Covid-19: Hoffnung auf eine Passivimpfung
Passivimpfungen werden zur Behandlung diverser Erkrankungen eingesetzt. Sie enthalten Antikörper, welche die Erreger im Körper eines Infizierten unschädlich machen. Eine solche Impfung könnte auch SARS-CoV-2-Infizierte vor schweren Verläufen schützen - oder schwer Erkrankte bei der Genesung unterstützen.
Ausserdem könnte sie gesunde Personen, die Kontakt zu Infizierten hatten, schon im Vorfeld gegen das Virus wappnen – allerdings nur für eine gewisse Zeit.
Eine wichtige Grundlage für die Entwicklung einer Passivimpfung gegen COVID-19 haben Forscher der Berliner Charité und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) gefunden: Sie haben hochwirksame Antikörper gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 identifiziert.
Plasmaspenden mit Antikörpern werden bereits eingesetzt
Auf dem gleichen Wirkprinzip wie eine Passivimmunisierung basieren Plasmaspenden genesener Covid-19-Patienten, die schon jetzt zur Behandlung schwerkranker Infizierter eingesetzt werden: Das gespendete Blutplasma enthält spezifische Antikörper gegen SARS-CoV-2, die der Körper der Plasmaspender während der Infektion gegen die Viren gebildet hat. Sie können das Immunsystem von Schwerkranken im Kampf gegen die Viren unterstützen.
Doch der Aufwand, Blutplasma zu gewinnen und für eine Spende aufzubereiten, ist hoch. Zudem sind die Antikörper von Patient zu Patient unterschiedlich zusammengesetzt - und unterschiedlich wirksam. Ausserdem kann die Gabe von Blutplasma Nebenwirkungen verursachen.
Die wirksamsten Antikörper in grossen Mengen herstellen
Ziel des Forscherteams um Dr. Jakob Kreye und Dr. Momsen Reincke ist daher, Medikamente zu entwickeln, die pharmazeutisch hergestellte Antikörper gegen SARS-CoV-2 enthalten. „Idealerweise produziert man gezielt den wirksamsten Antikörper im industriellen Massstab und in gleichbleibender Qualität. Das ist das Ziel, das wir verfolgen“, sagt Reinecke.
Um die wirksamsten Antikörperkandidaten zu identifizieren, isolierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Blut genesener Covid-19-Patienten zunächst fast 600 verschiedene Antikörper.
Antikörper blockieren das Virus
Durch Labortests konnten sie diese Zahl auf einige besonders wirksame Exemplare eingrenzen. Anschliessend liessen sie diese dann von Zellkulturen künstlich nachbauen.
Die ausgewählten sogenannten neutralisierenden Antikörper koppeln an SARS-CoV-2 und verhindern so, dass der Erreger in Körperzellen eindringen und sich vermehren kann. Zudem werden mit Antikörpern markierte Viren schneller von Immunzellen beseitigt.
Wirksamkeitsnachweis an Hamstern
Untersuchungen an Hamstern, die ähnlich wie Menschen für eine Infektion durch SARS-CoV-2 anfällig sind, belegen die hohe Wirksamkeit der ausgewählten Antikörper. „Wurden die Antikörper nach einer Infektion verabreicht, entwickelten die Hamster allenfalls milde Krankheitssymptome. Erfolgte die Gabe der Antikörper vorbeugend – vor einer Infektion –, dann erkrankten die Tiere nicht“, sagt Kreye, der das Forschungsprojekt koordiniert.
Wie lange wirkt die Impfung vorbeugend?
Wie lange der vorbeugende Schutz einer solchen passiven Immunisierung besteht, muss im Rahmen klinischer Studien untersucht werden: „Denn im Unterschied zur aktiven Impfung werden bei der passiven Impfung fertige Antikörper verabreicht, die nach einer gewissen Zeit abgebaut werden“, erklärt Prof. Harald Prüss, Forschungsgruppenleiter am DZNE.
In der Regel sei der Schutz durch eine passive Impfung daher weniger beständig als durch eine aktive. Dafür sei die Wirkung einer passiven Impfung quasi sofort vorhanden. Bei einer aktiven Impfung muss diese sich erst aufbauen. „Es wäre ideal, wenn es beide Möglichkeiten der Impfung gäbe, um je nach Situation flexibel reagieren zu können.“
Klinische Studien am Menschen fehlen noch
Klinische Studien müssen noch die Wirksamkeit der Passivimpfung an menschlichen Probanden bestätigen – und auch ihre Verträglichkeit. Manche SARS-CoV-2-Antikörper binden nämlich nicht nur an das Virus, sondern auch an verschiedene Organe, was unerwünschte Nebenwirkungen auslösen könnte. Die Forscher rechnen damit, dass eine Zulassung frühestens Ende dieses Jahres erfolgen könnte.
Die Voraussetzungen, die Antikörper in grossen Mengen effektiv herzustellen, erarbeiten sie schon jetzt gemeinsam mit einem Partner aus der Industrie. Dann könnte die Produktion nach der Zulassung schnell hochgefahren werden.