Schwangere Frau in der Stadt

Feinstaub: Ruß kommt bis in die Plazenta

Von , Medizinredakteurin
Lisa Vogel

Lisa Vogel hat Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach studiert und ihre journalistischen Kenntnisse im Masterstudiengang Multimediale Information und Kommunikation vertieft. Es folgte ein Volontariat in der NetDoktor-Redaktion. Seit September 2020 schreibt sie als freie Journalistin für NetDoktor.

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Dass der Körper schädlichen Feinstaub aus der Umwelt aufnimmt, ist bereits bekannt. Nun haben Wissenschaftler aus London herausgefunden, dass er bei Schwangeren sogar bis in die Plazenta gelangt. Doch welche Folgen hat das?

Gelangt Russ aus der Atemluft in den Mutterleib? Dieser These waren Wissenschaftler der Queen Mary University of London auf der Spur. Sie untersuchten die Plazenta von fünf Frauen nach der Geburt und suchten nach Spuren schlechter Luftqualität – und wurden fündig.

Lunge schleust die Mikropartikel durch

Der Körper nimmt Feinstaub über die Lunge auf, besonders kleine Partikel treten dann sogar ins Blut über. So gelangen sie in andere Organe - das hatten frühere Studien bereits gezeigt. Die Wissenschaftler um Dr. Norrice Liu der Queen Mary University of London untersuchten nun die Plazenta von fünf Londoner Frauen nach der Entbindung. Sie wollten erfahren, ob der Feinstaub über den Blutkreislauf bis zum ungeborenen Kind gelangt. Alle Probandinnen waren Nichtraucher, lebten in London und ihre Schwangerschaften verliefen ohne Komplikationen.

Unter dem Mikroskop analysierten die Forscher spezielle Zellen der Plazenta, die sogenannten Plazenta-Makrophagen. Dabei handelt es sich um Fresszellen, die Schadstoffe bekämpfen. Sie sind Teil des Immunsystems und neutralisieren etwa Bakterien oder Umweltgifte – sie „fressen“ diese quasi auf. In der Plazenta schützen die Makrophagen den Fötus.

Kohlenstoffteilchen in den Immunzellen

Unter insgesamt 3500 Makrophagen fanden die Wissenschaftler 60 Zellen, die zum Teil sogar mehrere schwarze Partikel enthielten. Hochgerechnet enthielt damit jede Plazenta im Schnitt etwa fünf Quadratmikrometer der schwarzen Substanz. Die Wissenschaftler vermuten, dass es sich dabei um Kohlenstoff-Partikel handelt – ein Ergebnis der schlechten Luft in London.

„Unsere Ergebnisse liefern den ersten Beweis, dass inhalierte Schadstoffpartikel von den Lungen über den Kreislauf und dann in die Plazenta gelangen können“, fasst Dr. Norrice Liu zusammen.

Bei Kindern steigt der Blutdruck

Welche gesundheitlichen Folgen der Feinstaub in der Plazenta für das Kind haben könnte, ist noch nicht klar. Eine Studie der John Hopkins University in Baltimore hatte allerdings bereits gezeigt, dass eine hohe Feinstaubbelastung während des dritten Schwangerschaftsdrittels den Blutdruck des Kindes nach der Geburt in die Höhe treibt. Bei einer erhöhten Feinstaubbelastung drohen der werdenden Mutter zudem Atemwegserkrankungen und vermehrt Plaques-Ablagerungen in der Blutbahn - ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfall.

Stuttgart ist Feinstaub-Spitzenreiter

In London ist die Feinstaubbelastung im Jahresdurchschnitt mässig erhöht: Jeden Tag atmeten die Schwangeren dort durchschnittlich 26 Mikrogramm pro Kubikmeter Atemluft ein. Zum Vergleich: In Stuttgart lag 2017 der Jahresmittelwert für Feinstaubwert (PM 10) am Neckartor bei 35 Mikrogramm pro Kubikmeter. Für die kleinsten Teilchen in der Luft (PM2,5) gibt es keine Aufzeichnung.

EU: Zu hohe Grenzwerte?

Die von der EU festgelegten Obergrenzen für die tägliche Feinstaubbelastung beziehen sich nur auf die Partikel der Grösse PM 10. Für kleinste Partikel in der Luft, fehlt eine Regelung. Auch die Anzahl der zulässigen Grenzwertüberschreitung ist für die grösseren PM-10-Teilchen deutlich höher angesetzt als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt. Zwar hat sich in den vergangenen Jahren die Luftqualität in Deutschland verbessert – WHO und Mediziner fordern dennoch angesichts immer neuer Erkenntnisse über die medizinischen Risiken strengere Richtlinien und eine striktere Einhaltung der Grenzwerte.

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Lisa Vogel hat Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach studiert und ihre journalistischen Kenntnisse im Masterstudiengang Multimediale Information und Kommunikation vertieft. Es folgte ein Volontariat in der NetDoktor-Redaktion. Seit September 2020 schreibt sie als freie Journalistin für NetDoktor.

Quellen:
  • Queen Mary University of London: First evidence that soot from polluted air may be reaching placenta (https://www.qmul.ac.uk/media/news/2018/smd/first-evidence-that-soot-from-polluted-air-may-be-reaching-placenta.html; Abgerufen: 16.09.2018)
  • Umwelt Bundesamt: Feinstaub-Belastung; 12.09.2018
  • Umwelt Bundesamt: Gesundheitsrisiken der Bevölkerung durch Feinstaub; 23.10.2017
  • Umwelt Bundesamt: Wirkung auf die Gesundheit; 20.05.2016
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