Neuronen mit Amyloid-Plaques

Alzheimer: Welchen Einfluss hat Vitamin B12?

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Ein Mangel an Vitamin B12 scheint die Ansammlung von Amyloid-Beta im Gehirn zu begünstigen. Steigt damit das Risiko für Alzheimer?

Auch in gesunden Gehirnen bildet sich aufgrund von Stoffwechselprozessen laufend sogenanntes Beta-Amyloid – ein aus wenigen Aminosäuren bestehender Eiweissstoff. Normalerweise wird er im gleichen Masse abgebaut, wie er entsteht.

Bei Menschen, die an Alzheimer erkranken, gerät dieser Prozess aus der Balance. Dann häuft sich das Peptid an und bildet Plaques, die die Nervenzellen schädigen können. Noch ist nicht klar, ob die Plaquebildung Folge oder Auslöser der Demenzerkrankung ist.

B12-Mangel begünstig Plaquebildung im Gehirn

Ein Forschungsteam der SRH Hochschule für Gesundheit und der Universität des Saarlandes hat nun herausgefunden, dass ein Mangel an Vitamin B12 die Plaquebildung fördern könnte.

Die Zellmembran von Neuronen besteht zum grössten Teil aus Fetten, enthält aber auch Eiweisse. Eines von ihnen ist das Amyloid-Precursor-Protein, kurz: APP, dessen Funktion noch unbekannt ist. Wird es mithilfe von Enzymen zerschnitten, entsteht Beta-Amyloid. Spezielle Fette der Zellwand, sogenannte Plasmalogen, scheinen zu verhindern, dass zu viel davon entsteht.

Plasmalogen allerdings regieren besonders empfindlich auf aggressive Sauerstoffmoleküle, sogenannte freie Radikale, die oxidativen Stress verursachen. Da grössere Mengen Beta-Amyloid oxidativen Stress befeuern, entwickelt sich ein Teufelskreis: Die schützenden Plasmalogen werden weniger, was die Ansammlung von Beta-Amyloid weiter ankurbelt.

Wenn schützende Zellwandfette schwinden

An dieser Stelle kommt Vitamin B12 ins Spiel: Das Team um Prof. Marcus Grimm konnte zeigen, dass bei einem Mangel an Vitamin B12 der Plasmalogen-Spiegel in der Zellmembran abnimmt. In Experimenten mit Zellkulturen fanden die Forschenden heraus, dass sich die Fettzusammensetzung der Membran verändert, wenn nicht ausreichend Vitamin B12 vorhanden ist – und das wiederrum fördert direkt die Bildung schädlichen Beta-Amyloids.

Zudem wirkt Vitamin B12 positiv auf die Entgiftung der Zelle von freien Radikalen und oxidativem Stress. „Die Mehrfachwirkung von Vitamin B12 auf Mechanismen, die bei der Alzheimer-Erkrankung eine zentrale Rolle spielen, machen es für die Prävention und Behandlung von Alzheimer interessant“, heisst es in einer Pressemitteilung der Universität.

Derzeit beruhen die Erkenntnisse noch auf Beobachtungen anhand von Zellkulturen mit Neuronen. Sie müssten daher noch in weiteren Untersuchungen bestätigt werden, erklären die Forscher.

Was begünstigt Vitamin B12-Mangel?

Ein Vitamin-B12-Mangel ist auch in westlichen Ländern verbreitet. Besonders häufig betroffen sind

  • Personen über 60 Jahre, deren Darm Vitamine nicht mehr so gut aufnehmen kann
  • Menschen mit chronischen Magen- oder Darmentzündungen
  • Typ-2-Diabetiker, die Diabetesmedikamente einnehmen
  • Menschen, die Protonenpumpenhemmer gegen zu viel Magensäure einnehmen
  • Personen, die regelmässig Alkohol konsumieren
  • Menschen mit einem Mangel des Proteins Intrinsic Factors, das für die Aufnahme von Vitamin B12 aus dem Darm zuständig ist
  • Menschen, die vegetarisch oder vegan leben

Fleischlose Ernährung

Da für den Menschen verwertbares Vitamin B12 hauptsächlich in tierischer Nahrung vorkommt, haben auch Veganer und in geringerem Masse Vegetarier ein höheres Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel. Insbesondere vegan lebende Menschen sollten den Mangel durch entsprechende Nahrungsergänzungsmittel ausgleichen.

Andererseits könnte eine vegetarische oder vegane Ernährung auch Vorteile für die Gesunderhaltung des Gehirns haben: So zeigte eine Metastudie von Forschenden der Zhejiang University in Hangzhou, China, bereits 2018 einen Zusammenhang zwischen Alzheimer und einem hohen Verzehr tierischer Fette.

Wie sich ein Mangel bemerkbar macht

Vitamin B12 ist an einer Vielzahl wichtiger Stoffwechselprozesse beteiligt, die unter anderem zur Blutbildung und Zellteilung, aber auch zur Funktion der Nerven beitragen.

Ein Vitamin B12-Mangel kann sich schon früh bemerkbar machen. Mögliche Anzeichen sind Müdigkeit, Schwäche, Blutarmut und Nervenstörungen. Zudem weisen Studien auf einen Zusammenhang von niedrigem B12-Spiegel und Depressionen hin.

Autoren- & Quelleninformationen

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

ICD-Codes:
G30
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Dietary Fat Intake and Risk of Alzheimer's Disease and Dementia, PMID: 29701155 DOI: 10.2174/1567205015666180427142350
  • Eamon Laird et a.: Low vitamin B12 but not folate is associated with incident depressive symptoms in community-dwelling older adults: a 4-year longitudinal study, Cambridge University Press: 13 Dez 2021
  • Elena Leoni Theiss et al.: Vitamin B12 Attenuates Changes in Phospholipid Levels Related to Oxidative Stress in SH-SY5Y Cells, Cells 2022, 11(16), 2574; 18. Aug 2022, https://doi.org/10.3390/cells11162574
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