Corona: Trockene Luft begünstigt Aerosole
Coronaviren verbreiten sich auch über fliegende Kleinsttröpfchen in der Luft - sogenannte Aerosole. Ist die Luftfeuchtigkeit gering, erfolgt die Infektion besonders leicht.
Nicht nur durch Schmier- und Tröpfcheninfektionen kann man sich mit Sars-CoV-2 anstecken: Bei der Ausbreitung des Coronavirus spielen auch sogenannte Aerosole aus der Atemluft eine zentrale Rolle. An der frischen Luft verstreuen sich diese virenbelasteten Kleinsttröpfchen schnell in alle Winde. Eine Ansteckung im Freien ist daher bis zu 18-mal unwahrscheinlicher, haben Forscher bereits errechnet.
Aerosole reichern sich in Innenräumen an
Doch in Innenräumen wabern die winzigen Virentransporter lange durch die Luft und reichern sich an. Einfache Masken helfen nur sehr begrenzt gegen Aerosole, denn es strömt viel Luft an den Rändern der Mund-Nasen-Bedeckungen aus und ein. Zum anstehenden Herbst, wenn sich die Menschen wieder zunehmend in geschlossenen Räumen aufhalten, bereitet das Virologen und Medizinern zunehmend Sorge.
Höhere Luftfeuchtigkeit, weniger Aerosole
Ein indisch-deutsches Forscherteam weist jetzt auf einen bislang wenig beachteten Aspekt hin: die Luftfeuchtigkeit in Innenräumen. „In der Aerosolforschung ist bereits lange bekannt, dass die Luftfeuchtigkeit eine grosse Rolle spielt“, sagt Dr. Ajit Ahlawat vom Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS).
Gemeinsam mit Kollegen vom CSIR-National Physical Laboratory in New Delhi wertete das deutsche Team zehn internationale Studien aus, die den Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf das Überleben, die Ausbreitung und Infektion mit Grippe- und verschiedenen Corona-Erregern (Sars-CoV-1, MERS und Sars-CoV-2) untersucht haben.
Das Ergebnis: Niedrige Luftfeuchtigkeit lässt die mit Viren behafteten Tröpfchen zwar schneller austrocknen. Allerdings scheint die Überlebensfähigkeit der Viren trotzdem hoch zu bleiben.
Kleine Tröpfchen schweben länger
„Liegt die relative Luftfeuchtigkeit der Raumluft unter 40 Prozent, dann nehmen die von Infizierten ausgestossenen Partikel weniger Wasser auf“, so Ajit Ahlawat. Sie blieben leichter, flögen weiter durch den Raum und würden eher eingeatmet. „Ausserdem werden bei trockener Luft auch die Nasenschleimhäute trockener und durchlässiger für Viren“, erklärt der Wissenschaftler.
Grössere Tröpfchen sinken zu Boden
„Je feuchter die Luft ist, desto mehr Wasser haftet an den Partikeln und desto schneller können sie wachsen“, erklärt Ahlawat. Sie fallen dann aber auch eher zu Boden und werden seltener eingeatmet.
Eine Luftfeuchtigkeit von mindestens 40 Prozent in öffentlichen Gebäuden und im Nahverkehr würde daher nicht nur die Ansteckungsgefahr mit Covid-19 reduzieren, sondern auch die anderer Viruserkrankungen wie beispielsweise der saisonalen Grippe (Influenza).
Tatsächlich werden die neuen Erkenntnisse besonders im kommenden Winter bedeutsam, wenn sich die Menschen vorwiegend in beheizten Räumen aufhalten werden. „Das Erwärmen der Frischluft sorgt auch dafür, dass diese trocknet“, ergänzt Prof. Alfred Wiedensohler vom TROPOS. In kalten und gemässigten Klimazonen herrsche daher in Innenräumen während der Heizsaison meist ein sehr trockenes Raumklima. „Dies könnte die Ausbreitung der Coronaviren fördern“, warnt der Wissenschaftler.
Mindestens 40 Prozent Luftfeuchtigkeit
Die Forscher fordern, den Faktor Luftfeuchtigkeit in künftigen Richtlinien für Innenräume zu berücksichtigen:
Für Länder in kühlen Klimazonen empfehlen die Forscher eine Mindest-Luftfeuchtigkeit von 40 Prozent in Innenräumen. Länder in tropischen und heissen Klimazonen sollten dagegen darauf achten, dass Innenräume nicht zu stark durch Klimaanlagen abgekühlt würden. Extrem heruntergekühlte Luft ziehe die Feuchtigkeit aus den Partikeln. Dadurch fühlen sich die Menschen im Raum wohl, die trockenen Partikel bleiben jedoch auch länger in der Luft.
Virenlast im Raum gering halten
Darüber hinaus gelten die bekannten Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie:
• effektives und häufiges Lüften
• möglichst wenig Personen pro Raumvolumen
• Abstand halten
• Masken tragen
• regelmässig und gründlich Hände waschen oder desinfizieren
Autoren- & Quelleninformationen
- Ahlawat, A., Wiedensohler, A. and Mishra, S.K. et al: An Overview on the Role of Relative Humidity in Airborne Transmission of SARS-CoV-2 in Indoor Environments. Aerosol Air Qual. Res. 20: 1856–1861. 2020. https://doi.org/10.4209/aaqr.2020.06.0302
- Pressemitteilung, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V., 20.08.2020