Mann mit Heparinspritze

Covid-19: Gerinnungshemmer erhöhen Überlebenschance

Von , Arzt
Florian Tiefenböck

Florian Tiefenböck hat Humanmedizin an der LMU München studiert. Im März 2014 stieß er als Student zu NetDoktor und unterstützt die Redaktion seither mit medizinischen Fachbeiträgen. Nach Erhalt der ärztlichen Approbation und einer praktischen Tätigkeit in der Inneren Medizin am Uniklinikum Augsburg ist er seit Dezember 2019 festes Mitglied des NetDoktor-Teams und sichert unter anderem die medizinische Qualität der NetDoktor-Tools.

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Dass Gerinnungshemmer Covid-19-Patienten helfen können, ist bereits bekannt. Nun berichten US-Mediziner nach einer gross angelegten Studie im „Journal of the American College of Cardiology“, dass selbst die vorsorgliche Gabe der Arzneien das Sterberisiko deutlich senkt - und auch andere Probleme verhindert.

Für die Studie hatten die Forscher Patientendaten von März und April aus fünf Krankenhäusern der Mount Sinai-Gruppe in New York analysiert. Dabei teilten sie die insgesamt 4389 Covid-19-Patienten in drei Gruppen ein: Eine Gruppe erhielt keine Gerinnungshemmer, die zweite bekam solche Präparate zur Behandlung. Der dritten Gruppe wurde eine geringere Dosis zur Vorsorge verabreicht. Dabei kamen über die Vene beziehungsweise unter die Haut subkutan Heparin und niedermolekulares Heparin sowie Tabletten mit dem Wirkstoff Apixaban zum Einsatz.

Sterberisiko um bis zu 50 Prozent niedriger

Zwar starben knapp 29 Prozent jener Patienten, die therapeutisch mit „Blutverdünnern“ behandelt worden waren. In jener Gruppe, die keine solchen Arzneien bekam, waren es knapp 26 Prozent. Dieses Bild veränderte sich jedoch, nachdem die Forscher Vorerkrankungen und andere Gesundheitsfaktoren der Teilnehmer berücksichtigt hatten, die das Sterberisiko ebenfalls beeinflussen können.

Das Ergebnis: Das Sterberisiko war bei den Patienten, die therapeutisch, also in voller Dosis, mit einem Gerinnungshemmer behandelt worden waren, um 47 Prozent geringer. In jener Gruppe, die die Medikamente in einer niedrigeren, vorsorglichen Dosis erhalten hatte, war das Risiko um 50 Prozent reduziert. Die Behandlung mit „Blutverdünnern“ - unter Berücksichtigung des Zustands der Patienten – ging also mit einer etwa halbierten Todesrate einher.

Nutzen auch bei Beatmung

Zusätzlich sank bei jenen beiden Gruppen, die die gerinnungshemmenden Mittel bekamen, auch das Risiko, künstlich beatmet werden zu müssen - um 31 Prozent bei den therapeutisch behandelten Menschen, um 28 Prozent bei den vorsorglich behandelten. Ernsthafte Komplikationen durch Blutungen, wie sie die Einnahme von Antikoagulantien begünstigen kann, gab es bei drei Prozent der therapeutisch Behandelten. In den beiden anderen Gruppen lag der Anteil unter zwei Prozent.

Gefahr von Blutgerinnseln

Zusätzliche Hinweise darauf, dass „Blutverdünner“ für Covid-19-Patienten sinnvoll sein können, erbrachten 26 Autopsien von Menschen, die an Covid-19 gestorben waren. Bei 11 davon fanden die Mediziner Hinweise auf Thrombosen - verursacht durch Blutgerinnsel, die eine Behandlung mit Gerinnungshemmern wahrscheinlich hätte verhindern können. Auf dem Boden solcher Thrombosen kann etwa auch eine lebensgefährliche Lungenembolie entstehen.

„Mit Ausnahme eines Schlaganfalls gab es vor der Autopsie keinen Verdacht auf eine thromboembolische Erkrankung. Das deutet darauf hin, dass klinische Einschätzungen die tatsächliche Belastung durch thromboembolische Erkrankungen möglicherweise unterschätzen“, schreiben die Forscher. Bereits vor einigen Monaten häuften sich die Berichte über die Gefahr, dass Covid-19-Patienten zum Teil tödlich verlaufende Komplikationen durch Blutgerinnsel erleiden können (NetDoktor.de berichtete).

Behandlung mit Gerinnungshemmern empfohlen

Für Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in Berlin, ist das Ergebnis keine Überraschung: „In den Kliniken ist schon lange bekannt, dass thromboembolische Ereignisse eine häufige Komplikation bei Covid-19 sind.“ Behandlungsempfehlungen dazu seien bereits im Juni in einer Leitlinie zahlreicher Fachgesellschaften zur intensivmedizinischen Therapie von Covid-19-Patienten veröffentlicht worden. Mehr zur Behandlung von Covid-19 erfahren Sie hier.

Dennoch lobt Janssens die grossen Datenmengen der aktuellen Studie. Es sei bei der Einlieferung von Covid-19-Patienten ins Krankenhaus sehr wichtig, sich viele Aspekte ihres Zustands genau anzusehen. Die US-amerikanischen Forscher wollen nun in weiteren Untersuchungen unter anderem die bestmögliche Substanz, Dosis und Dauer einer gerinnungshemmenden Therapie bei Covid-19 bestimmen. Die Studie soll zudem die Basis einer Reihe internationaler Studien sein. (ft/dpa)

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Florian Tiefenböck hat Humanmedizin an der LMU München studiert. Im März 2014 stieß er als Student zu NetDoktor und unterstützt die Redaktion seither mit medizinischen Fachbeiträgen. Nach Erhalt der ärztlichen Approbation und einer praktischen Tätigkeit in der Inneren Medizin am Uniklinikum Augsburg ist er seit Dezember 2019 festes Mitglied des NetDoktor-Teams und sichert unter anderem die medizinische Qualität der NetDoktor-Tools.

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