Flecainid

Von , Apotheker, Arzt
Benjamin Clanner-Engelshofen

Benjamin Clanner-Engelshofen ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Er studierte Biochemie und Pharmazie in München und Cambridge/Boston (USA) und merkte dabei früh, dass ihm die Schnittstelle zwischen Medizin und Naturwissenschaft besonders viel Spaß macht. Deshalb schloss er noch ein Studium der Humanmedizin an.

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Flecainid gehört zur Gruppe der Antiarrhythmika – Wirkstoffe zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen. Wie alle anderen Antiarrhythmika kann Flecainid als Nebenwirkung auch selbst Rhythmusstörungen auslösen. Das gilt besonders bei zu hoher Dosierung sowie in Kombination mit anderen Arzneimitteln. Hier lesen Sie alles Wichtige zu Wirkung und Anwendung von Flecainid, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen.

So wirkt Flecainid

Flecainid ist ein sogenanntes Klasse Ic Antiarrhythmikum. Als solches blockiert es Natriumkanäle in der membran von Herzmuskelzellen. Dadurch verlängert es das Aktionspotenzial (elektrische Erregung) der Zelle und verhindert zu frühe Nacherregungen.

Jede Herzhälfte besteht aus einem Vorhof (Atrium) und einer Kammer (Ventrikel), die über einen Ventilmechanismus das Blut pumpen. Der Herzrhythmus wird direkt im Herzen generiert, genauer gesagt im sogenannten Sinusknoten im rechten Vorhof. Dort sitzen bestimmte Zellen – Schrittmacherzellen genannt – welche die Pumpgeschwindigkeit des Herzens takten und zuerst die beiden Vorhöfe, dann die beiden Kammern kontrahieren lassen.

Eine Herzrhythmusstörung kann entweder nur den Vorhof, nur die Kammer oder auch beide Teile betreffen. Es gibt verschiedene Arten von Rhythmusstörungen. Im Falle eines zu schnellen Herzschlages (Tachykardie) kontrahiert sich das Herz so schnell, dass es nicht mehr effektiv Blut pumpen kann. Der Impuls für die Tachykardie kann dabei entweder über der Kammer, also im Vorhof (supraventrikuläre Tachykardie) oder in der Herzkammer entstehen (ventrikuläre Tachykardie). Bei so einer Rhythmusstörung hilft Flecainid:

Es senkt die Leitungsgeschwindigkeit der reizleitenden Bahnen vom Sinusknoten aus den Vorhöfen in die Kammer. Der zu schnelle Herzschlag verlangsamt sich.

Aufnahme, Abbau und Ausscheidung

Nach der Einnahme wird Flecainid schnell über den Darm ins Blut aufgenommen. Es erreicht dort etwa drei Stunden nach der Einnahme die höchste Konzentration. Nach seinem Abbau in der Leber wird der Wirkstoff über die Nieren mit dem Harn ausgeschieden. Die Hälfte des eingenommenen Wirkstoffs hat den Körper nach etwa zwanzig Stunden wieder verlassen (Halbwertszeit).

Wann wird Flecainid eingesetzt?

Anwendungsgebiete (Indikationen) des Antiarrhythmikums Flecainid sind:

  • Vorbeugung und Behandlung von Herzrhythmusstörungen mit zu schnellem Herzschlag , die über der Herzkammer entstehen (supraventrikuläre Tachykardie)
  • Vorbeugung und Behandlung von Herzrhythmusstörungen mit zu schnellem Herzschlag, die in der Kammer entstehen (ventrikuläre Tachykardie) und lebensbedrohlich sind, wenn andere Therapieformen nicht zum Erfolg führen

So wird Flecainid angewendet

Flecainid wird in der Regel als Tablette mit ausreichend Wasser eingenommen. Übliche Dosierungen betragen zweimal täglich 50 bis 100 Milligramm Flecainid. Die Dosierung kann vom Arzt bei höherem Körpergewicht des Patienten oder in besonderen Fällen auf bis zu 400 Milligramm pro Tag gesteigert werden.

Üblicherweise wird die Behandlung "einschleichend" begonnen, also mit niedrigeren Dosierungen, die langsam gesteigert werden. So wird der Wirkstoff besser vertragen, und das Risiko für Nebenwirkungen sinkt.

Für den intensivmedizinischen Bereich steht Flecainid darüber hinaus für die Injektion in eine Vene (intravenöse Gabe) zur Verfügung.

Welche Nebenwirkungen hat Flecainid?

Während der Behandlung mit Flecainid kommt es sehr häufig zu Schwindel, Gleichgewichtsstörungen und Sehstörungen.

Bei etwa einem von zehn bis hundert Behandelten zeigen sich Nebenwirkungen wie Depressionen, Angstzustände, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Missempfindungen (wie Kribbeln), Störungen der Bewegungskoordination, Hautrötung und -ausschlag, Schwitzen, Zittern, Ohrensausen, Herzrhythmusstörungen, Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung, Schwächegefühl, Müdigkeit und Wassereinlagerungen.

Viele der anfänglich auftretenden Nebenwirkungen klingen im weiteren Verlauf der Behandlung von selbst oder nach Reduzierung der Dosis ab.

Was ist bei der Einnahme von Flecainid zu beachten?

Gegenanzeigen

Flecainid darf nicht eingesetzt werden bei:

  • Herzschwäche (Herzinsuffizienz) mit einer linksventrikulären Auswurfleistung kleiner als 35 Prozent
  • schwerer struktureller Herzerkrankung
  • bestimmten Erregungsbildungs- oder Erregungsleitungsstörungen am Herzen (wie AV-Block Grad II oder III)
  • permanentem Vorhofflimmern
  • vorbekanntem Brugada-Syndrom (seltene vererbte Herzrhythmusstörung)

Wechselwirkungen

Besonders bei der Kombination mit anderen Wirkstoffen gegen Herzrhythmusstörungen kann Flecainid verstärkt zu Nebenwirkungen am Herzen führen sowie selbst Rhythmusstörungen verursachen.

Bei der Einnahme anderer auf das Herz wirkender Substanzen ist ebenfalls Vorsicht geboten. Dazu zählen zum Beispiel Calciumkanalblocker (wie Verapamil), Betablocker (wie Metoprolol, Bisoprolol) und Herzglykoside (Digoxin, Digitoxin). Bei gleichzeitiger Einnahme wird der Arzt eventuell die Dosis von Flecainid verringern und regelmässige EKG-Kontrollen durchführen.

Wird Flecainid mit Arzneistoffen kombiniert, die über die gleichen Leberenzyme (Cytochrom P450 2D6) abgebaut werden, kann Flecainid verlangsamt abgebaut werden und sich im Körper anreichern. Beispiele für solche Arzneistoffe sind: verschiedene Mittel gegen Depressionen (Fluoxetin, Paroxetin, Moclobemid, Bupropion), das Anti-Pilzmittel Terbinafin, Clozapin (Mittel gegen Schizophrenie und Psychose), die HIV-Medikamente Ritonavir und Lopinavir sowie Wirkstoffe der China-Rinde (Chinin, Chinidin). Letztere werden gegen Malaria, Wadenkrämpfe und Herzrhythmusstörungen angewendet, kommen aber auch in Getränken vor (wie Tonic Water).

Andere Arzneistoffe wie Mittel gegen Epilepsie und Krampfleiden (Phenytoin, Phenobarbital, Carbamazepin) können zu einer gesteigerten Abbaurate von Flecainid führen und so dessen Wirkung verringern.

Geben Sie aufgrund der vielfältigen möglichen Wechselwirkungen Ihrem Arzt und Apotheker Bescheid, dass Sie Flecainid einnehmen.

Altersbeschränkung

Flecainid-haltige Tabletten können bei Kindern ab zwölf Jahren angewendet werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Zur Anwendung während der Schwangerschaft gibt es keine ausreichende Erfahrung, im Tierversuch wurde jedoch eine fortpflanzungsschädigende Wirkung entdeckt. Auch in der Stillzeit ist die Datenlage sehr begrenzt. Eine Anwendung scheint akzeptabel zu sein.

Generell wird die Entscheidung über eine antiarrhythmische Therapie mit Flecainid in der Schwangerschaft und Stillzeit zusammen mit einem erfahrenen Rhythmologen getroffen.

So erhalten Sie Medikamente mit Flecainid

Flecainid ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz in jeder Dosierung verschreibungspflichtig. Es ist also nur nach Vorlage eines ärztlichen Rezepts in der Apotheke erhältlich.

Seit wann ist Flecainid bekannt?

Flecainid wurde in den 1970er Jahren entdeckt und in Europa erstmals im Jahr 1982 zugelassen. Der Patentschutz lief im Jahr 2004 aus. Seitdem wurden zahlreiche Generika mit dem Wirkstoff Flecainid entwickelt.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Benjamin Clanner-Engelshofen
Benjamin Clanner-Engelshofen

Benjamin Clanner-Engelshofen ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Er studierte Biochemie und Pharmazie in München und Cambridge/Boston (USA) und merkte dabei früh, dass ihm die Schnittstelle zwischen Medizin und Naturwissenschaft besonders viel Spaß macht. Deshalb schloss er noch ein Studium der Humanmedizin an.

Quellen:
  • Aktories, K. et al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 11. Auflage, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2013.
  • Aliot, E. et al.: Twenty-five years in the making: flecainide is safe and effective for the management of atrial fibrillation, in: Europace (2011), Ausgabe 13, Seite 161.
  • Pharmakovigilanz und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin: Flecainid, unter: www.embryotox.de (Abruf: 30.10.2021).
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