Folsäure

Von , Apotheker, Arzt
Benjamin Clanner-Engelshofen

Benjamin Clanner-Engelshofen ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Er studierte Biochemie und Pharmazie in München und Cambridge/Boston (USA) und merkte dabei früh, dass ihm die Schnittstelle zwischen Medizin und Naturwissenschaft besonders viel Spaß macht. Deshalb schloss er noch ein Studium der Humanmedizin an.

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Folsäure ist ein B-Vitamin, das an vielen wichtigen Stoffwechselvorgängen im Körper beteiligt ist. Es findet sich in hoher Konzentration in grünen Pflanzen wie Spinat und Kohl. Das Vitamin ist empfindlich gegenüber äusseren Einflüssen wie Hitze, Licht und Sauerstoff. Lesen Sie hier mehr über die Folsäure-Wirkung, mögliche Nebenwirkungen und die Einnahme von Folsäure bei Kinderwunsch.

So wirkt Folsäure

Folsäure, früher auch Vitamin B9 genannt, ist ein lebenswichtiges Vitamin. Streng genommen muss zwischen Folat im Allgemeinen und der Folsäure als Einzelsubstanz unterschieden werden. Als Folat werden sämtliche vom Körper als Vitamin verwendbare, also zum Vitamin B9 umwandelbare Stoffe bezeichnet.

Hierzu zählt auch die Folsäure selbst, die erst im Körper in das bioaktive Methyltetrahydrofolat beziehungsweise Methylfolat umgewandelt wird. Es handelt sich dabei um einen essenziellen Stoff, das heisst der Mensch muss es mit der Nahrung aufnehmen – entweder das Vitamin selbst oder einen Vorläufer, ein sogenanntes Provitamin.

Folat spielt als wasserlösliches Vitamin eine wichtige Rolle für alle Wachstumsprozesse, die im menschlichen Körper ablaufen, vor allem für die Zellteilung und Vervielfältigung des Erbguts - es ist an der Neubildung von Bausteinen für die Erbsubstanz Desoxyribonukleinsäure (DNA) beteiligt. Ausserdem wird das Vitamin für den Aminosäurestoffwechsel (Aminosäuren = Bausteine der Eiweisse) benötigt.

Eine weitere Funktion der Folsäure ist die Reduktion von Homocystein zu Methionin. Homocystein wird zurzeit intensiv beforscht und mit einer Reihe von Zivilisations-Erkrankungen wie Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems in Verbindung gebracht.

Wann wird Folsäure angewendet?

Folsäure wird verwendet zur:

  • Behandlung eines Folsäure-Mangels (z.B. im Rahmen einer Blutarmut = Anämie)
  • Vorbeugung von Neuralrohrdefekten beim ungeborenen Kind (wie "offener Rücken")
  • Verringerung von Nebenwirkungen einer Methotrexat-Therapie (MTX-Therapie, etwa bei Krebs)
  • Vorbeugung eines Folsäuremangels

Vor allem im Knochenmark läuft die Zellteilung auf Hochtouren, da hier ein Grossteil der Blutkörperchen gebildet wird - diese werden ständig erneuert. Ein Folsäure-Mangel wirkt sich daher primär auf das Blutbild aus: Hat der Körper, der das Vitamin nur in sehr geringen Mengen speichern kann, seinen Vorrat aufgebraucht, entwickelt sich eine Anämie (Blutarmut).

Folsäure-Mangel hat nach aktuellen Studien auch einen Einfluss auf die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der sogenannte Homocystein-Spiegel im Blut kann mit Hilfe einer Vitamin B12-Folsäure-Kombination gesenkt werden, was sich positiv auf die Vermeidung von Arterienverkalkung (Arteriosklerose) auswirkt.

Werdenden Müttern wird aufgrund des erhöhten Folsäure-Bedarfs in der Schwangerschaft oft eine Substitution mit Folsäure-Tabletten angeraten. Es wird sogar schon die Einnahme von Folsäure vor der Schwangerschaft empfohlen. So ist mit Eintritt der Schwangerschaft ein ausreichender Vitamin-Spiegel im Körper gewährleistet.

Das ist sehr wichtig, denn der Mangel an Folsäure in der Schwangerschaft kann beim Ungeborenen zu einem sogenannten Neuralrohrdefekt führen. Der Begriff umfasst embryonale Fehlbildungen des Zentralnervensystems wie etwa "offener Rücken" (Spina bifida) und Anenzephalie (Minder-/Nichtentwicklung des Gehirns).

Der Folsäure-Mangel steht auch im Verdacht, Frühgeburten zu begünstigen und an der Entstehung von Herzfehlern beteiligt zu sein. Daher wird Frauen die Einnahme von Folsäure bei Kinderwunsch dringend empfohlen.

So wird Folsäure angewendet

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Jugendlichen und Erwachsenen eine tägliche Aufnahme von 300 Mikrogramm Folsäure-Äquivalent (= 1 µg Nahrungsfolsäure bzw. 0,5 µg synthetisches Folat auf nüchternen Magen). Unbedenklich sind Mengen bis etwa 1.000 Mikrogramm synthetisches Folat, da überschüssige Mengen des wasserlöslichen Vitamins über die Nieren wieder ausgeschieden werden können.

Bei einer höheren Dosierung lassen sich jedoch Schäden am Nervensystem durch Verschleierung eines Vitamin B12-Mangels nicht ausschliessen. Deshalb wird beispielsweise vor der Behandlung einer Blutarmut nicht nur der Folsäure, sondern immer auch der Vitamin B12-Status erhoben.

Menschen, die grosse Mengen Alkohol konsumieren, haben einen erhöhten Bedarf an Folsäure.

Folsäure & Schwangerschaft

Bei Frauen mit Kinderwunsch, Schwangeren und stillenden Müttern liegt die empfohlene Aufnahmemenge höher. Schwangere nehmen täglich idealerweise 550 Mikrogramm Folsäure-Äquivalente zu sich, Stillende 450 µg.

Frauen, die schwanger werden wollen, und Schwangeren im ersten Trimenon empfehlen Experten überdies, neben einer folatreichen Ernährung zusätzlich ein 400 µg-Folsäurepräparat (synth. Folat) einzunehmen - als Vorbeugung vor Neuralrohrdefekten beim Kind (siehe oben).

Die Einnahme entsprechender Vitaminpräparate sollte bereits vier Wochen vor der Schwangerschaft begonnen und über das erste Schwangerschaftsdrittel fortgesetzt werden. Da der Schwangerschaftseintritt kaum vorherzusagen ist, gilt die Empfehlung grundsätzlich für alle Frauen mit Kinderwunsch.

Welche Nebenwirkungen hat Folsäure?

Generell treten Folsäure-Nebenwirkungen sehr selten auf. Sie sind in der Regel nur nach zu hoher Dosierung eines Folsäure-Präparats zu beobachten. So kann ein Zuviel von dem Vitamin zu Erregungszuständen, Übelkeit und Störungen des Magen-Darm-Traktes führen. Auch von Geschmacksstörungen und Appetitlosigkeit wurde berichtet.

Bei einer längeren Folsäure-Überdosierung über einen längeren Zeitraum können Depressionen, Albträume und epileptische Anfälle die Folgen sein.

Was Sie bei der Einnahme von Folsäure beachten sollten

Wechselwirkungen

Bestimmte Medikamente sollten nicht zusammen mit Folsäure-Tabletten angewendet werden. Dazu gehören beispielsweise bestimmte Mittel gegen Infektionen oder Malaria (wie Trimethoprim, Proguanil und Pyrimethamin) sowie manche Krebs-Medikamente wie Methotrexat und Fluorouracil.

Die gleichzeitige Einnahme von Chloramphenicol (Antibiotikum) oder oraler Verhütungsmittel ("Pille") können einen Folsäure-Mangel verstärken.

Ihr Arzt oder Apotheker kann Sie genauer über mögliche Wechselwirkungen zwischen einem Vitamin-Präparat und anderen Medikamenten informieren.

Was Sie ausserdem über Folsäure wissen sollten

Eine ausreichende Zufuhr des Vitamins über die Nahrung ist in jedem Lebensalter wichtig. So empfehlen Experten als hervorragende natürliche Quelle für Folsäure Lebensmittel wie Kohlsorten (z-B. Brokkoli, Rosenkohl, Blumenkohl), Spinat, Spargel und Sommersalate.

Weitere Lebensmittel mit Folsäure in grösseren Mengen sind Tomaten, Orangen, Vollkornbackwaren, Weizenkeime, Sojabohnen, Kartoffeln, Eier, einige Käsesorten und Leber. Während einer Schwangerschaft sollten Frauen allerdings auf Leber verzichten, da dieses Lebensmittel sehr viel Vitamin A enthält, was dem Ungeborenen schaden kann.

Folsäure ist hitzeempfindlich. Folsäure-haltige Lebensmittel daher nur kurz kochen beziehungsweise blanchieren.

Ein grosser Prozentsatz der Deutschen nimmt trotz Aufklärung nicht genug von dem Vitamin mit der täglichen Ernährung auf – es kommt zu einem Mangel. Über eine verpflichtende Beimengung von Folsäure in Lebensmitteln (so wie Jodid in Kochsalz) streiten sich aber die Experten in Deutschland.

Bis jetzt hat sich eine Pflichtbeimengung nicht durchsetzen können, da bereits genug entsprechend vitaminisierte Produkte zur Verfügung stehen. Darüber hinaus informieren Frauenärzte Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch über die Wichtigkeit einer ausreichenden Zufuhr von Folsäure, sodass auch hier kein Defizit zu erwarten sein dürfte.

Dennoch schneidet Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern schlecht ab, wenn es um die Häufigkeit der gefürchteten Neuralrohrdefekte geht. Aus diesem Grund fordern Kinderärzte und Gesundheitspolitiker nach wie vor eine verpflichtende Beimengung von Folsäure in Lebensmitteln.

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Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Benjamin Clanner-Engelshofen
Benjamin Clanner-Engelshofen

Benjamin Clanner-Engelshofen ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Er studierte Biochemie und Pharmazie in München und Cambridge/Boston (USA) und merkte dabei früh, dass ihm die Schnittstelle zwischen Medizin und Naturwissenschaft besonders viel Spaß macht. Deshalb schloss er noch ein Studium der Humanmedizin an.

Quellen:
  • Aktories, K. et al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 11. Auflage, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2013.
  • Biesalski, H. K.: Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2. Aufl., 2019.
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): "Ausgewählte Fragen und Antworten zu Folat" (Stand: Dezember 2018), unter: www.dge.de
  • Geisslinger, G. et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen - Pharmakologie, Klinische Pharmakologie, Toxikologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 11. Auflage, 2020.
  • Hoffbrand, A. V., et Weir, D. G. (2001). The history of folic acid. British journal of haematology, 113(3), 579–589.
  • Ionescu-Ittu, R. et al. (2009). Prevalence of severe congenital heart disease after folic acid fortification of grain products: time trend analysis in Quebec, Canada. BMJ (Clinical research ed.), 338, b1673.
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