Covid-19: Mehr Ansteckungen bei Pollenflug
Pollenflugvorhersagen könnten in Corona-Zeiten nicht nur für Allergiker wichtig sein: Auch bei Menschen ohne Allergieneigung steigt mit der Menge der Pollen in der Luft das Risiko, sich anzustecken.
Anstieg der Infektionsraten um 20 Prozent
Den Zusammenhang zwischen der Pollenkonzentration in der Luft und Infektionszahlen mit SARS-CoV-2 haben Forschende der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz Zentrums München in Zusammenarbeit mit einem internationalen Forscherteam nachgewiesen.
An Orten ohne Lockdown-Regelungen stieg im Frühjahr die Infektionsrate im Schnitt um vier Prozent, sobald sich die Anzahl der Pollen in der Luft um 100 pro Kubikmeter erhöhte. In manchen deutschen Städten beispielsweise kamen zeitweise pro Tag bis zu 500 Pollen auf einen Kubikmeter. Daraufhin kletterten die Infektionsraten um mehr als 20 Prozent.
Die Lockdown-Regeln wirkten sich auch in dieser Situation positiv auf die Infektionsrate aus: Im Schnitt halbierten sich die Infektionen bei vergleichbarer Pollenkonzentration.
Nun könnte man vermuten, dass sich Sars-CoV-2-Viren an Pollen heften und so in die Atemwege gelangen. Doch diesbezüglich geben die Forscher Entwarnung: Es gebe keine Hinweise darauf, dass Pollenkörner in der Luft selbst Träger von Viruspartikeln sein können, schreiben sie. Ohne gleichzeitigen Kontakt mit einer infizierten Person bestehe kein Infektionsrisiko.
Inhalierte Pollen lähmen Immunreaktion der Schleimhäute
Den eigentlichen Grund für das Phänomen hatten bereits vorangegangene Untersuchungen zutage gefördert: Mit zunehmender Pollendichte produzieren mit Atemwegserregern infizierte Zellen in den Schleimhäuten niedrigere Mengen an Interferonen. Diese Signalproteine haben die Aufgabe, benachbarte Zellen zu alarmieren, damit diese ihre antivirale Abwehr verstärken.
Je mehr Pollen eine Person gemeinsam mit den Viren einatmet, desto niedriger fällt die Interferonproduktion aus. Das Gleiche gilt für die Entzündungsreaktion, mit der der Körper die eindringenden Krankheitserreger bekämpft. „Pollen sind ein Faktor, der unsere Schleimhäute lähmt“, berichtete Studienleiterin Prof. Claudia Traidl-Hoffmann am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Der negative Effekt halte bis zu drei Tage an.
Dabei spielt es wohl nur eine untergeordnete Rolle, ob Betroffene an einer Pollenallergie leiden oder nicht. Auch die Art der Pollen ist unwesentlich: Pollen, die besonders häufig allergische Reaktionen auslösen, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, sich mit Sars CoV-2- zu infizieren, nicht wesentlich stärker als Pflanzenpollen, die kaum allergische Reaktionen provozieren.
FFP-2-Masken schützten vor Viren und Pollen
Die Forscher raten insbesondere Hochrisikopatienten, die Pollenflugwarnung im Blick zu behalten. „Pollen aus der Luft können wir nicht vermeiden. Daher müssen wir Risikopatienten darüber aufklären, dass sie während der Pollensaison, insbesondere im Frühling, Partikelfiltermasken tragen müssen“, so die Forscher.
Schutz bieten FFP-2-Masken, die inzwischen zumindest in einigen Bundesländern in vielen Bereichen vorgeschrieben sind. Sie halten sowohl Viren als auch Pollen von den Atemwegen der Träger fern.
Daten von 130 Pollenflugstationen in aller Welt
An der Studie waren rund 150 Wissenschaftler beteiligt, die Pollendaten von 130 Stationen in 31 Ländern auf fünf verschiedenen Kontinenten analysierten. Sie werteten unter anderem die Pollenkonzentrationen in der Luft sowie die meteorologischen Bedingungen aus und verglichen diese mit der Zahl der SARS-CoV-2-Infektionen.
Dabei berücksichtigten sie sowohl Variationen der Infektionsrate von Tag zu Tag als auch die Gesamtzahl positiv Getesteter. Ausserdem flossen Daten zu Besiedelungsdichte und zu Effekten des Lockdowns in die Berechnungen ein.
Autoren- & Quelleninformationen
- A. Damialis, S. Gilles et. al.: Higher airborne pollen concentrations correlated with increased SARS-CoV-2 infection rates, as evidenced from 31 countries across the globe, Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), März 2021, DOI: 10.1073/pnas.2019034118