Positver Coroanatest

Flachere Coronakurve: Wie sicher sind die Zahlen?

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Mit dem Lockdown light soll die zweite Welle der Coronainfektionen in Deutschland gebrochen werden. Die gute Nachricht ist: Die Zahl der positiv Getesteten steigt deutlich langsamer als vor zwei Wochen. Allerdings sind die Zahlen mit Vorsicht zu lesen. Denn es dürfte mehr unentdeckte Fälle geben.

Lücken in der Nachverfolgung

Ein möglicher Grund dafür ist die derzeitige Überlastung der Gesundheitsämter. Kommen diese mit der Nachverfolgung der Infektionsketten nicht hinterher, bleiben viele Fälle unentdeckt. Derzeit kann bei drei von vier Fällen nicht ermittelt werden, wo sich ein Infizierter angesteckt hat. Das bedeutet auch, dass die übermittelten Zahlen zunehmend unscharf werden.

Überlastete Labors

Verschärfend hinzu kommt, dass in den überlasteten Labors noch immer viele ungetestete Proben schlummern. Wie viele davon positiv sind, ist offen. Inzwischen erhalten zunehmend Menschen ihr Testergebnis erst, wenn sie kaum noch ansteckend sind.

Geänderte Teststrategie

Angesichts der Überlastung der Labors und zeitweiliger Knappheit an für die Tests benötigtem Material hat das Robert Koch-Institut vor Kurzem seine Testempfehlungen geändert. Getestet werden soll nun nicht mehr bei jedem Schnupfen, sondern vornehmlich bei schweren Symptomen (z.B. Lungenentzündung oder Fieber) oder besonders typischen Corona-Anzeichen, beispielsweise Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns.

Weiterhin mit leichten Symptomen getestet werden sollen nach wie vor Menschen, die zu einer Risikogruppe gehören oder viele Sozialkontakte haben. Personen mit Hochrisiko-Kontakt zu Infizierten werden ebenfalls getestet, auch wenn sie keine Symptome haben.

Mehr positive Tests

Immer noch steigt der Anteil der positiven Testergebnisse an der Gesamtzahl der Tests. Sie liegt nun bei 7,88 Prozent. Zwei Wochen zuvor betrug sie nur 5,51 Prozent. Das dürfte der geänderten Teststrategie geschuldet sein. Es bedeutet aber auch, dass die Dunkelziffer an Infizierten wohl höher ist als zuvor. Die tatsächlichen Infektionszahlen könnten also stärker steigen, als die auf Tests beruhende Kurve der Neuinfektionen suggeriert.

Noch kann der Lockdown nicht wirken

Ohnehin ist die beobachtete Abflachung der Kurve noch nicht auf die Anfang November in Kraft getretenen neuen Beschränkungen zurückzuführen. Aufgrund des Zeitfensters zwischen Infektionstag, Ausbruch der Symptome und schliesslich Testung der Infizierten dürften sie sich frühestens kommende Woche auf die Werte auswirken.

Dass die Zahlen dennoch schon jetzt sinken, könnte unter anderem daran liegen, dass die Diskussion um die sich zuspitzende Lage die Menschen bereits zu einer Verhaltensänderung motiviert hat. Ähnliche Effekte hatte man bereits vor dem ersten Lockdown im Frühjahr beobachtet.

Noch ist die Trendwende nicht geschafft

Unabhängig davon, wie hoch die Dunkelziffer an Corona-Infizierten tatsächlich ist, gibt es keinen Anlass zur Entwarnung. Die Zahlen sind noch immer sehr hoch, eine Trendwende ist nicht geschafft. Der Anteil der älteren Menschen am Infektionsgeschehen, die das Virus am stärksten bedroht, ist höher. Schon melden immer mehr Seniorenheime Ausbrüche. Und auch die Zahl der mit Covid-19-Patienten belegten Betten ist so hoch, wie nie zuvor in der Pandemie. Sie hat sich innerhalb von zwei Wochen auf mehr als 3000 verdoppelt.

Dranbleiben!

Dranbleiben, lautet also die Devise. Damit die Infektionszahlen wieder beherrschbar werden, muss die Zahl der Sozialkontakte um drei Viertel reduziert werden, lautet die Faustregel. Da Schulen und Kitas offen bleiben, verlangt das in anderen Bereichen der Gesellschaft grössere Zurückhaltung. RKI-Chef Lothar Wieler hat das auf seine Weise ausgedrückt und die Bevölkerung aufgefordert, noch weitere Monate "die Pobacken zusammenzukneifen" und die Regeln einzuhalten.

Im Vorfeld der neuen Kontaktbeschränkungen war seit Ende September der Wert der wöchentlichen Neuinfektionen rasant gestiegen. Innerhalb von sechs Wochen hatte er sich fast verzehnfacht. Zuletzt waren nach Angaben des RKI am Mittwoch (11.11.2020) im Vergleich zum Vortag 21 866 neu Fälle hinzugekommen.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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