Melperon

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Melperon gehört zur Gruppe der Antipsychotika, besitzt allerdings eine eher schwache antipsychotische Wirkung. Es wird aus diesem Grund vorwiegend bei Schlafstörungen, Verwirrtheits- und Unruhezuständen eingesetzt. Aufgrund seiner guten Verträglichkeit kommt Melperon besonders bei älteren Patienten zum Einsatz. Hier lesen Sie alles Interessante zum Wirkstoff, seine Wirkweise, Anwendung und Nebenwirkungen.

Frau nimmt im Bett Medikamente

So wirkt Melperon

Melperon ist ein Vertreter der sogenannten Antipsychotika. Seine antipsychotische (= den Realitätsverlust bekämpfende) Wirkung ist aber eher schwach ausgeprägt. Dafür wirkt es stärker beruhigend und dämpfend.

Antipsychotika

Antipsychotika (Neuroleptika) sind Wirkstoffe, die eine antipsychotische und zum Teil beruhigende Wirkung besitzen. Sie eignen sich damit zur Behandlung von Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Solchen Symptomen liegen oft psychische Störungen wie Schizophrenie oder eine Manie zugrunde.

Experten vermuten, dass bei Schizophrenie Symptome wie Halluzinationen und Wahnvorstellungen auf einer erhöhten Konzentration des Botenstoffes Dopamin in bestimmten Arealen des Gehirns beruhen (Dopaminhypothese). Antipsychotika verhindern das Andocken des Botenstoffs Dopamin an seinen Rezeptor. Auf diese Weise versucht man, die übermässige Dopaminwirkung zu normalisieren. Der vollständige Wirkmechanismus von Antipsychotika ist allerdings noch nicht gänzlich geklärt.

Die älteren Wirkstoffe (Antipsychotika der ersten Generation, z.B. Melperon) wirken noch recht unspezifisch im Gehirn. Als Nebenwirkung beeinflussen sie daher auch die durch Dopamin gesteuerten extrapyramidalen Nervenbahnen. Die Folge sind sogenannte extrapyramidale Störungen (EPS) wie Bewegungsunruhe, unwillkürliche Bewegungen, Krämpfe, Muskelstarre und Gangstörungen.

Die neueren atypischen Antipsychotika (Antipsychotika der zweiten Generation) haben eine zielgerichtetere Wirkung und zeigen diese Nebenwirkungen daher kaum.

Aufnahme, Abbau und Ausscheidung

Nach der Einnahme wird Melperon schnell und vollständig ins Blut aufgenommen. Die höchsten Blutspiegel stellen sich nach einer bis eineinhalb Stunden ein.

Der Wirkstoff wird in erster Linie durch die Leber abgebaut. Maximal zehn Prozent der verabreichten Menge an Melperon verlassen den Körper unverändert mit dem Urin. Nach einmaliger Gabe ist etwa die Hälfte des Wirkstoffs nach vier bis sechs Stunden wieder ausgeschieden (Halbwertszeit).

Wann wird Melperon eingesetzt?

Melperon wird in folgenden Fällen eingesetzt:

  • Schlafstörungen
  • Verwirrtheitszustände
  • Unruhe mit Bewegungsdrang und Erregungszuständen, besonders bei Patienten mit Psychosen, Schizophrenie, Demenz, bestimmten Neurosen und Alkoholkrankheit

Meist ist eine längerfristige Einnahme erforderlich.

Aufgrund seiner guten Verträglichkeit wird Melperon gerne bei älteren Patienten eingesetzt.

So wird Melperon angewendet

Melperon wird oft als Tablette oder Lösung zum Einnehmen (Melperon-Saft) angewendet. Je nach Schwere der Krankheit werden meist Dosierungen von 25 bis 200 Milligramm Melperon täglich verabreicht, die meist auf mehrere Gaben aufgeteilt werden.

Üblicherweise wird die Therapie mit einer niedrigen Melperon-Dosierung, die anschliessend langsam gesteigert wird, bis die Wirkung ausreichend ist. Mitunter stellt sich der gewünschte Effekt allerdings erst zwei bis drei Wochen nach Behandlungsbeginn ein. Die Tageshöchstdosis an Melperon beträgt 400 Milligramm.

Die Einnahme erfolgt nach den Mahlzeiten beziehungsweise vor dem Schlafengehen, falls auch Schlafstörungen zu behandeln sind. Wichtig ist, dass man das Medikament nicht mit Kaffee, Tee oder Milch schluckt, da dadurch die Aufnahme des Wirkstoffs gehemmt wird.

Welche Nebenwirkungen hat Melperon?

Grundsätzlich hat eine therapeutische Melperon-Dosierung nur eine geringe oder keine Wirkung auf Atmung, Kreislauf, Verdauung, Harnausscheidung oder Leberfunktion.

Zu Beginn der Behandlung und höheren Dosierungen kann Müdigkeit auftreten, was jedoch meistens auch erwünscht ist. Zusätzlich kann der Wirkstoff zu einem niedrigen Blutdruck führen, der sich in Schwindel und Schwächegefühl, besonders auch beim Aufstehen aus liegender oder sitzender Position, äussert.

Abhängig von der Dosis und der individuellen Veranlagung können als weitere Nebenwirkungen die bereits erwähnten extrapyramidalen Störungen (EPS) auftreten. Diese erkennt man durch Verkrampfen der Muskulatur, Zittern, Muskelsteifheit und Bewegungsunruhe (ähnlich dem klinischen Bild der Parkinson-Krankheit).

Lassen Sie bei Verdacht auf EPS-Nebenwirkungen diese von Ihrem behandelnden Arzt abklären.

Weil der Wirkstoff Melperon in der Leber abgebaut wird, kann es vorübergehend zu einer Erhöhung der Leberenzymwerte, Abflussstörungen der Galle oder einer Gelbsucht kommen. Auch Blutbildveränderungen sind als Nebenwirkung bekannt.

Was ist bei der Einnahme von Melperon zu beachten?

Gegenanzeigen

Melperon darf nicht eingesetzt werden bei:

  • schwerer Leberfunktionsstörung
  • Malignes neuroleptisches Syndrom (MNS) in der Vergangenheit (MNS ist eine seltene, aber lebensbedrohliche Nebenwirkung von Neuroleptika)
  • akuten Vergiftungen mit Alkohol, zentral dämpfenden Wirkstoffen oder Opiaten
  • Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einen der anderen Bestandteile des Medikaments

Wechselwirkungen

Bei der zusätzlichen Einnahme von weiteren dämpfenden Arzneistoffen (Schlafmitteln, Schmerzmitteln, Psychopharmaka, Wirkstoffe gegen Allergien) oder Alkohol kann die dämpfende Wirkung verstärkt sein. Auch die Wirkung von blutdrucksenkenden Medikamenten kann durch Melperon verstärkt werden.

Durch Melperon kann es zu bestimmten Veränderungen des Herzrhythmus kommen, sogenannten QT-Strecken-Verlängerungen. Deshalb ist Vorsicht geboten bei der Kombination mit weiteren Medikamenten, die ebenfalls den Herzrhythmus beeinflussen (beispielsweise bestimmte Antibiotika und antiallergische Wirkstoffe) - das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen muss hier gegen den potenziellen Nutzen der Behandlung ärztlich abgewogen werden.

Gleiches gilt bei Patienten mit bestehenden Herzerkrankungen. Mithilfe eines Elektrokardiogramms (EKG) vor Beginn der Melperon-Therapie und nach Erreichung der Zieldosis kann das Risiko für QT-Strecken-Verlängerungen ausgeschlossen und überwacht werden.

Melperon ist ein Hemmstoff des Enzyms CYP2D6. Andere Arzneistoffe, die ebenfalls über CYP2D6 verstoffwechselt werden, können deshalb in ihrer Wirkung beeinflusst werden (z.B. viele Antidepressiva oder das Schmerzmittel Tramadol).

Altersbeschränkung

Melperon ist ab einem Alter von zwölf Jahren zugelassen.

Schwangerschaft und Stillzeit

Schwangere und stillende Frauen sollten Melperon aufgrund der unzureichenden Datenlage nicht einnehmen. Tierexperimentelle Studien ergaben zwar keinen Hinweis auf eine fruchtschädigende Wirkung, aber man weiss, dass der Wirkstoff die Plazenta überwinden kann.

Es ist anzunehmen, dass Melperon auch in die Muttermilch gelangt. Dadurch wird das gestillte Kind dem Wirkstoff ausgesetzt, wobei potenzielle Risiken und Spätfolgen nicht ausgeschlossen werden können.

Ein besser erprobter Wirkstoff bei Unruhe- und Erregungszuständen ist Promethazin. Bei Schlafstörungen auch Amitriptylin sowie Diphenhydramin.

So erhalten Sie Medikamente mit dem Wirkstoff Melperon

Melperon ist in Deutschland und Österreich in jeder Dosierung und Packungsgrösse rezeptpflichtig. Melperon-Saft (Lösung zum Einnehmen) ist nur in Deutschland im Handel.

Der Wirkstoff ist in der Schweiz überhaupt nicht am Markt.

Seit wann ist Melperon bekannt?

Der Wirkstoff Melperon wurde in Deutschland erstmals 1975 in den Handel gebracht. Seit dem Auslaufen des Patentschutzes kamen mehrere Generika mit dem Wirkstoff Melperon auf dem Arzneimittelmarkt hinzu.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Quellen:
  • Geisslinger, G. et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen - Pharmakologie, Klinische Pharmakologie, Toxikologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 11. Auflage, 2020.
  • Gründer, G. et Benkert, O.: Handbuch der Psychopharmakotherapie, Springer Verlag GmbH, Berlin-Heidelberg, 2. Auflage, 2012.
  • Karow, T. et Lang-Roth, R.: Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie, Thomas Karow Verlag, 29. Auflage, 2021.
  • Pharmakovigilanz und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin: Melperon, unter: www.embryotox.de (Abruf: 02.07.2021).
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