Depressionen: Soziale Nähe ist der beste Schutz
Man kennt inzwischen einige Faktoren, die die Psyche stabilisieren und so vor Depressionen schützen. Doch was hat den grössten Effekt?
Forscher vom Massachusetts General Hospital (MGH) haben im Rahmen einer Studie die wichtigsten möglichen Schutzfaktoren identifiziert. Darunter machten sie einen aus, der besonders heraussticht: soziale Verbundenheit. Sie ist der mit Abstand wichtigste Faktor, der Menschen vor dem Abrutschen in eine Depression schützt. Das gilt auch für Personen, die aufgrund seelischer Veranlagung besonders empfänglich für die Gemütsverdunkelung sind.
Auswertung von 106 möglichen Schutzfaktoren
Dazu stützen sich die Forscher auf eine Datenbasis von mehr als 100 000 Teilnehmern, die in der UK Biobank erfasst worden waren. Sie enthielten ein Feld von 106 möglichen Einflüssen auf das Depressionsrisiko, darunter soziale Interaktion, Medienkonsum, Schlafverhalten, Ernährung und körperliche Aktivität, aber auch Umweltfaktoren wie ein grünes Umfeld oder Luftverschmutzung. Deren Einfluss werteten sie mit einer Methode aus, die parallel zum Scan auf Risikogene entwickelt wurde: dem sogenannten exposure-wide association scan (ExWAS).
Anschliessend wendeten sie eine Technik an, die in der Wissenschaft unter der Bezeichnung Mendelsche Randomisierung (MR) bekannt ist. Damit liess sich herausfinden, ob ein festgestellter Zusammenhang zwischen Depression und einem bestimmten Faktor lediglich eine zufällige Korrelation ist oder tatsächlich ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
Wichtig für die geistige Gesundheit
„Bei weitem der wichtigste Faktor war die Häufigkeit, mit der sich eine Person vertrauensvoll mit anderen austauschte, ausserdem soziale Faktoren wie Treffen mit Freunden und Familie“, berichtet Studienleiter Jordan Smoller. Das verdeutliche, welchen Stellenwert Sozialkontakte und sozialer Zusammenhalt für die seelische Gesundheit von Menschen haben. "Diese Faktoren sind in einer Zeit sozialer Distanzierung und Trennung von Freunden und Familie heute aktueller denn je", so Smoller
Weniger Fernsehen, kein Mittagsschlaf
Des Weiteren wirkte es sich positiv aus, körperlich inaktive Beschäftigungen wie Fernsehschauen oder -streamen zu reduzieren. Unklar bleibt dabei, ob der Medienkonsum direkt Depressionen fördert, oder ob es die damit einhergehende Reduktion der körperlichen Aktivität ist. Eine überraschende Erkenntnis: Der Verzicht auf ein Nickerchen am Tag scheint das Risiko für Depressionen zu senken. Um herauszufinden, wie dieser Faktor dazu beitragen könnte, seien aber noch weitere Untersuchungen notwendig.
Hochmoderne Datenverarbeitung liefert neue Erkenntnisse
"Depressionen fordern einen hohen Tribut von den Betroffenen, ihren Familien und der Gesellschaft. Aber wir wissen immer noch sehr wenig darüber, wie wir sie verhindern können", sagt Smoller. "Wir haben gezeigt, dass es jetzt möglich ist, diese Fragen durch einen umfassenden, datenbasierten Ansatz zu beantworten, der noch vor einigen Jahren nicht verfügbar gewesen wäre.“