Haloperidol
Haloperidol ist ein stark wirksames Antipsychotikum (Neuroleptikum). Das Medikament wirkt zuverlässig gegen Psychosen wie Wahnvorstellungen und Realitätsverlust, kann jedoch auch schwere Nebenwirkungen wie Störungen der Bewegungsabläufe hervorrufen. Hier lesen Sie alles Wichtige zu Haloperidol: Wirkung, Anwendung, Neben- und Wechselwirkungen.
So wirkt Haloperidol
Haloperidol ist ein stark wirksames Antipsychotikum aus der Klasse der Butyrophenone. Es wirkt circa 50-mal stärker als die Vergleichssubstanz Chlorpromazin und ist Mittel der Wahl bei akuten Psychosen und psychomotorischen (durch psychische Vorgänge beeinflusstes Bewegungsverhalten) Erregungszuständen.
Im Gehirn kommunizieren die einzelnen Nervenzellen (Neuronen) untereinander über verschiedene Botenstoffe (Neurotransmitter). Eine Zelle schüttet einen Neurotransmitter aus, der an spezifische Andockstellen (Rezeptoren) anderer Zellen bindet und so eine Information übermittelt.
Um das Signal zu beenden, nimmt die erste (ausschüttende) Nervenzelle den Botenstoff wieder auf. Neurotransmitter lassen sich zumindest grob in zwei Gruppen einteilen: Die einen wirken eher antriebsfördernd, aktivierend und erregend wie zum Beispiel Noradrenalin.
Die anderen lösen dämpfende und beruhigende Effekte aus wie GABA oder beeinflussen die Stimmung wie Serotonin – ein „Glückshormon“. Das andere „Glückshormon“ ist Dopamin. Es führt bei einem Überschuss zu Psychosen, Schizophrenie, Wahnvorstellungen und Realitätsverlust.
In solchen Fällen kann Haloperidol verordnet werden. Es bindet gezielt an die Dopaminrezeptoren im Gehirn und blockiert diese, ohne jedoch ein Signal auszulösen. Dadurch werden „Dopamin-Signale“ nicht weitergeleitet, wodurch ein zu hoher Dopamin-Spiegel im Gehirn normalisiert werden kann.
Die Behandelten nehmen ihre Umwelt dann wieder realitätsnäher wahr und leiden nicht mehr an Wahnvorstellungen. Hochwirksame Antipsychotika wie Haloperidol haben zudem einen starken brechreizlindernden (antiemetischen) Effekt, der ebenfalls medizinisch genutzt wird.
Extrapyramidale Störungen als Nebenwirkung
Bei einem Mangel an Dopamin (wie er bei der Krankheit Parkinson auftritt) sind die Bewegungsabläufe des Körpers gestört. Die Blockade der Dopamin-Signale durch Haloperidol (oder andere klassische Antipsychotika) kann diesen Effekt ebenfalls hervorrufen.
Man bezeichnet diese Nebenwirkung auf das sogenannte extrapyramidal-motorische System auch als extrapyramidal(-motorisch)es Syndrom (EPS). Früher sah man diese Nebenwirkung sogar als Korrelat zur Wirksamkeit, was jedoch mit Entdeckung der atypischen Neuroleptika revidiert wurde.
Aufnahme, Abbau und Ausscheidung
Nach der Einnahme wird Haloperidol schnell und vollständig im Darm aufgenommen. Bevor der Wirkstoff in den grossen Blutkreislauf gelangt, wird bereits etwa ein Drittel in der Leber abgebaut (sogenannter „first-pass-effect“).
Die höchsten Blutspiegel werden zwei bis sechs Stunden nach der Einnahme gemessen. In der Leber wird Haloperidol über das Cytochrom-P450-Enzymsystem abgebaut.
Nach etwa 15 bis 37 Stunden ist die Hälfte des Wirkstoffs und seiner Abbauprodukte ausgeschieden – zu etwa zwei Dritteln mit dem Stuhl und zu einem Drittel mit dem Urin.
Wann wird Haloperidol eingesetzt?
Haloperidol ist zugelassen zur Behandlung von:
- Akuter und chronischer Schizophrenie
- Akuter Manie
- Akutes Delirium (Bewusstseinstrübung)
- Akute psychomotorische Erregungszustände
- Aggression und psychotische Symptome bei Demenz
- Tic-Erkrankungen einschliesslich dem Tourette-Syndrom (hier gilt Haloperidol aber nur als Mittel der letzten Wahl)
- Leichte bis mittelschwere Chorea Huntington (seltene vererbte Erkrankung des zentralen Nervensystems)
- Aggression bei Kindern mit Autismus oder Entwicklungsstörungen nach Versagen anderer Massnahmen
- Postoperative Übelkeit und Erbrechen
Im Prinzip kann Haloperidol über längere Zeit eingenommen werden. Der Nutzen der Therapie sollte jedoch regelmässig überprüft werden, da mit der Dauer der Therapie auch das Risiko für Nebenwirkungen steigt.
So wird Haloperidol angewendet
Haloperidol wird meist als Tablette verabreicht, wenn die Therapie nicht stationär in einer Klinik erfolgt. Zur Eigenanwendung stehen auch Haloperidol-Tropfen und Lösung zum Einnahmen („Saft“) zur Verfügung.
Die Therapie wird üblicherweise niedrigdosiert begonnen (ein bis zehn Milligramm Haloperidol pro Tag, verteilt auf bis zu drei Dosen) und langsam gesteigert. So kann die niedrigste wirksame Dosis individuell ermittelt werden.
Dieses Vorgehen nennt man auch „Einschleichen“ der Dosierung. Die gängige Tageshöchstdosis liegt bei 30 Milligramm Haloperidol. In sehr schweren Ausnahmefällen können unter ärztlicher Aufsicht auch Tagesgesamtdosen bis zu einhundert Milligramm Haloperidol verabreicht werden.
Die Einnahme erfolgt in ein bis drei Dosen mit einem Glas Wasser vorzugsweise zu den Mahlzeiten.
Zum Beenden der Therapie muss diese „ausgeschlichen“ werden. Die Dosierung wird also langsam und schrittweise verringert, damit es nicht zu verstärkten Nebenwirkungen kommt.
Welche Nebenwirkungen hat Haloperidol?
Bei einer niedrigen Dosierung (bis zu zwei Milligramm pro Tag) treten Nebenwirkungen nur selten auf und sind meist vorübergehender Natur.
Über zehn Prozent der Behandelten entwickeln Haloperidol-Nebenwirkungen wie Bewegungsunruhe, Bewegungsdrang, unwillkürliche Bewegungen (extrapyramidale Störungen), Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen.
Ausserdem zeigt einer von zehn bis hundert Behandelten Nebenwirkungen wie psychotische Störungen, Depressionen, Zittern, Maskengesicht, Bluthochdruck, Schläfrigkeit, Bewegungsverlangsamung und -störungen, Schwindel, Sehstörungen und niedrigen Blutdruck (besonders beim Aufstehen aus liegender und sitzender Position).
Auch Verstopfung, Mundtrockenheit, vermehrter Speichelfluss, Übelkeit, Erbrechen, abweichende Leberfunktionswerte, Hautausschläge, Gewichtszunahme oder -abnahme, Harnverhalt und Potenzstörungen wurden beobachtet.
Was ist bei der Einnahme von Haloperidol zu beachten?
Gegenanzeigen
Haloperidol darf nicht angewendet werden bei:
- komatösen Zuständen
- Depression des zentralen Nervensystems
- Morbus Parkinson
- Lewy-Körper-Demenz (Sonderform der Demenz)
- angeborener oder erworbener Verlängerung des QT-Intervalls
- schwerer Herzinsuffizienz
- kürzlich zurückliegendem Herzinfarkt
- Kaliummangel
- bestimmten Formen von Herzrhythmusstörungen
Wechselwirkungen
Wirkstoffe, die den Herzrhythmus beeinflussen (genauer gesagt die QT-Zeit verlängern), können zu schweren Herzrhythmusstörungen und Herzstillstand führen, wenn sie gleichzeitig mit Haloperidol eingenommen werden.
Dazu gehören beispielsweise bestimmte Mittel gegen Herzrhythmusstörungen (Chinidin, Procainamid), Antibiotika (Erythromycin, Clarithromycin), Allergie-Mittel (Astemizol, Diphenhydramin) und Antidepressiva (Fluoxetin, Citalopram, Amitriptylin).
Viele Wirkstoffe, werden in der Leber über die gleichen Enzyme (Cytochrom P450 3A4 und 2D6) abgebaut wie Haloperidol. Bei gleichzeitiger Gabe kann es dadurch zu einem schnelleren oder langsameren Abbau eines oder mehrerer der verabreichten Wirkstoffe kommen und eventuell auch zu stärkeren Nebenwirkungen.
Dies gilt beispielsweise für bestimmte Mittel gegen Pilzinfektionen (Ketoconazol, Itraconazol), Mittel gegen Epilepsie und Krampfanfälle (Carbamazepin, Phenytoin), Psychopharmaka (Alprazolam, Buspiron, Chlorpromazin) und besonders Mittel gegen Depressionen (Venlafaxin, Fluoxetin, Sertralin, Amitriptylin, Imipramin).
Haloperidol kann auch mit Gerinnungshemmern wechselwirken, weshalb die Gerinnungsfähigkeit bei kombinierter Behandlung engmaschig überwacht werden sollte.
Sagen Sie aufgrund der vielfältigen Wechselwirkungsmöglichkeiten ihrem Arzt oder Apotheker vor Verschreibung oder Kauf eines neuen Medikaments Bescheid, dass Sie Haloperidol einnehmen.
Altersbeschränkung
Geeignete Zubereitungen von Haloperidol können bereits bei Kindern ab dem dritten Lebensjahr verabreicht werden. Tabletten sind ab dem sechsten Lebensjahr zugelassen. Die Dosierung richtet sich nach dem Körpergewicht.
Bei älteren Patienten und solchen mit Leberfunktionsstörungen kann eine Dosisreduktion von Haloperidol notwendig sein.
Schwangerschaft und Stillzeit
Während der Schwangerschaft sollte die Einnahme von Haloperidol nur in Ausnahmefällen erfolgen. Studien haben zwar keine direkt schädigende Wirkung auf das Kind gezeigt, allerdings kann die Einnahme kurz vor der Geburt zu Anpassungsstörungen beim Neugeborenen führen.
Stillen ist bei niedrigen Dosen (Dosierung unter 5 Milligramm pro Tag) und guter Beobachtung des Kindes akzeptabel. Sollten dennoch nicht erklärbare Symptome wie Bewegungsstörungen, Müdigkeit, Trinkschwäche oder Unruhe beim Kind auffallen, empfiehlt es sich mit dem verordnenden Arzt darüber zu sprechen.
So erhalten Sie Medikamente mit Haloperidol
Haloperidol ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz in jeder Dosierung und Menge rezeptpflichtig und nur in Apotheken erhältlich
Seit wann ist Haloperidol bekannt?
Das Antipsychotikum Haloperidol wurde vom Arzt und Chemiker Paul Janssen entdeckt und 1958 für klinische Studien angemeldet. Es wurde erstmals 1959 in Belgien zugelassen, später in ganz Europa.
In den USA wurde lange Zeit noch das etwa zeitgleich entdeckte Antipsychotikum Perphenazin verwendet, bevor sich der Wirkstoff Haloperidol durchsetzen konnte.
Autoren- & Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
- Aktories, K. et al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 12. Auflage, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017.
- Gerlach, M. et al. Neuro-/Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter: Grundlagen und Therapie, Springer Verlag GmbH, Berlin-Heidelberg, 3. Auflage, 2016.
- Gründer, G. et Benkert, O.: Handbuch der Psychopharmakotherapie, Springer Verlag GmbH, Berlin-Heidelberg, 2. Auflage, 2012.
- Pharmakovigilanz und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin: Haloperidol , unter: www.embryotox.de (Abruf: 24.09.2021).