Frau wird Botox injiziert

Botox für die Seele

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Botox glättet nicht nur Falten, es wirkt sich auch positiv auf seelische Verwerfungen aus. Neben Personen mit Depressionen und Angsterkrankungen kann das Nervengift offenbar auch Menschen mit Borderline-Störung helfen.

Botulinumtoxin, kurz Botox, ist eines der potentesten Gifte der Natur: Es tötet, indem es die Signalübertragung der Nervenzellen an die Muskulatur blockiert und diese so lähmt – hochdosiert auch die von Herz und Atmung. Diese Wirkung hat auch die Anti-Aging-Industrie für sich entdeckt. In geringer Dosis geschickt platziert, legt Botox einzelne Nerven still und hält damit die zugehörigen Muskeln glatt. Wie von Zauberhand glätten sich so Zornesfalten und Runzelstirn.

Feedback der Mimik ans Gehirn

Dieser Effekt könnte sich aber direkt auf die Psyche auswirken – und zwar jenseits der Wirkung, dass sich die glattgespritzte Person hoffentlich an ihrem Spiegelbild erfreut. Denn nicht nur die Gefühle spiegeln sich in der Mimik wider, umgekehrt beeinflusst die Mimik auch die Emotionen: Sie senden ein positives Feedback-Signal ans Gehirn. Auf diese Weise profitieren nicht nur niedergeschlagene, sondern auch depressive Menschen von einer Botox-Injektion.

Entspannte Stirn, verbesserte Stimmung

In einer früheren Meta-Analyse hatte ein Team um Prof. Tillmann Krüger an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) bereits nachgewiesen, dass eine Botox-Injektion in die untere mittlere Stirnpartie einen positiven Einfluss auf Stimmung und Gemütserregung hat. Depressive Symptome verbesserten sich anschliessend deutlich. „Eine entspannte Stirn vermittelt sozusagen ein positiveres Gefühl", erklärt Krüger.

Nun haben die Forschenden herausgefunden, dass solche Injektionen auch Menschen mit Borderline-Erkrankung helfen könnten. Diese leiden unter extremen Stimmungsschwankungen, zeigen häufig selbstverletzendes Verhalten und reagieren extrem sensibel auf Kritik.

Eine zentrale Rolle spielt dabei der Mandelkern (Amygdala) – eine Region im Schläfenlappen, die für die Regulierung von Gefühlen zuständig ist. Bei Menschen mit Borderline steht sie unter Dauererregung.

Beruhigung im Mandelkern

Vier Wochen nach einer Botox-Injektion in die untere Stirnpartie waren die Symptome der psychischen Störung bei Borderline-Patienten deutlich reduziert. Zudem zeigten Bilder einer MRT-Untersuchung, dass das Dauerfeuer der Neuronen im Mandelkern deutlich gedrosselt war. Bei Teilnehmern, die lediglich eine Akupunkturbehandlung der Stirn erhalten hatten, verbesserten sich die Symptome zwar ebenfalls, ihre Hirnaktivität im Mandelkern war jedoch unverändert.

Der Rückkopplungseffekt zwischen Muskeln und Psyche funktioniert auch in andern Körperpartien. Angststörungen lassen sich dämpfen, indem man Botox in Kopfmuskeln, in die Muskeln der oberen und unteren Gliedmassen sowie in die Nackenmuskeln spritzt, ergab eine gemeinsame Untersuchung der Hannoveraner Wissenschaftler mit der University of California San Diego.

Krüger und sein Team hoffen, dass der Behandlungsansatz nun durch grössere Patientengruppen bestätigt wird und dann auch breiter angewendet werden kann. „Die Behandlung hat gleich mehrere Vorteile: Da die lähmende Wirkung drei oder mehr Monate anhält, muss auch nur in diesen zeitlichen Abständen eine Spritze gesetzt werden“, sagt Krüger. Zudem sei sie vergleichsweise kostengünstig.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Jara Schulze et al.: Botulinum toxin for the management of depression: An updated review of the evidence and meta-analysis, DOI: https://doi.org/10.1016/j.jpsychires.2021.01.016
  • Tillmann H. C. Kruger et al.: Neuronal effects of glabellar botulinum toxin injections using a valenced inhibition task in borderline personality disorder, nature scientific reports, 20. Auf 2022
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