Wundermittel - was ist dran?

Von Melanie Iris Zimmermann, Apothekerin
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Jeder kennt sie: Mittel, für die in Anzeigen geworben wird und die angeblich Wunder wirken. Noni gegen Krebs oder Oolong-Tee zum Abnehmen. Was hat es mit diesen Mitteln auf sich?

Bar; Mixen

Von Wundermitteln und anderen Märchen

Tag für Tag preisen findige Firmen in Anzeigen Produkte zum Abnehmen an, die durch spezielle "Biostoffe" oder "Schlankstoffe" die Pfunde purzeln lassen, den Körper entschlacken oder den Stoffwechsel ankurbeln können. Aber auch vor Haarausfall, Impotenz, Altersbeschwerden oder sogar vor Herzinfarkt und Krebs soll so mancher Wunderstoff schützen - ohne Nebenwirkungen, versteht sich.

Angeblich erzielen die angepriesenen Elixiere und Essenzen, Pülverchen und Cremes, oft geborgen aus dem jahrhundertealten Wissenspool von Eingeborenenstämmen, sensationelle Erfolge. Und das selbst bei Menschen, die bislang vergebens auf Besserung ihrer Beschwerden oder auf das Schrumpfen der verhassten Pfunde hofften. So schwärmen grundzufriedene Patienten wie Annette P. aus H. oder Guido M. aus K. vom Effekt der Mittel, garantieren selbst ernannte oder "berühmte Wissenschaftler" deren Wirksamkeit. Letzte Zweifler werden mit einer Geld-zurück-Garantie beruhigt.

Algen, Apfelessig & Co

Die Vielfalt an Inhaltsstoffen steht der Vielfalt an angeblichen Wunderwirkungen in nichts nach. So sind in den Wundermitteln unter anderem nicht nur Apfel-, Algen- oder Rotweinextrakte enthalten, sondern auch Chitin aus Insektenpanzern, Muschelschalpulver oder verschiedene Vitamin- und Mineralstoffmixturen. Wissenschaftliche Beweise bleiben die Hersteller allerdings schuldig. Das verwundert indes nicht: Müssten sie doch ansonsten eine teure Zulassung ihrer Produkte als Arzneimittel beantragen und einen entsprechenden Wirkungsnachweis erbringen. So aber verpacken die Hersteller ihre Wunderpillen in kleinen weissen Schüttboxen und deklarieren sie als Nahrungsergänzungsmittel.

Die Wirksamkeit von Nahrungsergänzungsmitteln bedarf jedoch keiner wissenschaftlichen Untersuchung. Trotzdem vermitteln diese Mittel durch ihre Aufmachung und die Anwendung in Tablettenform den Eindruck, es handele sich um ein geprüftes Arzneimittel. Hinzu kommt, dass solche Produkte extrem teuer sind. Der Verkaufspreis übersteigt die eigentlichen Produktionskosten um ein Vielfaches. Merkt der Verbraucher dann den Schwindel und möchte die Geld-zurück-Garantie nutzen, hat er selten Glück. Denn anstelle einer Kundenservice-Adresse in Deutschland ist oftmals eine Adresse im Ausland angegeben, mit der er nichts anfangen kann: Denn in Deutschland gibt es keine Behörden, die für ausländische Unternehmen zuständig sind. Selbst wenn es sich um eine Adresse in Deutschland handelt, dürfte es für den Verbraucher schwierig sein, seine Ansprüche geltend zu machen, da die Vertreiber mit ihren Briefkastenfirmen ständig umziehen und so kaum fassbar sind.

Auch gibt es bis heute keine gesetzlichen Regelungen zu Nahrungsergänzungsmitteln. Fachleute, die sich kritisch über eines der Produkte äussern, müssen damit rechnen, dass die Vertreiber rechtlich gegen sie vorgehen. So kommt es durchaus vor, dass Kritiker mit einer kostenpflichtigen Unterlassungserklärung dazu gezwungen werden, den Mund zu halten. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist der Markt der Nahrungsergänzungsmittel ein Paradies für dubiose Hersteller. Mit Hilfe einer geschickten Marketingstrategie können sie praktisch alles verkaufen. Und wenn der Gesetzgeber endlich gegen den Vertrieb von Produkt X wegen Verbrauchertäuschung einschreitet, hat der schlaue Geschäftemacher schon Produkt Y auf den Markt gebracht und das Spiel beginnt von vorn.

So erkennen Sie Schwindelprodukte

  • Das Mittel bewirkt angeblich Wunder - natürlich, schnell und nebenwirkungsfrei
  • Vorher-Nachher-Geschichten mit entsprechenden Fotos
  • Dankesschreiben von "zufriedenen Kunden"
  • Empfehlungen von Ärzten oder Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland - meist frei erfunden. Weder Ärzte noch Wissenschaftler dürfen in Deutschland Medikamente bewerben.
  • Die versprochenen Sensationswirkungen aus Anzeigen, Broschüren oder dem Internet, sind auf der Packung nicht angegeben. Stattdessen finden Sie dort folgende Phrasen: "zur unterstützenden Behandlung einer Diät" und "zur Nahrungsergänzung".
  • Verschwörungstheorien, wie "Apotheker werden Ihnen von unserem Produkt abraten, denn sonst bleiben Sie gesund und das schadet dem Apothekergeldbeutel" - wenn das Produkt wirklich nachweislich gut wäre, würde es der Apotheker selbst verkaufen.
  • Versand über Telefonhotlines oder Postfachfirmen, oft aus dem nahen Ausland, wie Österreich und den Niederlanden. Manchmal trägt das Produkt aber auch den Aufdruck "nur in der Apotheke" und ist auch tatsächlich nur über diesen Vertriebsweg zu bekommen. Dies besagt aber nichts über die Qualität des Produktes. In letzter Zeit häuft sich der Direktvertrieb, ähnlich wie bei "Tupperparties".
  • Echte Arzneimittel tragen eine Zulassungsnummer (Zul.Nr.), Medizinprodukte ein CE-Zeichen. Eine Pharmazentralnummer (PZN) ist nur eine Bestellnummer.

Wundermittel: Hoffnung und Rettungsanker

Das Geschäft mit der Gesundheit und der Attraktivität ist äusserst lukrativ, denn in unserer Gesellschaft ist nur der Vitale und Interessante erfolgreich. Viele Menschen möchten diesem Idealbild entsprechen und probieren daher alles aus, was ihnen den kürzesten Weg dorthin offeriert. Andere versuchen, ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, leben sie doch ansonsten recht ungesund. Dann wiederum gibt es Menschen, die an chronischen oder unheilbaren Krankheiten leiden und denen entweder die Schulmedizin nicht helfen kann oder die den Ärzten nicht vertrauen.

Können Wundermittel wirklich helfen?

Jeder kennt irgendeinen Nachbarn oder einen Arbeitskollegen, dem ein Wundermittel angeblich geholfen hat. Aber bei wie vielen hat es nicht geholfen? Und wenn, wie lange hat diese Wirkung angehalten? Führten vielleicht sogar andere Faktoren dazu, dass die gewünschte Wirkung eintratwie eine bessere Lebensführung mit gesünderem Essen und mehr Bewegung?

In manchen Fällen zeigen solche Mittel tatsächlich eine gewisse Wirkung. Dieses Phänomen ist in der Medizin schon seit langem bekannt; man nennt es auch Placebo-Effekt. Die Ursachen für einen Placebo-Effekt sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Sämtliche zugelassenen Medikamente, die neu entwickelt werden, werden auf den Placebo-Effekt hin aufwändig geprüft. So erhält etwa eine Patientengruppe die Tabletten mit dem zu testenden Wirkstoff, die andere Patientengruppe aber Tabletten ohne Wirkstoff (Placebo-Gruppe). In jeder Studie gibt es nun Patienten aus der Placebo-Gruppe, deren Zustand sich nach der Einnahme der Tabletten ohne Wirkstoff wirklich bessert. Die Erfolgsrate bei Placebos kann beträchtlich sein. Vom Placebo-Effekt aus betrachtet ist es also kein Wunder, wenn ein Wundermittel auch einmal wirkt.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Melanie Iris Zimmermann
Quellen:
  • Huesmann, G.: Schwarzbuch Wundermittel, Hirzel Verlag, 2001
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