Vancomycin

Von Lisa Hein
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Vancomycin ist ein hochwirksames Reserve-Antibiotikum. Es gehört zu den wichtigsten Mitteln gegen schwere bakterielle Erkrankungen wie Hirnhautentzündung oder Entzündung der Herzinnenhaut. Vancomycin gilt allgemein als gut verträglich. Mögliche Nebenwirkungen sind etwa Magen-Darm-Beschwerden und allergische Reaktionen. Hier lesen Sie alles Wichtige über Vancomycin, seine Anwendung, Wechsel- und Nebenwirkungen.

So wirkt Vancomycin

Vancomycin ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Glykopeptid-Antibiotika. Es wirkt bakterienabtötend (bakterizid) gegen grampositive Erreger und kommt zum Einsatz, wenn andere Antibiotika nicht ausreichend wirksam sind.

Das menschliche Immunsystem schützt den Körper mithilfe verschiedener Mechanismen vor der Einnistung und Ausbreitung von Krankheitserregern. In der Regel bemerkt der Mensch gar nicht, wenn sein Immunsystem aktiv ist, oder es treten nur leichte Beschwerden infolge der Infektion mit einem Erreger auf.

Manchmal schafft die Körperabwehr es jedoch nicht sofort, einen Erreger erfolgreich zu bekämpfen. Die Symptome werden dann schwerwiegender. Kann der Körper den Erregern nicht mehr Herr werden, können Medikamente den Abwehrkampf unterstützen.

Zu diesen Medikamenten zählt das Antibiotikum Vancomycin. Es greift in den Zellwand-Aufbau von krankmachenden Bakterien ein, wodurch diese absterben. So muss sich das Immunsystem nur noch um die Ausscheidung der Bakterien kümmern, und die Symptome der Erkrankung bessern sich in der Regel schnell.

Vancomycin ist nur gegen eine bestimmte Sorte von Bakterien wirksam (sogenannte "grampositive" Bakterien). Der Arzt muss deshalb vorher feststellen, welche Bakterienart bekämpft werden soll.

Aufnahme, Abbau und Ausscheidung

Wird Vancomycin oral (über den Mund) aufgenommen, wird der Wirkstoff nicht aus dem Darm ins Blut aufgenommen, da er die Darmwand nicht überwinden kann. Dies macht dann Sinn, wenn lokale Infektionen im Darm bekämpft werden sollen.

Soll das Antibiotikum dagegen im Körpergewebe wirken, muss es direkt in die Blutbahn eingebracht werden. Nach seiner Verteilung wird Vancomycin unverändert über den Urin ausgeschieden. Üblicherweise hat nach vier bis sechs Stunden die Hälfte des Wirkstoffes den Körper wieder verlassen. Bei eingeschränkter Nierenfunktion kann diese Zeit allerdings auf bis zu 7,5 Tage ansteigen.

Wann wird Vancomycin eingesetzt?

Vancomycin wird in folgenden Fällen per Infusion verabreicht:

  • schwere bakterielle Erkrankungen wie Entzündung der Hirnhaut (Meningitis), der Herzinnenhaut, der Knochen und Gelenke oder der Haut und Weichteile

In folgenden Fällen wird Vancomycin oral, also über den Mund, angewendet:

  • schwere Clostridium difficile-Infektion (CDI)

Das Bakterium Clostridium difficile kann eine Durchfallerkrankung hervorrufen, die in schweren Fällen tödlich verlaufen kann.

So wird Vancomycin angewendet

Vancomycin wird je nach Krankheitsbild entweder in Form einer Lösung oder Kapsel geschluckt (bei Entzündungen im Darm) oder in Form einer Infusion direkt in die Blutbahn eingebracht (bei Entzündungen im Körpergewebe).

Die Dosierung beträgt bei Aufnahme über den Mund zwischen 500 Milligramm und zwei Gramm pro Tag, die auf drei bis vier Einzelgaben aufgeteilt werden sollten. Die Behandlungsdauer sollte dabei etwa sieben bis zehn Tage umfassen und wird vom Arzt je nach Schweregrad der Erkrankung festgelegt.

Die Dosierung bei einer direkten Gabe ins Blut ist ähnlich und richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung.

Patienten mit Nierenfunktionsstörungen, Kinder, Jugendliche und ältere Patienten erhalten eine verringerte Dosis.

Welche Nebenwirkungen hat Vancomycin?

Gelegentlich, das heisst bei einem bis zehn Prozent der Behandelten, ruft Vancomycin Nebenwirkungen in Form von Magen-Darm-Beschwerden oder allergischen Reaktionen (Redneck-Syndrom) hervor.

Selten, also bei einem von hundert Patienten, treten Blutbildveränderungen, Übelkeit, Schüttelfrost sowie Schmerzen der Schulter- oder Rückenmuskulatur auf.

Sehr selten kann es durch die Einnahme des Antibiotikums zu einer schädigenden Wirkung auf das Innenohr (ototoxische Wirkung) oder die Nieren (nephrotoxische Wirkung) kommen.

Was ist bei der Einnahme von Vancomycin zu beachten?

Gegenanzeigen

Vancomycin darf nicht eingesetzt werden bei:

  • bekannter Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der anderen Bestandteile des Medikaments

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn eine Nierenfunktionsstörung oder Schwerhörigkeit vorliegt.

Wechselwirkungen

Die gleichzeitige Gabe von Medikamenten, die schädigend auf das Innenohr oder aber die Nieren wirken können, sollte möglichst vermieden werden. Das Risiko für derartige Nebenwirkungen ist dosisabhängig und besonders bei eingeschränkter Nierenfunktion gegeben (stark verzögerte Ausscheidung von Vancomycin).

Vancomycin kann die Wirkung von Muskelrelaxanzien verstärken.

Bei oraler Einnahme als Tablette oder Lösung kann Vancomycin die Wirkung oraler Kontrazeptiva ("Pille") möglicherweise verringern.

Verkehrstüchtigkeit und Bedienen von Maschinen

Vancomycin hat praktisch keinen Einfluss auf die Reaktionsfähigkeit. Deshalb darf man nach Anwendung des Antibiotikums aktiv am Verkehr teilnehmen und schwere Maschinen bedienen.

Altersbeschränkungen

Medikamente mit Vancomycin dürfen bei schweren bakteriellen Erkrankungen auch schon bei Säuglingen angewendet werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Das Antibiotikum kann über den Mutterkuchen (Plazenta) zum Ungeborenen gelangen. Bisher liegen nur sehr wenige Erfahrungen zur Anwendung in der Schwangerschaft vor, weshalb angeraten wird, besser erprobte Alternativen bei einer bakteriellen Erkrankung einzusetzen.

In der Stillzeit gelangt der Wirkstoff über die Muttermilch zum Säugling. Experten empfehlen daher, wenn möglich, auf andere Antibiotika zurückzugreifen.

Ist eine andere Behandlung nicht möglich, kann Vancomycin aber nach individueller ärztlicher Nutzen-Risiko-Abwägung auch in der Schwangerschaft und Stillzeit zum Einsatz kommen.

So erhalten Sie Medikamente mit Vancomycin

Medikamente mit Vancomycin sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz verschreibungspflichtig.

Seit wann ist Vancomycin bekannt?

Der Wirkstoff aus der Gruppe der sogenannten Glykopeptid-Antibiotika wurde im Jahr 1959 auf den Markt gebracht. Aufgrund seiner starken Wirksamkeit gilt Vancomycin als Reserve-Antibiotikum, das ausschliesslich bei schweren bakteriellen Erkrankungen eingesetzt werden darf.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Quellen:
  • Geisslinger, G. et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen - Pharmakologie, Klinische Pharmakologie, Toxikologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 11. Auflage, 2020.
  • Herdegen, T.: Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie, Georg Thieme Verlag, 2. Auflage, 2010.
  • Kappstein, I.: Nosokomiale Infektionen, Georg Thieme Verlag, 2009.
  • Karow, T. et Lang-Roth, R.: Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie, Thomas Karow Verlag, 29. Auflage, 2021.
  • Pharmakovigilanz und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin: Vancomycin, unter: www.embryotox.de (Abruf: 08.01.2022).
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