Gefälschte Medikamente erkennen

Von Fabian Seyfried
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Gefälschte Medikamente schädigen die Wirtschaft genauso wie nachgemachte Markenuhren oder Designerhandtaschen. Doch herkömmliche Produktpiraterie ist für die Kunden selten lebensbedrohlich - Arzneimittelfälschung schon.

Medikamente; gefälscht; Arzneimittel; Pillen

Gefährliche Kopien

Imitate von Tabletten und Kapseln können alles Mögliche enthalten: Es kann zu viel, zu wenig oder überhaupt kein Wirkstoff enthalten sein. Im schlimmsten Fall stecken in den Medikamentenkopien giftige Inhaltsstoffe, die krank machen und nicht heilen.

Die Auswirkungen können dramatisch sein: Eine unterdosierte Verhütungspille führt womöglich zu einer Schwangerschaft, das zu starke Potenzmittel zu Herzrhythmusstörungen und das wirkstofflose Krebsmedikament zum frühen Tod. Wie unbesorgt Kriminelle das Leben von Patienten aufs Spiel setzen, zeigt ein Beispiel aus China von 2009: Dort wurden gefälschte Diabetes-Medikamente verkauft, welche die sechsfache Dosis eines blutdrucksenkenden Wirkstoffs enthielten. Zwei Menschen starben, neun weitere mussten sich im Krankenhaus behandeln lassen.

Welche Fälschungen gibt es?

Bei einem nachgemachten Medikament sprechen Experten von einer Totalfälschung. Daneben gibt es aber noch andere Arten von Betrügereien, die nicht minder gefährlich sind:

  • Es kann das richtige Arzneimittel in einer falschen Verpackung stecken (oder umgekehrt). Beispielweise können sich Medikamente gegen Bluthochdruck in einer Packung für Cholesterinsenker befinden.
  • Beipackzettel können fehlen, unvollständig oder in einer fremden Sprache abgefasst sein.
  • Es können beispielsweise weniger Tabletten enthalten sein als im Originalpräparat.
  • Die Wirkstoffmenge kann im Vergleich zum Präparateaufdruck abweichen (z.B. nur 20-mg-Tabletten in einer 50-mg-Packung.)

Gefälscht werdebn zum Beispiel Lifestylepräparate wie Potenz- und Haarwuchsmittel, Antibiotika, Schmerzmittel, Wachstumshormone, Mittel gegen Krebs, Bluthochdruck oder erhöhte Cholesterinspiegel sowie Schlafmittel. Die Fälscher beschränken sich nicht auf patentgeschützte Arzneimittel - auch Generika gelangen aus ihren illegalen Produktionsstätten auf den Markt. In der Regel werden die falschen Präparate im Internet angeboten - von unseriösen Anbietern und unter Umgehung der Rezeptpflicht.

Lukrativer als Drogenhandel

Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO gehen davon aus, dass in den Industrienationen (Europäische Union, USA, Australien, Kanada, Japan etc.) weniger als ein Prozent der Arzneimittel gefälscht sind. Ganz anders in weniger industrialisierten Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika: Hier liegt der Anteil der gefälschten Arzneimittel schätzungsweise zwischen 10 und 30 Prozent.

Das Fälschen von Medikamenten ist äusserst lukrativ. So bringt ein Kilogramm an gefälschten blauen Potenzpillen auf dem Schwarzmarkt durchschnittlich 90.000 Euro. Zum Vergleich: Ein Kilogramm Kokain kostet etwa 65.000 Euro, Heroin 50.000 Euro und Marihuana 8.000 Euro. Kein Wunder, dass kriminelle Banden sich auf den Arzneimittelmarkt stürzen. Im Jahr 2007 verzeichneten die europäischen Zollbehörden einen 51-prozentigen Anstieg der Importe gefälschter Medikamente im Vergleich zum Vorjahr. Weltweit erwirtschaften Arzneimittelfälscher jährlich mehr als 32 Milliarden US-Dollar, schätzt die WHO.

Katz und Maus

Regierungen, und vor allem die Pharmaunternehmen, haben ein Interesse, den Handel mit falschen Medikamenten einzudämmen. Die WHO richtete eine eigene Arbeitsgruppe ein, die International Medical Products Anti-Counterfeiting Taskforce (IMPACT). Behörden verhängen inzwischen empfindliche Strafen - auch für Personen, die die Fälschungen bestellt haben, ob wissentlich oder nicht.

Die Pharmafirmen entwerfen ihrerseits neue Sicherheitsmerkmale für ihre Produkte: Hologramme, Wasserzeichen, farbwechselnde Tinten, Mikrozeichen, fluoreszierende Pigmente, Mikrofasern oder DNA-Etiketten sollen die Verpackungen fälschungssicher machen - mit bescheidenem Erfolg. Bislang gelang es den Fälschern immer, die technischen Hürden zu überwinden. In einem Fall entdeckte der Zoll Sicherheitsmerkmale an einer Fälschung, die das Originalprodukt überhaupt noch nicht hatte.

Wie sich Patienten schützen können

Patienten selbst haben praktisch keine Chance, ein gut gemachtes Imitat zu erkennen, folgert die Weltgesundheitsorganisation. Selbst ausgewiesene Experten könnten das nicht zuverlässig.

Auf einige Merkmale sollten Verbraucher dennoch achten:

  • Die Verpackung sollte eine Seriennummer (eventuell als maschinenlesbarer Strichcode) und ein Verfallsdatum aufweisen.
  • In keinem Fall sollten Sie lose verpackte Medikamente oder Blister ohne Umverpackungen verwenden.
  • Ein ausführlicher Beipackzettel sollte vorhanden sein, er sollte nicht wie eine Kopie aussehen.

Besondere Vorsicht ist angebracht, wenn Sie Arzneimittel übers Internet bestellen.  Nach einer Stichprobe der WHO sind mehr als die Hälfte der Produkte, die über ungeprüfte Internetapotheken verschickt werden, Fälschungen. In Deutschland führt das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI*) eine Liste, in der alle zugelassenen Versandapotheken aufgeführt sind.

Apotheken im EU-Ausland, in Island, Norwegen und Liechtenstein sollten von den örtlichen Aufsichtsbehörden geprüft sein, eine ausführliche Beratung anbieten und keine verschreibungspflichtigen Medikamente ohne Rezept verkaufen. Die Einfuhr von Arzneimitteln aus Nicht-EU-Ländern ist nur in Ausnahmefällen erlaubt.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Quellen:
  • Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA): Arzneimittelfälschungen lukrativer als Kokain. Pressemitteilung, 05.06.2008
  • Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): www.dimdi.de (Abruf: 15.05.2014)
  • Korzilius, H.: Arzneimittelfälschungen: Globale Lösung für ein globales Problem, Deutsches Ärzteblatt 2006; 103: A-3235
  • Verband forschender Arzneimittelhersteller e.V.: VFA-Positionspapier "Arzneimittelfälschungen". Januar 2009
  • Weltgesundheitsorganisation (WHO): www.who.int (Abruf: 14.05.2014)
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