Frau mit Nasenspray

Betäubungsmittel per Nasenspray: Erste Hilfe gegen Depressionen

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Ketamin ist eigentlich ein Betäubungsmittel. Als Nasenspray verabreicht kann es aber schwere Depressionen schnell und wirksam lindern und Suizidgedanken vertreiben.

Das funktioniert auch bei Patienten, bei denen gängige Antidepressiva versagt haben.

Wissenschaftler um Dr. Ella Daly vom Department of Neuroscience der Janssen Research & Development Gesellschaft in Titusville rekrutierten 67 Patienten mit schweren Depressionen, bei denen die verordneten Medikamente nicht ausreichend angeschlagen hatten.

Zusätzlich zu ihren bisherigen antidepressiven Medikamenten erhielten die Patienten per Sprühdosis zweimal wöchentlich den Wirkstoff Ketamin verabreicht, und zwar in Dosen von 26, 56 und 84 mg - oder aber ein wirkstofffreies Placebo-Spray.

Wirkung innerhalb von Stunden

Bereits vier Stunden nach der Einnahme verbesserte sich die Stimmung der Patienten deutlich. Sogar Suizidgedanken liessen sich durch die Einnahme des Mittels bannen. Die Wirkung hielt auch noch nach 24 Stunden an. Je höher die Dosis war, desto stärker war der Effekt. Und das, obwohl andere Medikamente zuvor gescheitert waren.

Die Wirkung hielt auch noch zwei Monate an, nachdem der Wirkstoff zunächst seltener und später gar nicht mehr verabreicht wurde.

Schnelle Hilfe bei Suizidgedanken

Klassische Antidepressiva wie Selektive Serotonin Wiederaufnahmehemmer (SSRI) helfen zwar vielen Patienten – bei jedem Dritten versagen sie jedoch. Doch nicht nur diese Patientengruppe könnte von Ketamin profitieren; auch jenen, die schnell Hilfe brauchen, könnte das spezielle Nasenspray helfen.

Denn Antidepressiva entfalten erst vier bis sechs Wochen nach Beginn der Einnahme ihre volle Wirkung. Für schwer depressive und suizidale Patienten ist das kaum zu ertragen. Mit Ketamin liesse sich diese quälende Wirkungslücke möglicherweise überbrücken.

Bereits frühere Studien hatten gezeigt, dass Ketamin gegen Depressionen wirken kann. Seine Stoffwechselprodukte docken im Gehirn an sogenannte AMPA-Rezeptoren an. Von diesem wiederum weiss man schon seit Längerem, dass ihre Aktivierung einen antidepressiven Effekt hat.

Durch die Nase statt intravenös

Bislang war die Ketamin-Therapie jedoch für die Anwendung durch die Pateinten selbst nicht möglich, da Ketamin intravenös verabreicht werden musste. Das Nasenspray hingegen ist einfach und auch für Nichtmediziner anzuwenden.

Ein Haken an dem positiven Ergebnis: Ketamin kann in höheren Dosen high machen. Tatsächlich wird es unter dem Namen „Special K“ als Partydroge eingesetzt. Entsprechende Phänomene traten im Rahmen der Studie jedoch nicht auf.

In einer grösseren Folgestudie sollen eventuell aufkommende Suchtanzeichen wie steigendes Verlangen nach dem Stoff genau beobachtet und diesen gegebenenfalls gegengesteuert werden.

Ketamin setzt sich normalerweise zu gleichen Teilen aus Molekülen zusammen, die spiegelbildlich aufgebaut sind: das S-Ketamin und R-Ketamin. Für die Studie wurde ausschliesslich S-Ketamin eingesetzt. Seine Wirkung ist deutlich stärker als die von R-Ketamin.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Autor:

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Ella Dalyvom et al.: Efficacy and Safety of Intranasal Esketamine Adjunctive to Oral Antidepressant Therapy in Treatment-Resistant Depression: A Randomized Clinical Trial. JAMA Psychiatry. 2018 Feb 1;75(2):139-148. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2017.3739
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich