Frau hält leeres Weinglas

Ende eines Mythos: Von wegen gesunder Alkohol!

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Ein Leben ohne Wein, Bier oder Spritz ist für viele kaum vorstellbar. Tatsächlich wirkt das enthaltene Ethanol entspannend, angstlindernd und enthemmend, was der Geselligkeit und der Stimmung durchaus zuträglich sein kann.

Dass Alkohol ausserdem eine Droge ist, die schwer abhängig machen kann, im Übermass genossen ruinös für Körper, Geist, Leistungskraft und zwischenmenschliche Beziehungen ist, blenden viele dabei lieber aus.

Als Gegenargument wurde zudem lange angeführt, dass Alkohol oder zumindest Rotwein in mässigen Mengen genossen, die Herz-Kreislauf-Gesundheit stärken könnte. Und tatsächlich gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass Abstinenzler eine geringere Lebenserwartung haben als jene, die angeben, mässig Alkohol zu konsumieren.

„Bisherige Studien legten nahe, dass Menschen, die geringfügige bis moderate Mengen trinken, länger leben. Dies führte lange zur Schlussfolgerung, mässiger Alkoholkonsum könne gesundheitsfördernde Effekte haben, insbesondere in Bezug auf das Herz-Kreislauf-System“, erklärt Prof. Ulrich John von der Universitätsmedizin Greifswald.

Er und sein Team hatten die aktuelle Situation von mehr als 4.000 Erwachsenen untersucht, die sie bereits vor mehr als 20 Jahren sorgfältig zu ihrer Gesundheit – darunter ihrem Alkoholkonsum – befragt hatten. Diese aktuelle Auswertung scheint auf den ersten Blick den gesundheitlichen Nutzen von mässigem Alkoholkonsum zu bestätigen: Von den abstinenten Teilnehmern waren mittlerweile 26,6 Prozent gestorben, von den Mässig-Konsumenten aber nur 11,3 Prozent.

Paradoxe Datenlage

Allerdings erscheint das tatsächlich paradox, ist doch medizinisch unbestreitbar, dass Alkohol ein Zellgift ist, das der Gesundheit unabhängig von der Dosis kaum zuträglich sein kann.

Und dafür spricht auch die Untersuchung der Greifswalder Forscher. Gemeinsam mit Kolleginnen ist John der Sache nämlich auf den Grund gegangen. Dabei zeigte sich wieder einmal, dass Zusammenhänge nicht ursächlich sein müssen, sondern sich durch ganz andere Faktoren ergeben können.

91 Prozent der Nicht-Trinker haben gesundheitliche Risikofaktoren

Von den 4028 Menschen hatten bei der Befragung 1996 und 1997 etwa 11 Prozent angegeben, in den vorangegangenen zwölf Monaten keinen Alkohol getrunken zu haben.

Einen gesunden Lebensstil hatten die meisten Abstinenzler aber nicht gepflegt. Die grosse Mehrheit (91 Prozent) hatte früher Alkohol konsumiert. Und fast drei Viertel von ihnen (72 Prozent) hatten mindestens einen Risikofaktor für eine erhöhte Sterbewahrscheinlichkeit.

Dazu zählten beispielsweise eine frühere Alkohol- oder Drogenabhängigkeit oder erhöhter Alkoholkonsum (35 Prozent), tägliches Tabakrauchen (50 Prozent) sowie eine nach eigener Einschätzung mässige oder schlechte Gesundheit (11 Prozent). Ohne Risikofaktoren waren lediglich 125 alkoholabstinente Personen.

Gleich niedriges Sterberisiko für Abstinenzler und Mässig-Tinker

„Überraschend war für uns der Befund, dass alkoholabstinente Personen ohne Risikofaktoren sich in ihrer Sterbewahrscheinlichkeit nicht von Menschen mit geringem bis moderatem Alkoholkonsum unterscheiden“, sagt John. Sie lag in beiden Gruppen bei rund 11 Prozent. Bei der Gesamtgruppe der Abstinenzler, in denen die meisten gesundheitliche Risikofaktoren aufweisen, lag sie bei 26 Prozent.

John ergänzt: „Lange Zeit wurde angenommen, dass geringer bis moderater Alkoholkonsum günstige Wirkungen auf die Gesundheit haben kann. Wir fanden nun jedoch, dass die meisten alkoholabstinent lebenden Personen unserer Studie zuvor Alkohol- oder Drogenprobleme, hohen Alkohol- oder täglichen Nikotinkonsum hatten oder ihre Gesundheit als mässig bis schlecht bewerteten – alles Faktoren, die bekannt dafür sind, dass sie vorzeitigen Tod vorhersagen.“

Verzichten gesundheitlich Angeschlagene häufiger auf Alkohol?

Die Untersuchung belegt somit, dass Menschen, die auf Alkohol verzichteten, häufig einen ungünstigen Gesundheitsstatus hatten. Ob manche aufgrund dessen beschlossen, auf Alkohol zu verzichten, klärt die Untersuchung nicht, wäre aber einleuchtend.

Am Ende verfestigen sich die Belege, dass Alkohol auch in kleineren Mengen die Lebenszeit nicht verlängert. Kurz: Das Argument, dass Alkohol gesundheitsförderlich sein könnte, ist widerlegt.

Kein Hinweis, dass ein bisschen Alkohol problematisch ist

Es gibt aber auch keine Hinweise darauf, dass er - moderat genossen - die Lebenszeit erheblich verkürzt. Mässiger Alkoholkonsum scheint somit gesundheitlich eher unproblematisch. Selbstkritisch im Blick behalten sollte man jedoch, ob der persönliche Konsum tatsächlich moderat ist und bleibt.

Als Grenzwert für einen risikoarmen Alkoholkonsum gilt für gesunde, erwachsene Frauen maximal ein Standardglas Alkohol am Tag (125 ml). Gesunde, erwachsene Männer sollten pro Tag nicht mehr als zwei Standardgläser trinken. Beide Geschlechter sollten an mindestens zwei Tagen pro Woche gar keinen Alkohol konsumieren, damit sich nicht schleichend eine Alkoholabhängigkeit entwickeln kann.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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