Was sind Generika?

Von , Ärztin
Dr. med. Katharina Larisch

Katharina Larisch ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.

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Generika sind wirkstoffgleiche Kopien (Nachahmerpräparate) von Arzneimitteln, die schon auf dem Markt sind und deren Patentschutz abgelaufen ist. Sie sind meist deutlich günstiger als Originalpräparate, da für sie die Kosten und Investitionen der Medikamentenentwicklung wegfallen. Lesen Sie hier alles Wichtige zum Thema Generika!

Medikamente; Generika; Pillen

Patentschutz bei Arzneimitteln

Zwanzig Jahre lang sind neu entwickelte Arzneimittel durch Patente geschützt. Innerhalb dieser Zeit darf die Pharmafirma ihr Originalpräparat exklusiv verkaufen und dessen Preis bestimmen.

Auf diese Weise versucht der Hersteller, die hohen Kosten für die Erforschung und Entwicklung der neuen Wirksubstanz wieder einzuspielen. Allerdings melden Hersteller das Patent auf einen neuen Wirkstoff meist schon an, wenn dieser noch in Entwicklung ist. Sobald er auf den Markt kommt, ist also ein Teil der zwanzig Jahre schon vorbei.

Verlängern lässt sich der Patentschutz nur durch bestimmte Verfahren wie zum Beispiel die Durchführung von pädiatrischen Studien oder die Beantragung eines speziellen Schutzzertifikats.

Nach Ablauf des Patentschutzes muss der Hersteller des Originalpräparates seine Forschungsergebnisse zu dem betreffenden Wirkstoff veröffentlichen. Andere Hersteller können dann auf Basis dieser Informationen den Wirkstoff ebenfalls produzieren und als Generikum auf den Markt bringen.

Auch der Hersteller des Originalpräparats kann ein Generikum seines eigenen Wirkstoffes auf den Markt bringen.

Mittlerweile gibt es für fast jedes Medikament, dessen Patentschutz erloschen ist, ein oder mehrere Generika. Das gilt sowohl für frei verkäufliche Präparate wie leichte Kopfschmerzmittel als auch für rezeptpflichtige Medikamente wie Präparate gegen hohen Blutdruck, Nierenschwäche, Zuckerkrankheit (Diabetes) oder sogar Krebs.

Sind Generika therapeutisch gleichwertig wie das Original?

Dass ein Generikum bezüglich Qualität und Wirksamkeit dem Original entspricht, müssen die Generikahersteller bei den Zulassungsbehörden nachweisen. Das muss aber nicht in grossen klinischen Studien und toxikologischen Untersuchungen geschehen, sondern es reicht ein sogenannter Bioäquivalenznachweis.

Demnach gelten Generikum und Original als bioäquivalent - das heisst als therapeutisch gleichwertig -, wenn der menschliche Körper den Wirkstoff aus dem Generikum annähernd gleich schnell und in annähernd gleicher Menge aufnimmt wie den aus dem Original (Bioverfügbarkeit).

Das Wort "annähernd" verdeutlicht schon, dass der Gesetzgeber hier eine gewisse Schwankungsbreite zulässt. Sie liegt zwischen 80 und 125 Prozent. So darf zum Beispiel der Wirkstoff aus dem Generikum im Vergleich zu dem aus dem Original auch nur zu 90 Prozent oder aber zu 115 Prozent aufgenommen werden.

In der Praxis beträgt die Abweichung bei den meisten Nachahmerpräparaten etwa fünf Prozent.

In vielen Fällen spielt diese kleine Abweichung keine grosse Rolle. Bei manchen Medikamenten aber kommt es auf die exakte Wirkgeschwindigkeit an. In diesen Fällen können die Behörden den Toleranzbereich enger ansetzen.

Ein Toleranzbereich bei der Bioäquivalenz ist notwendig, weil die Aufnahmegeschwindigkeit und -menge eines Wirkstoffes von Mensch zu Mensch leicht unterschiedlich sein können. Einen Einfluss darauf haben zum Beispiel das Geschlecht und Alter. Dementsprechend fallen oft auch die Messergebnisse bei den einzelnen Probanden eines Bioäquivalenztests unterschiedlich aus.

Andere Änderungen können sich zum Beispiel durch die verwendeten Inhaltsstoffe ergeben. Wurde im Original keine Laktose als Hilfsstoff verwendet, kann dies beim Generikum der Fall sein und umgekehrt. Dadurch können sich unter Umständen Unverträglichkeitsreaktionen oder umgekehrt eine bessere Verträglichkeit ergeben.

Darreichungsform

Generika müssen die gleiche Darreichungsform haben wie das Original. Dabei werden aber beispielsweise alle oral (also über den Mund) eingenommenen Präparate als gleich angesehen. Das bedeutet, wenn das Original etwa eine Tablette ist, kann und darf das Generikum auch als Kapsel oder Dragee auf den Markt kommen.

Gibt es Unterschiede zwischen Generikum und Original?

Unterschiede zwischen einem Generikum und seinem Originalpräparat kann es in den zugesetzten Hilfsstoffen (z.B. Konservierungs- und Farbstoffen) sowie im Herstellungsverfahren geben. Die Weiterentwicklung der zugesetzten Hilfsstoffe und/oder des Herstellungsprozesses kann das Nachahmerpräparat in mancher Hinsicht verbessern.

Es kann dadurch zum Beispiel länger haltbar, besser dosierbar oder für manche Menschen besser verträglich sein als das Originalpräparat. Ausserdem kann das Generikum durch eine veränderte Zubereitung zur Retard-Version des Originals werden:

Der Wirkstoff wird dann nicht schnell und in einem Zug freigesetzt, sondern langsam und kontinuierlich. Dadurch wird ein konstanter Wirkstoffspiegel erzielt. In solchen Fällen muss das Generikum aber vor seiner Zulassung wie das Original umfangreiche, klinische Studien an Menschen durchlaufen.

Warum sind Generika günstiger als Originale?

Generika-Anbieter entwickeln ihre Nachahmerpräparate auf der Basis der Forschungsergebnisse des Originalherstellers. Im Prinzip fallen hier also nur noch die Kosten für die Produktion beziehungsweise Veränderung des Präparats an (z.B. Verwendung anderer Hilfsstoffe). Die enormen Kosten für Erforschung und Entwicklung des Wirkstoffes selbst hat ja schon der Originalhersteller getragen.

Auch die Zulassung eines Generikums ist viel preiswerter: Bioäquivalenztests, wie sie für Generika vorgeschrieben sind, sind deutlich weniger aufwendig und viel billiger als die klinischen Studien, die das Originalpräparat durchlaufen muss.

Insgesamt müssen Generika-Anbieter also viel weniger Geld in ihr Produkt investieren als der Hersteller des Originalpräparats. Sie können es deshalb auch viel günstiger anbieten.

In Punkto Preisgestaltung ist aber auch noch ein zweiter Faktor ausschlaggebend. Sobald der Patentschutz für einen Wirkstoff abgelaufen ist, versuchen meist gleich mehrere Generikahersteller ihre Nachahmerpräparate erfolgreich zu verkaufen. Und so wie in anderen Branchen gilt auch hier: Mehr Konkurrenz - günstigere Preise.

Einsparungen im Gesundheitssystem

In Deutschland decken die Nachahmerpräparate mittlerweile 75 Prozent des gesamten Arzneimittelbedarfs der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) ab, machen aber weniger als zehn Prozent der Arzneimittelausgaben aus. Wenn Ärzte also kostengünstigere Generika anstelle der Originalpräparate verschreiben, bedeutet dies Einsparungen für die Krankenkassen und eine Entlastung des Gesundheitssystems.

Daher hat sich in Deutschland das Bundesgesundheitsministerium eine Regelung einfallen lassen, um die Verordnung von Generika zu fördern und damit die Arzneimittelausgaben zu senken - die sogenannte "Aut-idem"-Regelung für die gesetzlichen Krankenkassen:

Kreuzt ein Arzt auf einem Arzneimittelrezept das "Aut-idem"-Kästchen an, kann der Apotheker anstelle des verordneten (Original-)Medikamentes ein preisgünstigeres Alternativ-Präparate an den Patienten abgeben.

Dieses Präparat muss den gleichen Wirkstoff enthalten wie das verordnete Medikament und dieselbe Wirkungsstärke und Packungsgrösse haben. Ausserdem muss es für den gleichen Anwendungsbereich zugelassen sein und die gleiche oder einer vergleichbare Darreichungsform besitzen.

In Österreich gibt es keine "Aut-idem"-Regelung. Das vom Arzt verschriebene Medikament muss in der Apotheke abgeben werden. Ist dies nicht möglich (z.B. Lieferschwierigkeiten) ist der abgebende Apotheker dazu verpflichtet Kontakt mit dem verordnenden Arzt aufzunehmen und sich nach einer Alternative zu erkundigen.

Daneben zielt auch die Festbetragsregelung bei verschreibungspflichtigen Medikamenten darauf ab, den enormen Anstieg der Arzneimittelausgaben einzudämmen. Für bestimmte Wirkstoffgruppen (z.B. Betablocker, Statine) wurden Höchstbeträge festgesetzt, welche die Gesetzlichen Krankenkassen erstatten.

Übersteigt der Preis eines Arzneimittels den Festbetrag, muss der Versicherte die Mehrkosten selber tragen - zusätzlich zur ohnehin geltenden gesetzlichen Zuzahlung.

Diese Zuzahlung fällt bei günstigen Medikamenten (wie Generika) allerdings oft weg. Liegt der Preis eines Präparates nämlich mindestens dreissig Prozent unter dem Festbetrag, ist es von der gesetzlichen Zuzahlung befreit. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber erreichen, dass Patienten ihre Ärzte bitten, besonders preisgünstige Arzneimittel zu verordnen.

Die genauen Regelungen zur Preisgestaltung von Arzneimitteln unterscheiden sich zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz, weshalb die hier beschriebenen Einsparungspotenziale nicht unbedingt für alle drei Länder gelten.

Nachteile

Der - zum Teil wiederholte - Präparatewechsel birgt jedoch auch das Risiko der Medikamentenverwechslung. Einnahmefehler können bekanntermassen zu schwerwiegenden Nebenwirkungen bis hin zur Krankenhauseinweisung führen und schlimmstenfalls sogar tödlich enden.

In dieser Hinsicht sind vor allem ältere Menschen gefährdet. Hier kann es trotz ausführlicher und mehrfacher Aufklärung über den Präparatewechsel zu falschen oder doppelten Einnahmen kommen. Schliesslich lassen weder der Präparatename noch die Farbe oder das Aussehen der Tablette darauf schliessen, ob es sich um das identische Medikament handelt.

Generika in der Pädiatrie

Es sind bislang nur wenige Arzneimittel auf dem Markt, die speziell für Kinder entwickelt und zugelassen wurden. Deshalb nehmen die Kleinen meist Medikamente ein, die eigentlich für Erwachsene gedacht sind - sowohl Originalpräparate als auch die jeweiligen Generika.

Die Dosis wird für die jungen Patienten einfach entsprechend verringert, wobei vor allem die Erfahrung des Arztes zählt. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind: Ihr Körper verarbeitet Medikamente oft anders als jener der Grossen.

In der Schweiz gibt es seit 2018 Empfehlungen zu den Anwendungsgebieten (Indikationen), zur Dosierung und Verabreichung von den in der Kinderheilkunde am häufigsten verwendeten Wirkstoffen - erstellt vom Verein SwissPedDose im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit.

Um die Entwicklung von Kinder-Arzneimitteln zu fördern, hat die EU im Januar 2007 eine neue Verordnung erlassen. Arzneimittelhersteller müssen seither neue (noch nicht zugelassene) Präparate sowie solche, die noch unter Patentschutz stehen, auch an Minderjährigen testen und die Studienergebnisse den Zulassungsbehörden vorlegen.

Im Gegenzug wird in beiden Fällen der Patentschutz um sechs Monate verlängert (auch wenn die Tests an Minderjährigen negativ verlaufen sind und das Präparat keine Zulassung als Kinderarzneimittel erhält).

Ausgenommen von dieser Vorschrift sind unter anderem Generika. Für sie hat sich die EU etwas anderes einfallen lassen. Pharmafirmen können ein Medikament, das für Erwachsene entwickelt wurde, nachträglich für Kinder anpassen (in Dosis, Darreichungsform, usw.).

Der Pädiatrieausschuss der Europäischen Zulassungsbehörde EMEA legt dafür ein eigenes Prüfverfahren bei Minderjährigen fest. Im Anschluss erhält das Kinderarzneimittel eine spezielle Zulassung, eine sogenannte PUMA (Paediatric Use Marketing Authorisation).

Ausserdem wird der Hersteller mit einem zehnjährigen Unterlagenschutz "belohnt". Andere Generika-Anbieter dürfen erst nach Ablauf dieser Zeit die Forschungsunterlagen einsehen, auf die dortigen Studien an Minderjährigen Bezug nehmen und das Kinder-Präparat nachbauen.

Damit will die EU - aus ethischen Bedenken - verhindern, dass ein zweiter Hersteller die gleichen Tests an Kindern durchführt, um ein analoges Kinder-Generikum auf den Markt zu bringen.

In Anlehnung an die EU-Regelung müssen auch Pharmafirmen in der Schweiz bei einem Zulassungsantrag für ein neues Medikament zusätzliche Daten über die sichere und wirksame Anwendugn des Präparats bei Kindern vorlegen.

Sonderfall Biosimilars

Während Generika die Nachahmerpräparate von klassischen chemisch-synthetisch hergestellten Arzneimitteln sind (wie dem Schmerzmittel Ibuprofen oder dem Cholesterinsenker Atorvastatin), handelt es sich bei Biosimilars um Nachahmerpräparate von biotechnolgisch hergestellten Medikamenten (Biologika oder Biopharmazeutika genannt).

Solche Medikamente werden mithilfe lebender Zellen (wie Bakterien oder tierischen Zellen) hergestellt und haben einen komplizierteren Aufbau als chemische Arzeistoffe. Beispiele für Biologika sind monoklonale Antikörper, die etwa gegen Krebs eingesetzt werden (z.B. Bevacizumab), sowie das als Diabetes-Medikament verwendete Hormon Insulin.

Weil Biologika und ihre Nachahmerpräparate, die Biosimilars, von lebenden Zellen produziert werden, können sie niemals komplett identisch sein, sondern nur möglichst ähnlich (Generika-Wirkstoffe sind dagegen eine idente Kopie ihres Originals). Deshalb dürfen Biologika auch nicht einfach durch ihre Biosimilars ersetzt werden - eine solche Therapieumstellung wird stets ärztlich begleitet und überwacht.

Für die offizielle Zulassung eines Biosimilars sind darüber hinaus zusätzliche Daten des direkten Vergleichs zwischen Original und Biosimilar zu liefern. Der Hersteller muss anhand von Tests und Studien belegen, dass sein Biosimilar keine wesentlichen Unterschiede in Bezug auf Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit bewirkt.

Erst wenn dies belegt wurde kann auf bereits vorliegende Studien und Daten sowie gewonnene Erfahrung zurückgegriffen werden - die mit dem Originator durchgeführten Studien sind in diesem Fall nicht gänzlich zu wiederholen.

Insgesamt sind die Anforderungen an Biosimiliars also ungleich grösser als an Generika.

Mehr zu biotechnologischen Arzneimitteln und ihren Nachahmerpräparaten lesen Sie im Beitrag "Biopharmazeutika & Biosimilars".

Autoren- & Quelleninformationen

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Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Dr. med.  Katharina Larisch

Katharina Larisch ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion.

Quellen:
  • Bundesamt für Gesundheit: "Kinderarzneimittel" (Stand: 01.02.2022), unter: www.bag.admin.ch
  • Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG): "Generika und Biosimilars" (Stand: 23.09.2020), unter: www.basg.gv.at
  • Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): "Generische Zulassung", unter: www.bfarm.de (Abruf: 21.02.2022)
  • Bundesministerium für Gesundheit (BMG): "Generika" (Stand: 24.05.2016), unter: www.bundesgesundheitsministerium.de
  • Pro Generika e.V.: "10 Gründe, warum Generika genau so gut sind wie das Original", unter www.progenerika.de (Abruf: 21.02.2022)
  • Pschyrembel Online, Klinisches Wörterbuch: www.pschyrembel.de (Abruf: 21.02.2022)
  • Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA): "Patente für Arzneimittel" (Stand: 11.02.2015), unter: www.vfa.de
  • Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA): "Von Originalen, Generika und Biosimilars" (Stand: 17.04.2009), unter: www.vfa.de
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