Medikamenten-Farbe

Von Dr. med. Nina Buschek
und , Chemikerin, Medizinjournalistin
Ingrid Müller

Ingrid Müller ist Chemikerin und Medizinjournalistin. Sie war zwölf Jahre Chefredakteurin von NetDoktor.de. Seit März 2014 arbeitet sie als freie Journalistin und Autorin unter anderem für Focus Gesundheit, das Gesundheitsportal ellviva.de, den Verlag living crossmedia und den Gesundheitschannel von rtv.de.

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Die meisten Pharmahersteller färben ihre Medikamente. Tabletten, Kapseln, Dragees und sogar Injektionslösungen gibt es in vielen farblichen Varianten - rot, weiss, gelb, blau, orange oder eine Kombination daraus. Hier erfahren Sie, was dahinter steckt!

Medikamente; Farbe; Tabletten

Warum gefärbte Arzneimittel?

Gefärbte Arzneimittel sind für Patienten besser zu unterscheiden - vor allem für Senioren, die oft viele verschiedene Medikamente zu unterschiedlichen Tageszeiten einnehmen müssen, ist die Farbgebung von Vorteil. Sie strukturiert den Einnahmerhythmus, etwa morgens die rote, mittags die weisse, abends die blaue Pille. So werden die Medikamente nicht so leicht verwechselt.

Farbenblinde Menschen und solche mit Sehschwäche beziehungsweise Blinde haben hier allerdings ein Problem. Dann schafft die Verpackung Abhilfe: Auf dieser muss nämlich die Bezeichnung des Arzneimittels in Blindenschrift aufgedruckt sein.

Je auffälliger die Tabletten sind (Farbe, Form, aber auch Darreichungsform), desto besser sind sie auch wiederzuerkennen (z.B. die blaue Potenzpille oder die Kopfschmerztablette mit Kreuz). Manche Patienten können sich oft nicht mehr an den Namen des eingenommenen Medikamentes erinnern, wohl aber an seine Farbe. Ärzte können dann möglicherweise Rückschlüsse auf das Medikament ziehen.

Problematisch und verwirrend kann es werden, wenn der Hersteller die Farbe eines Medikaments plötzlich ändert oder der Patient anstelle seines gewohnten ein anderes (preisgünstigeres) erhält. Patienten sind dann oft unsicher, ob noch der gleiche Wirkstoff enthalten ist oder ob sie ein falsches Mittel erhalten haben.

Blau beruhigt, rot weckt auf

Tabletten und Kapseln

Die Farbe eines Medikaments fördert aber nicht nur den Wiedererkennungswert, sondern hat auch einen Einfluss auf die Wirksamkeit der Arznei und seine Akzeptanz bei den Patienten.

Die Farbe spielt etwa für den Placebo-Effekt von Tabletten und Kapseln eine wichtige Rolle. Dazu gibt es eine Reihe von Studien, die beispielweise zu folgenden Ergebnissen kamen:

  • Depressive Patienten sprachen besser auf gelb gefärbte Tabletten an als auf grüne oder rote.
  • Beruhigungsmittel mit roter Färbung wurden von Testpersonen als stimulierend, solche mit blauer Farbe eher als beruhigend wahrgenommen. Das ergaben Tests mit Placebos (wirkstofffreien Präparaten).
  • Patienten mit Bluthochdruck hatten dagegen eine Vorliebe für weisse Tabletten.
  • Insgesamt scheinen rote und schwarze Tabletten  effektiver zu sein als weisse. Braune wirken angeblich am stärksten abführend.

Die Farbe Rot steht also  für "aufregend", "aktiv", "heiss", "gefährlich". Blau wird eher mit den Begriffen "beruhigend", "kühl" und "entspannt" assoziiert, während Weiss für "rein", "unbefleckt" und "neutral" steht.

Diesen Erkenntnissen aus der Farbpsychologie bedienen sich Pharmahersteller schon länger. Beruhigungsmittel sind deshalb oft blau gefärbt, Magenmittel grün, starke Schmerzmittel und Herzkreislaufpräparate rot, Antidepressiva und Aufputschmittel eher rot, gelb oder pastellfarben und Verhütungspillen lavendelfarben oder rosa.

Gefärbte Injektionen

Die Darreichungsform eines Arzneimittels beeinflusst ebenfalls die Wirkung. So wirkt eine Spritze besser als ein oral verabreichtes Medikament. Ist die Injektionslösung dann auch noch gefärbt, zeigt sich der stärkste Effekt.

Die Nase vorn bei der Placebo-Behandlung von Schmerzen hat die purpurfarbene Vitamin B12-Spritze. Ein Schmerzforscher rechnete aus, dass sie der Wirkung von fünf Milligramm Morphin entspricht.

Preis und Geschmack

Neben der Farbe und Darreichungsform spielen auch der Preis und der Geschmack eines Medikaments eine Rolle. Viele Patienten glauben, dass ein teures Medikament besser wirkt als ein billiges und eine bitter schmeckende Arznei besser als eine wohlschmeckende.

Ist in die Placebo-Tabletten zudem noch ein Markenname eingraviert, steigert das die gefühlte Wertigkeit und damit die Effektivität noch weiter.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autoren:
Dr. med.  Nina Buschek
Ingrid Müller

Ingrid Müller ist Chemikerin und Medizinjournalistin. Sie war zwölf Jahre Chefredakteurin von NetDoktor.de. Seit März 2014 arbeitet sie als freie Journalistin und Autorin unter anderem für Focus Gesundheit, das Gesundheitsportal ellviva.de, den Verlag living crossmedia und den Gesundheitschannel von rtv.de.

Quellen:
  • Moerman, DE. et Jonas, WB.: Deconstructing the Placebo Effect and Finding the Meaning Response, Annals of Internal Medicine, Vol. 136, 19 March 2002.
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