Isotretinoin

Von Lisa Hein
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Der Wirkstoff Isotretinoin gehört zu den wichtigsten Medikamenten bei Akne. Er wurde im Jahr 1982 in den USA zugelassen und wird auch heute noch erfolgreich in der Akne-Therapie eingesetzt. Isotretinoin kann innerlich und äusserlich angewendet werden und zeigt allgemein eine sehr gute Wirksamkeit. Schwangere und Stillende dürfen den Wirkstoff allerdings unter keinen Umständen einnehmen. Hier lesen Sie alles Wichtige über Isotretinoin. 

So wirkt Isotretinoin

Isotretinoin wird meist über den Mund (per oral) eingenommen. Es vermindert die Talgbildung (sebostatischer Effekt), wirkt entzündungshemmend (antiinflammatorisch) und gegen Mitesser (antikomedogen).

Der Wirkstoff ist ein sogenanntes Retinoid, also ein natürlicher Abkömmling vom Vitamin A (Sammelbegriff für mehrere Verbindungen mit ähnlicher Wirkung im Körper, z.B. Retinol). Das Vitamin ist unter anderem wichtig für Aufbau und Regeneration der Haut.

Bei schweren Formen der Akne verstopfen die Poren durch eine gesteigerte Aktivität der Talgdrüsen. Diese können sich dann entzünden, was zu den typischen eitrigen Pickeln und Pusteln bei Akne-Patienten führt.

Die Zufuhr von Retinoiden wie Isotretinoin kann hier helfen: Die Wirkstoffe sorgen für ein vermehrtes Zellwachstum in den oberen Hautschichten (Epidermis). Die Hornschicht der Haut lockert sich auf, und ein "Abschälen" der Epidermis wird erleichtert. Ausserdem wird die Funktion der Talgdrüsen beeinträchtigt, wodurch die Poren weniger verstopfen. Insgesamt wird die Haut von innen heraus gereinigt, das Hautbild verfeinert sich, und es treten weniger Unreinheiten auf.

In den ersten zwei Wochen der Behandlung kommt es - bedingt durch die entzündliche Umwandlung der - oft zu einer Verschlechterung des Hautbildes. Danach beginnt sich die Haut langsam und stetig zu regenerieren.

Aufnahme, Abbau und Ausscheidung

Der Wirkstoff Isotretinoin wird nach per oraler Aufnahme nur unvollständig aus dem Darm ins Blut aufgenommen (zu ungefähr 25 Prozent). Die Resorption kann durch die Einnahme mit einer fetthaltigen Mahlzeit verbessert werden.

Danach erfolgt der Abbau des Wirkstoffes in der Leber. Die Abbauprodukte werden etwa zu gleichen Teilen über den Urin und den Stuhl ausgeschieden.

Bei einer Anwendung auf der Haut beispielsweise in Form eines Gels gelangt nur eine geringe Menge des Wirkstoffes ins Blut. Die Wirkung ist praktisch lokal begrenzt, wodurch weniger Nebenwirkungen auftreten.

Wann wird Isotretinoin eingesetzt?

Zu den Anwendungsgebieten (Indikationen) von Isotretinoin gehören mittelschwere bis schwere Formen von Akne, die auf andere Therapiemassnahmen nur unzureichend angesprochen haben. Je nach Schweregrad der Erkrankung wird der Wirkstoff äusserlich oder innerlich angewendet. Vor allem bei erkennbarer Vernarbung wird unter Umständen schon frühzeitig auf Isotretinoin zurückgegriffen.

Isotretinoin kommt manchmal auch bei anderen Hauterkrankungen wie zum Beispiel Rosacaea (Kupferrose) zum Einsatz. Allerdings ist es für diese Art der Anwendung nicht zugelassen (off-label-use).

So wird Isotretinoin angewendet

Bei leichteren Formen der Akne versucht man es zuerst mit einer äusserlichen Anwendung in Form einer Isotretinoin-Creme oder eines Gels. Das Präparat wird üblicherweise ein- bis zweimal täglich dünn auf die betroffenen Hautstellen aufgetragen.

In schweren Krankheitsfällen wird Isotretinoin in Form von Weichkapseln geschluckt. Die Tagesdosis beträgt normalerweise 0,5 bis 1 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Ein 70 Kilogramm schwerer Patient würde also zwischen 35 und 70 Milligramm Isotretinoin täglich einnehmen.

Zur besseren Verträglichkeit sollte der Wirkstoff zusammen mit dem Essen eingenommen werden.

Welche Nebenwirkungen hat Isotretinoin?

Sehr häufig, das heisst bei mehr als zehn Prozent der Behandelten, ruft Isotretinoin Nebenwirkungen wie Haut- und Augentrockenheit, allergische Hautreaktionen und Rückenschmerzen hervor.

Sehr selten kann es durch die Einnahme zu Verhaltensauffälligkeiten, Sehstörungen, Verschlechterung des Hörvermögens, Atemwegserkrankungen und Magen-Darm-Beschwerden kommen. Auch Muskelschmerzen sind möglich. Isotretinoin erhöht ferner die Empfindlichkeit der Haut für Sonnenlicht und UV-Licht (Photosensibilisierung).

Achten Sie während der Therapie mit Isotretinoin auf ausreichenden UV-Schutz.

Was ist bei der Anwendung von Isotretinoin zu beachten?

Gegenanzeigen

In folgenden Fällen dürfen Medikamente mit Isotretinoin nicht angewendet werden:

  • Schwangerschaft und Stillzeit
  • Kombination mit Tetrazyklinen (Gruppe von Antibiotika)
  • Leberfunktionsstörungen
  • Überdosierung mit Vitamin A
  • stark erhöhte Blutfettwerte

Wechselwirkungen

Medikamente mit Isotretinoin dürfen nicht zusammen mit anderen Vitamin-A-Präparaten angewendet werden, da sonst die Gefahr einer Überdosierung besteht.

Die gemeinsame Einnahme mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR wie Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen) oder Ciclosporin (Immunsuppressivum) verstärkt die Wirkung und Nebenwirkungen von Isotretinoin.

Isotretinoin fördert die Toxizität (Giftigkeit) von Barbituraten (z.B. Phenobarbital) und Phenytoin (Antiepileptikum). In Kombination mit Methotrexat (u.a. bei Rheuma und Krebs) kann dessen leberschädigende Wirkung steigen.

Experten empfehlen, während der Behandlung mit Isotretinoin Alkohol zu meiden.

Verkehrstüchtigkeit und Bedienen von Maschinen

In seltenen Fällen kann es bei der Einnahme von Isotretinoin zu Nachtblindheit und Schläfrigkeit kommen. Insbesondere zu Beginn der Therapie sollten Sie deshalb auf die individuelle Reaktion auf den Wirkstoff achten, bevor Sie aktiv am Strassenverkehr teilnehmen oder schwere Maschinen bedienen.

Altersbeschränkungen

Der Wirkstoff Isotretinoin darf erst ab einem Alter von 12 Jahren angewendet werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Isotretinoin ist in der Schwangerschaft und Stillzeit absolut kontraindiziert und sollte spätestens vier Wochen vor einer geplanten Schwangerschaft abgesetzt werden. Der Grund:

Der Wirkstoff kann Ungeborenen grossen Schaden zufügen. Deshalb müssen Patientinnen während der Behandlung unbedingt mindestens eine sichere Verhütungsmethode anwenden.

Ausserdem wird Frauen im gebärfähigen Alter empfohlen, vor Behandlungsbeginn sowie während der Behandlung einmal pro Monat einen Schwangerschaftstest durchzuführen. Das Ergebnis muss vom behandelnden Arzt dokumentiert werden.

Zur Isotretinoin-Behandlung bei männlichen Patienten: In den Spermien ist praktisch kein Wirkstoff zu finden, weshalb eine schädigende Wirkung auf das Ungeborene bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr vermutlich auszuschliessen ist.

So erhalten Sie Medikamente mit Isotretinoin

Medikamente mit Isotretinoin sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz verschreibungspflichtig, weil die Behandlung regelmässige ärztliche Kontrollen erfordert. Sie erhalten sie deshalb nur mit einem Rezept vom Arzt in der Apotheke.

In Österreich sind - im Gegensatz zu Deutschland und der Schweiz - zurzeit (Stand: 02.07.2021) keine lokalen Zubereitungen (z.B. Creme, Gel) im Handel.

Seit wann ist Isotretinoin bekannt?

Der Wirkstoff Isotretinoin wurde im Jahr 1982 in den USA zum ersten Mal zugelassen. Bereits zu diesem Zeitpunkt war seine fruchtschädigende (teratogene) Wirkung bekannt.

Man geht davon aus, dass Isotretinoin noch stärker "teratogen" wirkt als Thalidomid. Dieser Wirkstoff wurde in den 1950er und 60er Jahren unter dem Markennamen "Contergan" als Schlaf- und Beruhigungsmittel eingesetzt, was schliesslich zum "Contergan-Skandal" führte:

Viele schwangere Frauen, die das Medikament eingenommen hatten, brachten Kinder mit starken Missbildungen zur Welt. Seitdem werden vor der Zulassung eines neuen Wirkstoffs Tests gefordert, welche die Auswirkungen einer Einnahme auf das Ungeborene überprüfen.

Was Sie noch über Isotretinoin wissen sollten

Die Behandlung mit Isotretinoin kann zunächst zu einer Verschlimmerung der Symptome der Akne führen (sogenanntes "Aufblühen" der Akne). Dies zeigt die Wirksamkeit des Medikaments an. Wird die Therapie mit Isotretinoin aber fortgesetzt, bessern sich die Symptome schnell.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Quellen:
  • Geisslinger, G. et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen - Pharmakologie, Klinische Pharmakologie, Toxikologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 11. Auflage, 2020.
  • Joos, L: Pharmakologie aktiv, Govi-Verlag, 1. Auflage, 2009.
  • Karow, T. et Lang-Roth, R.: Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie, Thomas Karow Verlag, 29. Auflage, 2021.
  • Lennecke, K. et al.: Selbstmedikation für die Kitteltasche, Deutscher Apotheker Verlag, 7. Auflage, 2021.
  • O’Donnell, James: Drug Injury – Liability, Analysis and Prevention, Lawyers and Judges Publishing Company Inc., 2. Auflage.
  • Pharmakovigilanz und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin: Isotretinoin, unter: www.embryotox.de (Abruf: 02.07.2021).
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