war.
Diese hatte allerdings Zitate von Fachkollegen eigenmächtig aus dem Zusammenhang gerissen und ohne deren Einverständnis verwendet und daraus falsche Behauptungen abgeleitet.
Drosten, Chef-Virologe der Berliner Charité, und sein Team haben die statistische Auswertung der Daten nach eigenen Angaben überarbeitet und wollen sie zur Veröffentlichung einreichen, wie der Wissenschaftler auch in einem am Freitag veröffentlichten "Spiegel"-Interview sagte.
Forscher sind auch nur Menschen
Wie öffentliche Debatten auf die Bevölkerung wirkten, sei schwer zu sagen, sagt Kommunikationsexperte Engesser. "Einige Menschen werden enttäuscht sein zu realisieren, dass Forscher fehlbar und menschlich sind. Andere werden genau das authentisch und sympathisch finden." Im Grunde sei es so: "Wer wissenschaftsfeindlich war, wird dadurch vermutlich noch wissenschaftsfeindlicher - und umgekehrt." (hh/dpa)
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- Deutsche Presse Agentur