Medikamente aus dem Internet

Von Fabian Seyfried
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Arzneimittel sind heute nicht mehr nur in der Apotheke vor Ort erhältlich. Seit der Gesundheitsreform 2004 ist der Versandhandel über das Internet rechtens. Das gilt für verschreibungspflichtige und rezeptfreie Medikamente. Inzwischen besitzen zahlreiche klassische Vor-Ort-Apotheken auch eine Versanderlaubnis, hinzu kommt eine unüberschaubare Zahl an Online-Apotheken im In- und Ausland.

Versandhandel; Online; Apotheke; Internet; Medikamente; Arzneimittel;

Vor- und Nachteile

Die Zahl der Online-Apotheken wächst seit Jahren beständig. Insbesondere für chronisch kranke Menschen, die regelmässig grössere Mengen an Medikamenten benötigen, bietet sich dadurch ein Einsparpotenzial: Denn die oft im Ausland sitzenden Online-Apotheken können durch den Verkauf grösserer Stückzahlen oft günstigere Preise anbieten als eine Vor-Ort-Apotheke.

Weitere Vorteile einer Online-Apotheke: Versandkostenfrei - zumindest meistens - werden die bestellten Medikamente nach Hause geliefert - eine Entlastung für gehbehinderte Menschen und Bewohner ländlicher Regionen, die keine Apotheke in der Nähe haben. Zudem führt manche Online-Apotheke auf Wunsch des Bestellers eine Patientenakte, die vor möglichen Wechselwirkungen zwischen den Arzneimitteln warnt.

Es gibt jedoch auch Nachteile bei der Bestellung über das weltweite Datennetz. Um rezeptpflichtige Medikamente zu bekommen, muss zunächst das Originalrezept zum Apotheker der Online-Apotheke geschickt werden. Anschliessend dauert es noch ein bis mehrere Tage, bis die Bestellung beim Kunden ankommt - der Besuch in der Vor-Ort-Apotheke ist fast immer schneller. Ausserdem rechnen nicht alle Versandhändler direkt mit den Krankenkassen ab. In diesem Fall müssen die Patienten zunächst den vollen Preis zahlen und anschliessend die Rechnung bei ihrer Versicherung einreichen. Neukunden können auch nicht bei jeder Online-Apotheke auf Rechnung bestellen, sondern müssen auf Nachnahme, Vorkasse oder Kreditkarte ausweichen.

Ein weiterer Nachteil: die fehlende persönliche Beratung. Insbesondere dann, wenn Kunden selbst nach rezeptfreien Behandlungsmöglichkeiten suchen oder wenn rezeptpflichtige Medikamente zum ersten Mal eingenommen werden müssen, kann der Apotheker vor Ort dem Patienten wichtige zusätzliche Informationen mitgeben, etwa zu Alternativen, zur richtigen Einnahme, zu möglichen Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.

Wachsam sein - die Checkliste

Das grösste Problem bei Bestellungen im Internet geht von unseriösen Online-Apotheken aus. Wer bei einem Anbieter ohne deutsche oder europäische Lizenz bestellt, muss damit rechnen, gefälschte Arzneimittel zugeschickt zu bekommen: Eine Stichprobe der Weltgesundheitsorganisation WHO ergab, dass etwa jedes zweite Präparat von unseriösen Versendern gefälscht ist - was  eine ernste Gefahr für die Gesundheit sein kann.

Seriöse von unseriösen Webapotheken zu unterscheiden, ist nicht immer einfach. Eine Checkliste wichtiger Qualitätsmerkmale hilft, eine unbekannte Website einzuschätzen:

  • Ist ein Impressum vorhanden? Es sollte den vollständigen Namen der Apotheke, des Inhabers und eine Postadresse aufführen.
  • Wird die berufliche Qualifikation des Betreibers - vorzugsweise ein Apotheker - angegeben?
  • Wird bei verschreibungspflichtigen Medikamenten das Originalrezept verlangt? Falls nicht, ist der Anbieter nicht berechtigt, Arzneimittel an deutsche Kunden zu liefern.
  • Ist es möglich, sich ein Rezept von der Online-Apotheke selbst ausstellen zu lassen - beispielsweise über die Dienste eines automatischen "Cyber-Docs", der Diagnosen stellt? Eine solche Ferndiagnose ist nach deutschem Recht verboten, jeder Anbieter solcher Dienste ist unseriös.
  • Können bei der Online-Apotheke Medikamente bestellt werden, die in Deutschland nicht zugelassen sind? Ein Versand solcher Präparate ist ebenfalls nicht erlaubt.
  • Enthalten die Produktinformationen folgende Details: Name des Präparats, aktive Wirkstoffe, Anwendungsgebiet, Warnhinweise und Herstellername?
  • Sind die Informationen auf der Website der Online-Apotheke ausgewogen? Werden sowohl Vor- als auch Nachteile von Behandlungen und Medikamenten genannt?
  • Sind die Informationen aktuell? Im Idealfall ist das Erstellungsdatum bei Artikeln angegeben.
  • Verlinkt die Online-Apotheke auf unseriöse Webseiten oder enthält sie unseriöse Werbung?
  • Ist die Werbung klar gekennzeichnet? Eine Vermischung von Werbung und anderen Inhalten, z.B. in einem Artikeltext, sollte nicht stattfinden.
  • Gibt es eine Möglichkeit, Fragen zu stellen? Gute Web-Apotheken bieten eine Hotline an, ein Onlineformular oder beantworten E-Mails ihrer Kunden.
  • Werden persönlichen Daten wie zum Beispiel Kreditkartendaten verschlüsselt übertragen? Sensible Informationen sollten nach dem SSL-Standard verschlüsselt werden - erkennbar an einem Schloss-Symbol neben der Adressleiste oder in der Statuszeile des Webbrowsers.

Hände weg!

Unseriöse Anbieter verraten sich häufig schon durch die Sprache ihrer Texte:

  • Es werden "schnelle", "sensationelle" oder "garantierte" Erfolge angepriesen.
  • Die Seiten sprechen von "geheimen Rezepturen", einem "medizinischen Durchbruch" oder "Wundermitteln".
  • Ein bestimmtes Präparat ist nur von dieser Online-Apotheke zu beziehen und nur kurze Zeit im Sortiment.
  • Das Mittel soll gegen eine Vielzahl verschiedenster Beschwerden helfen - und das bei jedem Patienten.
  • Es sollen keine Nebenwirkungen auftreten, und die Einnahme sei "absolut sicher".
  • Es tauchen überschwängliche Erfahrungsberichte von einzelnen Patienten oder "Experten" auf.

Siegel für mehr Sicherheit

Deutsche und einige europäische Versandapotheken versuchen, sich durch verschiedene Gütesiegel von unseriösen Anbietern abzugrenzen. Die Kriminellen sind ihnen jedoch immer auf den Fersen und kopieren die Grafiken auf die eigenen Seiten - prüfen Sie daher auch alle Seiten gründlich, die diese Erkennungszeichen aufweisen.

Einen gewissen Schutz bietet das Siegel des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). Hier sind Bewertungen von Apotheken zu finden. Stimmen hier Name des Anbieters und zugehörige Internetadresse der Apotheke, handelt es sich höchstwahrscheinlich um ein legales Angebot (http://www.dimdi.de/static/de/amg/var/apotheken/index.htm).

Weitere Siegel stammen von dem Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) und dem Europäischen Dachverband für Direktapotheken (EAMSP). Der TÜV zertifiziert zudem das Qualitätsmanagement der Apotheken, der Bundesverband des Deutschen Versandhandels und die Trusted Shops GmbH prüfen die Datensicherheit. Keines der Zeichen kann jedoch absolute Sicherheit garantieren.

Ab Juli 2015 gibt es ein Eu-weit einheitliches Siegel für Online-Apotheken. Das weisse Kreuz auf grüngestreiftem Grund zeigt auch eine kleine EU-Flagge. Wer auf das Siegel klickt wird auf eine Seite weitergeleitet, auf der alle Anbieter, die zugelassen sind, gelistet sind. Ein Abgleich zeigt dann, ob man auf einen seriösen Verkäufer gestossen ist.

Online-Apotheken im EU-Ausland sowie in Island, Norwegen und Liechtenstein sollten von den örtlichen Aufsichtsbehörden geprüft sein und dies auf ihren Seiten kenntlich machen. Wichtig ist, dass auch sie eine ausführliche Beratung anbieten und keine verschreibungspflichtigen Medikamente ohne Rezept verkaufen. Die Einfuhr von Arzneimitteln aus Nicht-EU-Ländern ist nur eingeschränkt erlaubt - neben den Gesetzen zum Import von Medikamenten spielen hier auch die Zollbedingungen eine Rolle.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Quellen:
  • Bundesministerium für Gesundheit (BMG): www.bmg.bund.de (Abruf: 30.05.2014)
  • Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA): www.bvdva.de (Abruf: 30.05.2014)
  • Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): www.dimdi.de (Abruf: 30.05.2014)
  • Weltgesundheitsorganisation (WHO): www.who.int (Abruf: 30.05.2014)
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