Clomethiazol

Von , Apotheker und Pharmazie-Journalist
Mag. pharm. Christopher Waxenegger

Christopher Waxenegger studierte Pharmazie an der Universität Wien. Es folgten die erfolgreiche Fachprüfung für den Apothekerberuf sowie die freie Mitarbeit in einer Arztpraxis mit dem Schwerpunkt Medikationsanalyse. Seit 2020 widmet er sich dem Fachjournalismus und verfasst Sachtexte zu verschiedenen Gesundheitsthemen. Im Urlaub erkundet Christopher gerne die schottischen Highlands und genießt die Ruhe der Natur.

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Clomethiazol ist ein sedierender und gegen Krämpfe wirksamer Arzneistoff. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen verstopfte Nase sowie das vermehrte Absondern von Speichel- und Bronchialsekret. Der Wirkstoff wird sowohl bei Delir und Entzugssymptomen als auch bei behandlungsresistenten Schlafstörungen verordnet. Erfahren Sie alles Wichtige über Clomethiazol, seine Wirkweise, Nebenwirkungen und Anwendungsgebiete!

So wirkt Clomethiazol

Clomethiazol wirkt beruhigend, schlafinduzierend (hypnotisch) und krampflösend (antikonvulsiv).

Es verstärkt zum einen den Effekt des hemmenden Nervenbotenstoffes gamma-Aminobuttersäure (GABA). Dafür interagiert Clomethiazol mit dem GABAA-Rezeptor, der für die Signalübertragung des Botenstoffes verantwortlich ist. Im Vergleich zu Schlaf- und Beruhigungsmitteln aus der Gruppe der Benzodiazepine (wie Diazepam) bindet Clomethiazol jedoch an eine andere Bindungsstelle.

Zum anderen steigert Clomethiazol auch die Wirkung des ebenfalls hemmenden Botenstoffes Glycin.

Clomethiazol hat ein sehr grosses Abhängigkeitspotenzial. Aus diesem Grund wird es nur kurzfristig und fast immer unter ärztlicher Aufsicht angewendet.

Was für Nebenwirkungen hat Clomethiazol?

Eine häufige Nebenwirkung von Clomethiazol ist eine verstopfte und gereizte Nase. Diese unerwünschte Begleiterscheinung kann bereits 20 Minuten nach der Einnahme auftreten.

Auch allergische Reaktionen auf den Wirkstoff sind möglich. Diese zeigen sich als Bindehautreizung, Brennen im Hals, Hustenreiz sowie gesteigerte Bronchial- und Speichelsekretion.

Schon in niedrigen Clomethiazol-Dosierungen ist mit Müdigkeit, Benommenheit und eingeschränkter Verkehrstüchtigkeit zu rechnen.

Von den Nerven ausgehende (neurologische) Nebenwirkungen umfassen Kopfschmerzen und Missempfindungen (v.a. Kribbeln, Taubheitsgefühl).

Bei längerfristiger, speziell unkontrollierter Anwendung besteht ein hohes Abhängigkeitsrisiko.

Clomethiazol kann auch bei ordnungsgemässen Gebrauch das Reaktionsvermögen erheblich beeinträchtigen. In den ersten Tagen der Behandlung sollten Sie deshalb keine Kraftfahrzeuge führen und keine schweren Maschinen bedienen.

Mehr zu diesen und weiteren Nebenwirkungen finden Sie in der Packungsbeilage Ihres Clomethiazol-Medikaments. Wenden Sie sich an Ihren Arzt oder Apotheker, wenn Sie unerwünschte Begleiterscheinungen vermuten.

Wogegen hilft Clomethiazol?

Clomethiazol ist zugelassen für die Behandlung von Prädelir, Delir und akuten Entzugsbeschwerden unter stationären Bedingungen im Krankenhaus. Der Wirkstoff wird in diesem Zusammenhang vor allem beim Alkoholentzug eingesetzt.

Als Delir bezeichnen Mediziner eine plötzliche, rückbildungsfähige Bewusstseinsstörung. Typische Symptome sind zeitliche und/oder räumliche Desorientiertheit, Verwirrtheit und Halluzinationen.

Weitere Anwendungsgebiete umfassen die Behandlung von:

  • Verwirrtheitszuständen verbunden mit Erregtheit und Unruhe bei älteren Personen
  • schweren Schlafstörungen im höheren Lebensalter, wenn andere Massnahmen wirkungslos waren oder aufgrund von Nebenwirkungen nicht anwendbar sind

So wird Clomethiazol eingenommen

Für die Therapie sind Clomethiazol-Kapseln und eine Clomethiazol-Mixtur verfügbar. Weil die Resorption und Wirkung bei jedem Menschen anders sind, dosieren Mediziner den Wirkstoff stets individuell.

Kapseln

Die Clomethiazol-Weichkapseln nimmt man im Ganzen mit reichlich Flüssigkeit ein. Man darf sie nicht zerteilen oder kauen.

Unter kontrollierten stationären Bedingungen beträgt die empfohlene Anfangsdosis zwei bis vier Kapseln zu je 192 Milligramm Clomethiazol. Tritt die Sedierung nicht innerhalb von 30 bis 60 Minuten ein, wird dieselbe Dosis nochmal verabreicht. Eine Gesamtmenge von acht Kapseln darf innerhalb von zwei Stunden nicht überschritten werden. Der Patient soll ansprechbar bleiben.

Bei Verwirrtheitszuständen reichen für gewöhnlich ein bis drei Kapseln dreimal täglich.

Im Fall von schweren Schlafstörungen beträgt die Anfangsdosis zwei Kapseln vor dem Schlafengehen. Auch hier ist es möglich erneut zwei Kapseln nach 30 bis 60 Minuten einzunehmen, sollte der schlaffördernde Effekt nicht ausreichen.

Mixtur

Sie müssen die Clomethiazol-Mixtur vor der Einnahme mit Wasser oder Saft verdünnen. Da der Wirkstoff an verschiedenen Kunststoffen hängen bleibt, sind Kunststoffgefässe für die Einnahme ungeeignet. Besser ist zum Beispiel ein Wasserglas. Sobald Sie die Mixtur verdünnt haben, müssen Sie sie umgehend einnehmen. Sie darf nicht aufbewahrt werden.

Zur Behandlung des Prädelirs, Delirs oder akuter Entzugsbeschwerden wird mit zehn bis 20 Milliliter Mixtur begonnen. Tritt die Sedierung nicht innerhalb von 30 bis 60 Minuten ein, kann dieselbe Dosis nochmal verabreicht werden. Eine Gesamtmenge von 40 Milliliter Mixtur darf innerhalb von zwei Stunden nicht überschritten werden. Der Patient soll ansprechbar bleiben.

Bei Verwirrtheitszuständen werden fünf bis zehn Milliliter Mixtur dreimal täglich über den Tag verteilt eingenommen.

Die Anfangsdosis bei Schlafstörungen beläuft sich auf zehn Milliliter. Gegebenenfalls kann die Einnahme nach 30 bis 60 Minuten mit derselben Menge wiederholt werden.

Egal, ob Kapseln oder Mixtur: Wenn Sie am nächsten Morgen benommen sind, war die Clomethiazol-Dosis zu hoch.

Wann sollte man Clomethiazol nicht einnehmen?

Clomethiazol darf man im Allgemeinen in folgenden Fällen nicht anwenden:

  • wenn man überempfindlich oder allergisch auf den Wirkstoff oder einen der Bestandteile des Medikaments reagiert
  • beim Schlafapnoe-Syndrom
  • bei schweren Störungen der Atemfunktion
  • bei akuten Vergiftungen mit zentral dämpfenden Mitteln (z.B. Alkohol, Psychopharmaka, Schlafmittel)
  • wenn man in der Vergangenheit ein Abhängigkeitsproblem hatte (ausgenommen sind die stationäre Behandlung des Prädelirs, des Delirs und akuter Entzugsbeschwerden)
  • in der Schwangerschaft und Stillzeit
  • bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren

Diese Wechselwirkungen können bei Clomethiazol auftreten

Während der Alkoholentzugsbehandlung mit Clomethiazol kann die gleichzeitige Einnahme von Alkohol lebensbedrohliche Auswirkungen haben.

Wegen seiner zentraldämpfenden Eigenschaften sind bei Clomethiazol zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen dämpfend wirkenden Arzneimitteln bekannt. Dazu gehören unter anderem:

Bei gleichzeitiger Anwendung von Carbamazepin (Mittel gegen Epilepsie) steigt die Clomethiazol-Ausscheidung um 30 Prozent an. Womöglich ist dann eine höhere Menge Clomethiazol nötig, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Umgekehrt müssen Mediziner die Clomethiazol-Dosis unter Cimetidin-Behandlung (Mittel gegen Sodbrennen) mitunter reduzieren.

Clomethiazol ist ein Hemmer des Enzyms Cytochrom P450 2E1 (CYP2E1). Andere Arzneistoffe, die über dieses Enzym abgebaut werden (z.B. das Muskelrelaxans Chlorzoxazon), werden dadurch langsamer ausgeschieden. Sie wirken somit länger als üblich.

Die Kombination von Clomethiazol und Propranolol (Betablocker) begünstigt in Einzelfällen einen ausgeprägten Abfall der Herzrate.

Informieren Sie Ihren Arzt über alle Medikamente – auch rezeptfreie und pflanzliche Präparate – sowie alle Nahrungsergänzungsmittel, die Sie einnehmen. Mehr Infos zu möglichen Wechselwirkungen finden Sie zudem in der Packungsbeilage Ihres Clomethiazol-Medikaments.

So erhalten Sie Medikamente mit Clomethiazol

Clomethiazol ist in Deutschland und der Schweiz rezeptpflichtig. In Österreich sind keine Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff registriert.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Christopher Waxenegger
Mag. pharm.  Christopher Waxenegger

Christopher Waxenegger studierte Pharmazie an der Universität Wien. Es folgten die erfolgreiche Fachprüfung für den Apothekerberuf sowie die freie Mitarbeit in einer Arztpraxis mit dem Schwerpunkt Medikationsanalyse. Seit 2020 widmet er sich dem Fachjournalismus und verfasst Sachtexte zu verschiedenen Gesundheitsthemen. Im Urlaub erkundet Christopher gerne die schottischen Highlands und genießt die Ruhe der Natur.

Quellen:
  • Fachinformation zu Clomethiazol-Präparaten (Deutschland), unter: www.portal.dimdi.de (Abruf: 07.01.2023)
  • Fachinformation zu Clomethiazol-Präparaten (Österreich), unter: www.basg.gv.at (Abruf: 07.01.2023)
  • Fachinformation zu Clomethiazol-Präparaten (Schweiz), unter: www.swissmedicinfo.ch (Abruf: 07.01.2023)
  • Geisslinger, G. et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen - Pharmakologie, Klinische Pharmakologie, Toxikologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 11. Auflage, 2020
  • Karow, T. et Lang-Roth, R.: Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie, Thomas Karow Verlag, 29. Auflage, 2021
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