Cromoglicinsäure

Von , Apotheker, Arzt
Benjamin Clanner-Engelshofen

Benjamin Clanner-Engelshofen ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Er studierte Biochemie und Pharmazie in München und Cambridge/Boston (USA) und merkte dabei früh, dass ihm die Schnittstelle zwischen Medizin und Naturwissenschaft besonders viel Spaß macht. Deshalb schloss er noch ein Studium der Humanmedizin an.

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Der Wirkstoff Cromoglicinsäure gehört zu den sogenannten Mastzellstabilisatoren und wird gegen allergische Beschwerden eingesetzt. Im Gegensatz zu anderen Antiallergika hilft Cromoglicinsäure aber nicht im Akutfall, sondern nur vorbeugend gegen allergische Reaktionen. Es wird also eingenommen, wenn man im Vorfeld weiss, dass man mit einem Allergen in Kontakt kommt wie etwa bei Heuschnupfen. Hier lesen Sie alles Wissenswerte zu Cromoglicinsäure: Wirkung, Anwendung sowie Neben- und Wechselwirkungen.

So wirkt Cromoglicinsäure

Allergische Reaktionen sind überschiessende Abwehrreaktionen des Immunsystems auf eigentlich harmlose Reize (Allergene) wie etwa Pollen, Hausstaubmilben, bestimmte Nahrungsmittel oder Haustiere. Dabei sorgt der Kontakt des Allergens mit Haut, Schleimhaut oder Bindehaut der Augen für unangenehme Symptome wie Rötung, Schwellung und Juckreiz.

Eine Allergie entsteht dadurch, dass bei Erstkontakt mit dem Allergen das Immunsystem spezielle Antikörper bildet, die genau zu charakteristischen Oberflächenstrukturen des Allergens passen und damit den „Feind“ schnell erkennen können. Diese Antikörper setzen sich auf die Aussenseite von Mastzellen – kleine, bewegliche Immunzellen. Wenn das Allergen das nächste Mal in den Körper gelangt, kommt es in Kontakt mit den Antikörpern auf den Mastzellen und wird daran gebunden. In der Folge schüttet die betreffende Mastzelle blitzartig Histamin und andere Entzündungsstoffe aus. Diese steigern die Durchblutung im Gewebe (Rötung und Schwellung), damit mehr Abwehrzellen den Ort des Geschehens erreichen können. Ausserdem sorgen sie dafür, dass vermehrt Flüssigkeit von den Drüsen der Schleimhäute gebildet wird, um die Allergene wegzuwaschen (laufende Nase, tränende Augen), und lösen Juckreiz aus, damit eventuelle grössere Allergenteilchen durch Kratzen entfernt werden können.

Um diese allergischen Reaktionen zu unterdrücken, lassen sich Mastzellstabilisatoren wie Cromoglicinsäure einsetzen. Sie stabilisieren die Mastzellen, sodass sie nicht mehr so empfindlich auf Allergene mit der Ausschüttung von Entzündungsbotenstoffen reagieren. Das beugt Allergiesymptomen vor.

Aufnahme, Abbau und Ausscheidung von Cromoglicinsäure

Da Cromoglicinsäure nur lokal wirkt und bei oraler Einnahme nicht in der Körper aufgenommen wird, eignen sich für den Wirkstoff nur Darreichungsformen wie Augentropfen, Nasenspray oder Inhalationspräparate. Auch über die Schleimhäute wird Cromoglicinsäure nur sehr gering aufgenommen und unverändert über Urin und Stuhl ausgeschieden.

Wann wird Cromoglicinsäure eingesetzt?

Cromoglicinsäure ist zugelassen zur Behandlung von:

  • allergisch bedingter Bindehaut- und Nasenschleimhautentzündung

Die Behandlung erfolgt in jedem Fall vorbeugend, da sich Cromoglicinsäure nicht zur Akutbehandlung eignet. Die Therapie kann sowohl saisonal (beispielsweise bei Gräser- oder Baumpollenallergie) oder dauerhaft angewendet werden.

So wird Cromoglicinsäure angewendet

Bei der Anwendung ist zu beachten, dass Cromoglicinsäure erst nach etwa zwei bis drei Tagen in relevantem Ausmass wirkt. Bis dahin sollten akut wirksame antiallergische Wirkstoffe parallel zum Mastzellstabilisator angewendet werden.

Nasenspray

Die Nasenschleimhäute werden mit Cromoglicinsäure-Nasenspray (zweiprozentige Natriumcromoglicat-Lösung, das wasserlösliche Natrium-Salz der Cromoglicinsäure) behandelt: Viermal täglich wird in jedes Nasenloch ein Sprühstoss gegeben. Sollte die Wirkung nicht ausreichend sein, kann die Dosis auf bis zu sechsmal täglich zwei Sprühstösse gesteigert werden.

Augentropfen

Zur Behandlung tränender, gereizter Augen wird viermal täglich je ein Tropfen Cromoglicinsäure-Augentropfen (zweiprozentige Natriumcromoglicat-Lösung) in den Bindehautsack beider Augen eingetropft. Die Dosis kann bei Bedarf auf achtmal täglich zwei Tropfen gesteigert werden.

Inhalationslösung

Gegen asthmatische Beschwerden stehen sowohl Cromoglicinsäure-Inhalationslösungen als auch Aerosole und Pulverinhalatoren zur Verfügung. Dabei sollten Aerosol-Sprays und Pulverinhalatoren erwachsenen Patienten vorbehalten bleiben, da deren Anwendung ein gewisses Mass an Koordination erfordert. Für Kinder eignen sich Inhalationslösungen, die über einen Inhalator vernebelt und über eine Maske eingeatmet werden.

Bei der direkten, tiefen Inhalation werden viermal täglich zwei Milligramm Cromoglicinsäure inhaliert. Bei der Inhalation über einen Vernebler, bei der oberflächlicher und weniger tief geatmet wird, werden 20 Milligramm pro Einzeldosis viermal täglich inhaliert.

Welche Nebenwirkungen hat Cromoglicinsäure?

Bei manchen Patienten verursacht der Wirkstoff Cromoglicinsäure im Bereich der Nasen- und Mundschleimhäute Schleimhautirritationen, Nasenbluten, Niesen, Husten, Heiserkeit, Geschmacksstörungen und Zungenschwellung. Die Augentropfen können zu Augenbrennen, Fremdkörpergefühl und geröteten Augen führen.

Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Übelkeit und selten Überempfindlichkeitsreaktionen (Juckreiz, Atemnot, Asthmaanfälle und Schleimhautschwellungen).

Was ist bei der Anwendung von Cromoglicinsäure zu beachten?

Direkte Wechselwirkungen zwischen Cromoglicinsäure und anderen Wirkstoffen sind bislang nicht bekannt.

Vor der Anwendung der Cromoglicinsäure-Augentropfen sollte man sich die Hände waschen. Kontaktlinsenträger sollten vor der Anwendung die Linsen herausnehmen. Das Eintropfen der Lösung kann für einige Minuten die Sicht beeinträchtigen. Mit der Anwendung anderer Augenpräparate sollte mindestens eine Viertelstunde gewartet werden.

Vor der Anwendung des Nasensprays sollte die Nase nötigenfalls geputzt werden.

Bei der Anwendung von Cromoglicinsäure bei Asthma sollte stets die Atemstosskraft, die per Peak-Flow-Meter gemessen wird, überwacht werden, um eine Verschlechterung der Atmung rechtzeitig bemerken zu können. Um die Behandlung mit Cromoglicinsäure zu beenden, sollte die Dosierung schrittweise verringert werden. Ein abruptes Absetzen könnte einen Asthmaanfall auslösen.

In der Schwangerschaft und Stillzeit wird der Arzt sorgfältig Nutzen und Risiken einer Anwendung des Mastzellstabilisators abwägen.

So erhalten Sie Medikamente mit Cromoglicinsäure

Alle Arzneimittel, die ausschliesslich den Wirkstoff Cromoglicinsäure enthalten, sind nicht verschreibungspflichtig und können rezeptfrei in der Apotheke gekauft werden. Das gilt sowohl für Präparate zur direkten Anwendung auf den Schleimhäuten als Augentropfen oder Nasenspray als auch zur Inhalation als Aerosol oder Inhalationslösung.

Kombipräparate, die zusätzlich einen rezeptpflichtigen Wirkstoff enthalten (etwa für Asthma-Patienten), sind verschreibungspflichtig.

Seit wann ist Cromoglicinsäure bekannt?

Der Mastzellstabilisator Cromoglicinsäure wurde durch Selbstversuche des Wissenschaftlers R. Altounyan im Jahr 1965 entdeckt. Er untersuchte verschiedene Pflanzen auf ihre asthmaverbessernde Wirkung und entdeckte dabei im Bischofskraut den Stoff Khellin. Dessen chemischer Abkömmling Cromoglicinsäure erwies sich als wirksam und vergleichsweise nebenwirkungsarm. Heute gibt es zahlreiche zugelassene Präparate mit dem Wirkstoff Cromoglicinsäure.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Benjamin Clanner-Engelshofen
Benjamin Clanner-Engelshofen

Benjamin Clanner-Engelshofen ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Er studierte Biochemie und Pharmazie in München und Cambridge/Boston (USA) und merkte dabei früh, dass ihm die Schnittstelle zwischen Medizin und Naturwissenschaft besonders viel Spaß macht. Deshalb schloss er noch ein Studium der Humanmedizin an.

Quellen:
  • Aktories, K. et al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 11. Auflage, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2013
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