Schematische Darstellung des Coronavirus.

Britische Virusvariante: Gefährlicher als gedacht

Von , (Bio-)Chemiker
Dr. Maximilian Reindl

Maximilian Reindl studierte Chemie und Biochemie an der LMU in München und ist seit Dezember 2020 Mitglied der NetDoktor-Redaktion. Er arbeitet sich für Sie in medizinisch-naturwissenschaftliche und gesundheitspolitische Themen ein, um diese gut verständlich und nachvollziehbar aufzubereiten.

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Die Coronavirus-Variante B.1.1.7 breitet sich auch in Deutschland aus. Was lange vermutet wurde, bestätigt nun eine Studie: Die Mutation ist nicht nur ansteckender, mit ihr steigt auch das Risiko für schwere und tödliche Verläufe. Wie konkret ist die Gefahr?

Schnell war klar, dass die im Herbst 2020 im Südosten Grossbritanniens entdeckte Sars-CoV-2-Variante ansteckender als die ursprüngliche Form, und damit schwerer zu kontrollieren, ist. Doch schien sie kaum Einfluss auf den Krankheitsverlauf von Patienten zu haben.

Diese Annahme wurde nun durch eine britische Studie widerlegt: Die Variante B.1.1.7 geht im Vergleich zum Wildtyp mit einem rund 60 Prozent höheren Risiko für tödliche Verläufe einher.

Inzwischen verdrängt die Mutation auch in Deutschland zunehmend das ursprüngliche Virus: Laut Robert Koch-Institut geht bereits rund die Hälfte aller Neuinfektionen hierzulande auf das Konto von B.1.1.7 – Tendenz stark steigend.

64 Prozent höhere Sterblichkeit

Wer sich mit B.1.1.7 infiziert, trägt ein höheres Risiko für eine stationäre Behandlung. Die Covid-19 Erkrankungen verlaufen also häufiger schwer. Entsprechend höher ist auch die Sterblichkeit.

So starben im Rahmen der Studie im Schnitt 2,5 Personen von 1.000 Studienteilnehmern am ursprünglichen Virustyp – Infektionen mit der Mutation führten hingegen zu 4,1 Todesfällen pro 1.000 Untersuchten. Das entsprach einem um 64 Prozent höheren Risiko für einen tödlichen Verlauf.

Neue Gefahren fürs Gesundheitssystem

Die Studienautoren betonen zwar, dass das Risiko für einen tödlichen Verlauf recht niedrig liegt, doch unterstreichen sie, dass Gesundheitssysteme angesichts dieser deutlich erhöhten Rate schwerer Verläufe durch den neuen Virusstamm, schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stossen könnten.

Schon eine leichte Veränderung solcher epidemiologischer Kenngrössen geht bei hohen Fallzahlen mit einem stark erhöhten Druck auf das Gesundheitssystem einher – es könnten Engpässe in der intensivmedizinischen Versorgung entstehen.

Lässt sich die dritte Welle noch verhindern?

Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, betonte im ZDF, dass Deutschland bereits am Beginn der dritten Infektionswelle steht. Tatsächlich ist die gegenwärtige Impfquote noch viel zu niedrig, um eine neue Welle abzubremsen. Experten prognostizieren daher steigende Fallzahlen aufgrund der neuen Virusvariante. Durch die erfolgten Lockerungen dürfte sich das noch verschärfen.

Inwiefern die neu eingeführten Selbsttests und die geplante Testoffensive der Verbreitung von B.1.1.7 entgegenwirken können, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beurteilen.

Wie wurde untersucht?

Die Studie untersuchte knapp 100.000 Personen, die im Zeitraum von Oktober 2020 bis Januar 2021 positiv auf den Erreger Sars-CoV-2 getestet wurden. Die Forscher bildeten zwei gleichgrosse Gruppen: Die eine war mit dem Wildtyp, die andere mit der B.1.1.7-Variante infiziert.

Die Teilnehmer gruppierten die Forscher anschliessend zu Paaren, die einander hinsichtlich Alter, Geschlecht, sozialem Status und weiterer Eigenschaften möglichst ähnlich waren, aber der jeweils anderen Infektionsgruppe angehörten.

Auch wo die Teilnehmer behandelt worden waren, berücksichtigten die Wissenschaftler. In manchen Regionen Englands war das Gesundheitssystem während des Studienzeitrums so überlastet, dass sich das auf die Sterblichkeit ausgewirkt haben könnte.

Erst diese Gegenüberstellung ermöglichte es den Forschern, direkt zu vergleichen, ob Infektionen mit B.1.1.7 gefährlicher sind als Infektionen mit dem ursprünglichen Sars-CoV-2 Erreger.

Laut den Studienautoren ist mit einer nochmals erhöhten Belastung für das Gesundheitswesen zu rechnen.

Viele Fragen bleiben offen

Eine Erklärung, warum die B.1.1.7-Linie deutlich ansteckender und gefährlicher ist, liefert die vorliegende Studie nicht. Auch, ob die Mutation für Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen besonders gefährlich ist, lässt sich aus den vorliegenden Daten nicht ableiten.

Welche Rückschlüsse auf andere Virusvarianten – etwa die südafrikanische B.1.351 und die brasilianische P.1-Variante – gezogen werden können, ist noch unklar. Experten vermuten, dass auch diese Varianten – sobald sie Deutschland erreichen – eine deutliche Belastung für das Gesundheitswesen darstellen werden. Studien dazu stehen aber noch aus.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Autor:

Maximilian Reindl studierte Chemie und Biochemie an der LMU in München und ist seit Dezember 2020 Mitglied der NetDoktor-Redaktion. Er arbeitet sich für Sie in medizinisch-naturwissenschaftliche und gesundheitspolitische Themen ein, um diese gut verständlich und nachvollziehbar aufzubereiten.

Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich