Clozapin

Von , Chefredakteur und Humanmediziner
Jens Richter

Jens Richter ist Chefredakteur bei NetDoktor. Seit Juli 2020 ist der Mediziner und Journalist außerdem als COO für den Geschäftsbetrieb und die strategische Weiterentwicklung von NetDoktor verantwortlich.

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Clozapin ist ein sogenanntes Antipsychotikum. Es wird bei Schizophrenie angewendet, wenn andere Medikamente nicht wirken oder nicht vertragen werden, sowie bei Psychosen im Verlauf eines Morbus Parkinson, wenn die Standardtherapie versagt. Vor Behandlungsbeginn und im Verlauf muss sichergestellt sein, dass das Blutbild des Patienten in Ordnung ist. Lesen Sie hier alles Wichtige über Anwendung, Wirkung und Nebenwirkungen von Clozapin.

So wirkt Clozapin

Clozapin ist ein sogenanntes "atypisches Neuroleptikum" (atypisches Antipsychotikum). Es blockiert im zentralen Nervensystem Andockstellen (Rezeptoren) für Botenstoffe (Neurotransmitter) wie Dopamin, Serotonin und Histamin, wirkt jedoch ebenfalls hemmend auf Alpha-Rezeptoren. Die vielfältigen Wirkmechanismen werden für die gute Wirksamkeit bei ansonst therapieresistenten Schizophrenien und Psychosen verantwortlich gemacht.

Im Gehirn und Rückenmark (zentrales Nervensystem) sorgt das Zusammenspiel verschiedener Nervenbotenstoffe dafür, dass man sich ausgeglichen fühlt und angemessen auf bestimmte Situationen (wie Aufregung, Freude, Angst etc.) reagieren kann.

Dazu werden die verschiedenen Botenstoffe (wie Serotonin und Dopamin) je nach Bedarf von Nervenzellen ausgeschüttet und später wieder aufgenommen und gespeichert. Dieses Gleichgewicht der Botenstoffe ist bei Menschen, die unter Schizophrenie oder Psychosen leiden, gestört.

Ein Überschuss an Neurotransmittern verändert das Denken und die Selbstwahrnehmung und kann unter anderem Wahnvorstellungen auslösen. Clozapin kann durch die Blockade zahlreicher Rezeptoren die Hirnfunktion normalisieren.

Aufnahme, Abbau und Ausscheidung

Nach der Einnahme wird Clozapin fast vollständig über den Magen-Darm-Trakt ins Blut aufgenommen. Verstoffwechselt wird es fast ausschliesslich in der Leber über die Enzyme CPY3A4 und CYP1A2.

Clozapin beziehungsweise seine Stoffwechselprodukte werden zum Teil mit dem Urin, zum Teil mit dem Stuhl ausgeschieden. Etwa zwölf Stunden nach der Einnahme hat die Hälfte des Wirkstoffes den Körper bereits wieder verlassen (Halbwertszeit).

Wann wird Clozapin angewendet?

Clozapin ist zugelassen zur Behandlung von:

  • Schizophrenie, wenn klassische Neuroleptika nicht wirken oder nicht vertragen werden
  • Psychosen im Verlauf eines Morbus Parkinson nach Versagen der Standardtherapie

So wird Clozapin angewendet

Clozapin wird meist als Tablette, manchmal auch als Injektion (Spritze) verabreicht. Die Dosierung wird vom Arzt individuell festgelegt. Normalerweise erfolgt die Therapie einschleichend. Das heisst: Anfangs wird eine niedrige Dosis gegeben, die dann langsam bis zur Zieldosis gesteigert wird. Diese liegt normalerweise zwischen 200 und 450 Milligramm.

Auch zum Beenden der Therapie wird eine schrittweise Reduzierung der Dosis empfohlen ("Ausschleichen").

Voraussetzung für die Behandlung ist, dass der Patient vor Behandlungsbeginn einen normalen Leukozytenbefund aufweist: Die Anzahl der weissen Blutkörperchen (Leukozyten) und das Differenzialblutbild (Aufschlüsselung der Leukozyten in die verschiedenen Untergruppen) müssen der Norm entsprechen.

Welche Nebenwirkungen hat Clozapin?

Während der Behandlung sowie bis zu vier Wochen nach Therapie-Ende sind Blutbildkontrollen notwendig, weil Clozapin einen Mangel an weissen Blutkörperchen (Leukopenie) sowie einen Mangel an der Leukozyten-Untergruppe der Granulozyten (Agranulozytose) verursachen kann.

Weitere mögliche Nebenwirkungen sind zum Beispiel Ruhigstellung (Sedation) bis hin zu deliranten Zuständen, verstärkter Speichelfluss, Gewichtszunahme, vorübergehende Temperaturerhöhung, akute Sitzunruhe (Akathisie), unwillkürliche Muskelzuckungen (Myoklonien), Verstopfung, Blutdruckabfall bei Lagewechsel (Orthostase), Krampfanfälle und EEG-Veränderungen (Veränderungen der Hirnströme).

Seltene Nebenwirkungen sind Kreislaufkollaps, akute Bauchspeicheldrüsenentzündung, Überzuckerung (Hyperglykämie) mit gefährlicher Stoffwechselentgleisung (Ketoazidose), plötzliche, schwere Herzmuskelentzündung (Myokarditis) sowie plötzliche, schwere Lebernekrose (Absterben von Lebergewebe).

Im Vergleich zu anderen Antipsychotika ist bei Clozapin das Risiko für extrapyramidal-motorische-Störungen am geringsten. Darunter versteht man Störungen der automatischen Bewegungsabläufe und der Regulation der Muskelspannung.

Was ist bei der Einnahme von Clozapin zu beachten?

Gegenanzeigen

In folgenden Fällen darf Clozapin nicht angewendet werden:

  • Mangel an Granulozyten: Pro Mikroliter Blut weniger als 3.000 (Granulozytopenie) oder sogar weniger als 500 Granulozyten (Agranulozytose).
  • Patienten, bei denen keine regelmässigen Blutuntersuchungen durchgeführt werden können
  • Schädigung des Knochenmarks
  • gleichzeitige Gabe von Medikamenten, die ebenfalls eine Agranulozytose auslösen können
  • unkontrollierte Epilepsie
  • Kreislaufkollaps und/oder ZNS-Depression (Benommenheit bis tiefes Koma)
  • schwere Erkrankungen des Herzens oder der Nieren
  • akute Lebererkrankungen mit Übelkeit, Appetitmangel oder Gelbsucht

Wechselwirkungen

Clozapin wird in der Leber über Enzyme (CYP3A4 und CYP1A2) verstoffwechselt, die auch für den Abbau weiterer Arzneistoffe verantwortlich sind. Bei gleichzeitiger Gabe von starken Hemmstoffen oder Induktoren dieser Enzyme kann es daher unter Umständen zu verstärkten Nebenwirkungen oder einem Wirkverlust von Clozapin kommen:

Medikamente, welche die abbauenden Leberenzyme hemmen und so die Wirkung von Clozapin verstärken können, sind unter anderem:

Medikamente, welche die Aktivität der abbauenden Leberenzyme anregen (induzieren) und so die Wirkung von Clozapin abschwächen können, sind zum Beispiel:

Aufgrund des umfangreichen Wechselwirkungspotenzials wird Patienten, die Clozapin erhalten, empfohlen, vor der Anwendung neuer Medikamente (auch pflanzlicher) stets den Arzt oder Apotheker zu Rate zu ziehen.

Altersbeschränkung

Clozapin ist zur Behandlung ab 16 Jahren zugelassen.

Schwangerschaft und Stillzeit

In der Schwangerschaft sollten nach Möglichkeit besser erprobte Neuroleptika angewendet werden. Wenn allerdings eine Frau, die gut auf Clozapin eingestellt ist, schwanger wird, muss sie nicht zwingend auf ein anderes Medikament umgestellt werden.

Stillen während der Therapie ist unter Vorbehalt akzeptabel, wenn die Mutter nur mit Clozapin allein behandelt (Monotherapie) und das Kind sorgfältig beobachtet wird.

So erhalten Sie Medikamente mit Clozapin

Clozapin ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz verschreibungspflichtig, also nur gegen Rezept in der Apotheke erhältlich.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:

Jens Richter ist Chefredakteur bei NetDoktor. Seit Juli 2020 ist der Mediziner und Journalist außerdem als COO für den Geschäftsbetrieb und die strategische Weiterentwicklung von NetDoktor verantwortlich.

Quellen:
  • Bäuml, J.: Psychosen, Springer Science & Business Media, 2008.
  • Benkert, O. et Hippius, H.: Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie, Springer-Verlag, 2014.
  • Berlit, P.: Therapielexikon Neurologie, Springer-Verlag, 2006.
  • Brüne, M. et Payk, T.R.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie, Georg Thieme Verlag, 2013.
  • Gerlach, M. et al. Neuro-/Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter: Grundlagen und Therapie, Springer Verlag GmbH, Berlin-Heidelberg, 3. Auflage, 2016.
  • Gründer, G. et Benkert, O.: Handbuch der Psychopharmakotherapie, Springer Verlag GmbH, Berlin-Heidelberg, 2. Auflage, 2012.
  • Pharmakovigilanz und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin: Clozapin, unter: www.embryotox.de (Abruf: 09.11.2021).
  • Pschyrembel Online, Klinisches Wörterbuch: www.pschyrembel.de (Abruf: 09.11.2021).
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