Blutgruppentest im Labor

Blutgruppe 0 schützt vor frühen Schlaganfällen

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Die Blutgruppe scheint sich erheblich auf das Schlaganfallrisiko auszuwirken: Für Menschen mit der Blutgruppe 0 liegt es im Schnitt um 12 Prozent niedriger als durchschnittlich, für Menschen mit der Blutgruppe A hingegen ist es um 16 Prozent höher. Damit beläuft sich der Unterschied auf insgesamt 27 Prozent. Was sind die Ursachen?

Genau diese Frage hat ein Forschungsteam um Steven Kittner vom University of Maryland Medical Center in Baltimore anhand von 48 Genom-weiten Assoziationsstudien (GWAS) untersucht. Sie haben dazu Daten von mehr als 615.000 Personen ausgewertet, die einen Schlaganfall erlitten hatten - 5.825 vor und 9.269 nach dem 60. Lebensjahr.

Gene bestimmen Blutgruppen, beeinflussen Schlaganfallrisiko

Die Forschenden konzentrierten sich vor allem auf die jüngere Gruppe der Betroffenen. Bei ihnen, so die Überlegung, fallen genetisch geprägte Faktoren wie die Blutgruppe stärker ins Gewicht – in höherem Alter hingegen werden sie durch die Auswirkungen des Lebensstils auf den Zustand der Blutgefässe zunehmend verwischt.

Tatsächlich fanden die Forscher einen Zusammenhang bestimmter Gene auf dem Chromosom 9, die die Blutgruppe bestimmen, und dem Schlaganfallrisiko. Die Variante SNP rs529565 prägt die Blutgruppe 0, SNP rs635634 hingegen die Blutgruppe A.

Erhöhte Thromboseneigung bei Blutgruppe A

Die Forschenden vermuteten, dass die Neigung zu Gefässverschlüssen durch Blutgerinnsel (Thrombosen) für die Risikoverteilung ausschlaggebend sein könnte. Tatsächlich senkte die Variante der Blutgruppe 0 auch das Risiko für venöse Thrombosen, während die Variante für Blutgruppe A das Thromboserisiko deutlich erhöhte.

Die Erkenntnisse passen zu früheren Beobachtungen bei Coronapatienten: Träger der Blutgruppe A hatten ein um etwa 50 Prozent höheres Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 als der Durchschnitt. Menschen mit Typ-0-Blutgruppe hingegen waren um knapp 50 Prozent besser vor einer ernsten Covid-19-Erkrankung geschützt.

Wie man schon früh in der Pandemie entdeckte, spielen Blutgerinnsel, insbesondere auch Mikrothromben, bei vielen schweren Verläufen eine zentrale Rolle.

Welche Rolle spielen die Oberflächenproteine?

Die Blutgruppen A, B, AB und 0 unterscheiden sich aufgrund bestimmter Proteine auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen. Diese wirken als Antigene, machen also – etwa bei Bluttransfusionen - eine fremde Körperabwehr auf sich aufmerksam.

Im Falle eines Kontakts richten sich spezielle Antikörper der anderen Blutgruppe gegen diese. Menschen mit Blutgruppe A haben demnach Antikörper gegen Blutgruppe B und umgekehrt. Bei einer Transfusion würde das Blutgemisch daher verklumpen.

Blutgruppe AB besitzt beide Antigene, demzufolge auch keine Antikörper. Menschen mit dieser Blutgruppe können daher alle Blutgruppen empfangen (Universalempfänger). Bei Blutgruppe 0 hingegen tragen die roten Blutkörperchen weder das Antigen A noch B auf ihrer Oberfläche. Dieses Blut kann daher allen Patienten verabreicht werden – die Spender werden Universalspender genannt. Sie selber vertragen aber nur Blut von Spendern der eigenen Blutgruppe.

Blutgruppe 0: Vorteil durch fehlende Oberflächenproteine

Möglicherweise tragen die entsprechenden Oberflächenproteine auch jenseits von Blutspenden mehr oder weniger stark zu Gerinnselbildung bei: die der Blutgruppe A stärker als die der Blutgruppen B und AB.

Träger der Blutgruppe 0 hingegen, deren rote Blutkörperchen keine entsprechenden Proteine besitzen, würden demnach auch insgesamt die geringste Neigung zur Gerinnselbildung haben.

Beeinflussbare Risikofaktoren haben stärkeres Gewicht

Unabhängig von der Blutgruppe lässt sich das Schlaganfallrisiko durch ganz andere Faktoren zumindest für Ältere deutlich stärker beeinflussen – sofern man möglichst früh damit beginnt: Senkung überhöhter Blutdruckwerte durch Lebensstiländerungen und gegebenenfalls entsprechender Medikamente, Normalgewicht, ausreichend körperliche Aktivität, Verzicht auf Rauchen und übermässigen Alkoholkonsum sind nur einige davon.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • The Severe Covid-19 GWAS Group: Genomewide Association Study of Severe Covid-19 with Respiratory Failure, N Engl J Med 2020; 383:1522-1534, 15. Okt 2020, DOI: 10.1056/NEJMoa2020283
  • Thomas Jaworek et al.: Contribution of Common Genetic Variants to Risk of Early Onset Ischemic Stroke, Neurology, 31. Aug 2022, DOI: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000201006
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