Was bedeutet Herdenimmunität?

SARS-CoV-2 hatte von Beginn an ein leichtes Spiel. Niemand konnte sich gegen das Virus wehren. Forscher arbeiten mit Hochdruck an der Entwicklung einer Impfung. Mit einer hohen Durchimpfungsrate wäre es möglich, das Virus letztlich auszurotten.
Als das Coronavirus Ende 2019 erstmals vom Tier (höchstwahrscheinlich von einer Fledermaus) auf den Menschen übersprang, hatte es ein leichtes Spiel. Es fand Bedingungen vor, die für das Virus nicht besser hätten sein können: Kein einziger Mensch hatte jemals zuvor Kontakt mit dem Virus, niemand war in der Lage, sich dagegen zu wehren. Es konnte sich ungehindert länderübergreifend ausbreiten und jede beliebige Person infizieren.
+++ Mehr zum Thema: Der Coronavirus-Fakten-Check +++
Immunität: Schutz für jeden einzelnen
Kommt das Immunsystem mit einem Krankheitserreger in Kontakt, bildet es Abwehrstoffe (Antikörper), sodass es bei einer erneuten Infektion mit dem gleichen Erreger schnell reagieren und diesen unschädlich machen kann. Der Körper wird immun, er erkrankt also für eine bestimmte Zeit nicht erneut und kann den Erreger auch nicht an andere Personen weitergeben.
Auch Impfungen basieren auf dem gleichen Prinzip. Der Impfstoff bereitet das Immunsystem auf potenzielle Krankheitserreger vor, also trainiert die Abwehrmechanismen, sodass der Körper im Falle einer tatsächlichen Infektion mit dem jeweiligen Erreger bereits gerüstet ist und diese abwehrt.
Die Entwicklung einer Immunität ist also ein biologischer Prozess, der uns davor schützt, ständig neu zu erkranken.
Herdenimmunität: Schutz für die Gemeinschaft
Unter dem Begriff Herdenimmunität versteht man jenen Anteil an Menschen, der durch eine vorangegangene Impfung oder das Durchmachen der entsprechenden Erkrankung, eine Immunität erworben hat und deshalb weder selbst daran erkranken oder die Erreger an andere Personen weitergeben kann. Je mehr Personen geschützt (immun) sind, desto weniger gut kann sich der Erreger ausbreiten.
Davon profitieren nicht nur die immunen Menschen selbst, sondern auch jene, die aus unterschiedlichen Gründen nicht geimpft werden können (Säuglinge, chronisch kranke oder immungeschwächte Personen), in diesem Fall spricht man von einem «Herdenschutz für Risikogruppen».
++ Interview mit Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch: Wann besteht Herdenimmunität? ++
Impfung ist der beste Schutz
Der einfachste und schonendste Weg, eine guten Herdenimmunität zu erreichen, ist eine hohe Durchimpfungsrate. Wie viele Menschen für eine ausreichende Herdenimmunität gegen den Erreger immun sein müssen, ist bei jedem Virus anders. Prinzipiell gilt: Je infektiöser eine Erkrankung ist, desto höher muss die Durchimpfungsrate sein. Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto schlechter können sich die Erreger weiterverbreiten.
Die Infektiosität einer Erkrankung lässt sich daran ablesen, wie viele andere Personen ein Infizierter durchschnittlich ansteckt.
- Beispiel Masern: 1 Infizierter steckt durchschnittlich 18 andere Personen an, die Erkrankung ist also hoch infektiös. Erst bei einer Durchimpfungsrate von 95% ist eine gute Herdenimmunität erreicht.
- Beispiel Influenza (echte Grippe): 1 Infizierter steckt durchschnittlich 1-2 andere Personen an, die Erkrankung ist nur mäßig infektiös. Eine Herdenimmunität ist bereits bei einer Durchimpfungsrate von etwa 70% zu erwarten, tatsächlich machen aber jährlich nur rund 10% der österreichischen Bevölkerung von der Impfung Gebrauch.
- Beispiel SARS-CoV-2: Beim Coronavirus wird nach derzeitigem Erkenntnisstand von 3 angesteckten Personen pro Infiziertem ausgegangen. Damit eine natürliche Immunität entsteht, müssten etwa 50-70% der Bevölkerung die Erkrankung – da es noch keine Impfung gibt – durchmachen. Sobald es eine Impfung gegen Corona gibt, kann dieser Herdenschutz auch durch eine entsprechende Durchimpfungsrate erreicht werden.
+++ Mehr zum Thema: Es wird noch länger keine Coronaimpfung geben +++
Vorgehen beim neuartigen Coronavirus
Da es derzeit und voraussichtlich auch in naher Zukunft noch keine Impfung gegen SARS-CoV-2 geben wird, ist es zum Schutz der Risikogruppen (ältere und kranke/immungeschwächte Personen) besonders wichtig, die weitere Ausbreitung des Virus und damit potenziell schwere bis tödliche Krankheitsverläufe in der Risikogruppe zu verhindern. Würde sich das Coronavirus unkontrolliert weiter ausbreiten – wie es in Grossbritannien kurzzeitig angedacht war – würden zu viele Menschen aus den Risikogruppen gleichzeitig schwer erkranken und das Gesundheitssystem zum Erliegen bringen.
Gelingt es, die Rate an täglichen Neuinfektionen zu verringern, breitet sich das Virus immer langsamer aus bis es schliesslich «ausgehungert» ist und keine weiteren Personen infizieren kann. Nun gilt es also, Zeit zu gewinnen.
+++ Mehr zum Thema: Wie wird COVID-19 behandelt? +++
Autoren:
Mag. Astrid Leitner
Redaktionelle Bearbeitung:
Mag. Julia Wild
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