Menschenmassen

Corona: Verwirrung um Reproduktionszahlen

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Die Reproduktionszahl R gilt als entscheidender Faktor für die Beurteilung der Corona- Infektionswelle. Doch es kursieren unterschiedliche Zahlen. Was steckt dahinter?

Die Reproduktionszahl R gibt an, wie viele weitere Personen ein einzelner Infizierter ansteckt. Angestrebt wird eine Ansteckungsrate von möglichst weit unter 1 – dann nimmt die Zahl der Infizierten ab. Politiker stützen sich unter anderem auf die Reproduktionszahl, wenn sie Massnahmen lockern – oder aber wieder verschärfen.

Allerdings tauchen immer wieder verschiedene Zahlen auf – und sorgen so für Verwirrung. Denn wie hoch R ist, dazu existieren unterschiedliche Rechenmodelle. So hatte das RKI sein Berechnungsschema kürzlich umgestellt. R betrug nach den Daten vom Mittwoch, 29. April, 0,75. Am Tag zuvor hatte der Wert nach alter Rechenweise noch bei 0,96 gelegen - und wegen seiner erneuten Nähe zu 1 Besorgnis hervorgerufen.

Bayern stützt sich auf andere Zahlen

Noch grösser ist die Diskrepanz zu den Zahlen, die in Bayern kommuniziert werden. Ministerpräsident Markus Söder hatte am Montag nach einer Sitzung des CSU-Vorstands einen R-Wert von nur 0,57 genannt – was die bundesweiten RKI-Zahlen deutlich unterbietet. FDP-Fraktionschef Martin Hagen forderte unter anderem auf dieser Grundlage eine Lockerung der Massnahmen gegen die Pandemie.

RKI rechnet mit Erkrankungsdatum

Das RKI berechnet R auf Basis der Meldezahlen als statistischen Trend (Nowcasting). Sie betrachten die Meldezahlen über einen Zeitraum von jeweils vier Tagen.

Zur Ermittlung der Ansteckungsrate beziehen sich die Statistiker auf das Erkrankungsdatum, das in der Meldung angegeben wird. Das liegt etwa zwei Wochen vor der tatsächlichen Meldung. Aus diesen Daten wird mithilfe einer Rechen- und Schätz-Methode dann die Reproduktionszahl abgeleitet

Helmholtz-Zentrum betrachtet Krankheitsverlauf

Das Helmholtz-Zentrums für Infektiologie (HIZ) in Braunschweig und die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) stützen sich auf die aktuellen Meldezahlen des RKIs. Sie modellieren R aber anhand typischer Krankheitsverläufe und schätzen so das aktuelle Krankheitsgeschehen ab.

„Nicht zu sehr auf R fokussieren“

Die unterschiedlichen Ergebnisse bestätigen, dass auch wichtige Zahlen wie die Reproduktionszahl nur im Zusammenspiel mit anderen Faktoren zu sehen sind. „Ich möchte wirklich nicht, dass sich die Debatte auf dieses R zu sehr fokussiert“, sagte auch RKI-Chef Lothar Wieler in einem Pressegespräch am Dienstag.

Weitere zu berücksichtigenden Kennzahlen seien auch die täglich gemeldeten Neuinfektionen, die Kapazitäten im Gesundheitssystem und die Testkapazitäten. Man müsse die Daten im Gesamtbild sehen.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • dpa
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