Beipackzettel richtig lesen

Von Marita Vollborn
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Seitenlang quälen Beipackzettel (Packungsbeilage) die Patienten mit medizinischem Fachchinesisch: Indikation, Kontraindikationen, Nebenwirkungen. Zwar lesen viele Menschen die Informationen über ihr Medikament, doch verstehen können sie nur die wenigsten. Beipackzettel verunsichern sogar vielfach, wie eine Umfrage im Auftrag der Bundesvereinigugn deutscher Apothekerverbänder im Jahr 2011 ergab.

Beipackzettel; Medikamente; Wirkstoffe

In die gleiche Richtung gehen die Ergebnisse einer Studie der Universität Witten/Herdecke (2009), die im Auftrag des Forschungsministeriums durchgeführt wurde. Die Wissenschaftler hatten die Wirkung von Beipackzetteln auf Patienten untersucht. Das Ergebnis: Sie lösen Angst, Zweifel, Unsicherheit und Unzufriedenheit aus, also Emotionen, die eine Genesung sicher nicht unterstützen. Einige Patienten nehmen die Tabletten daraufhin nicht ein, manche entsorgen sie gleich im Müll, andere versuchen sich vorher, im Internet, in Büchern oder bei anderen Quellen zu informieren.

Dass Beipackzettel so kompliziert sind, liegt an den gesetzlichen Vorgaben. Diese führen zu Texten, die kaum ein Patient versteht. Damit verfehlen die Beipackzettel ihren eigentlichen Sinn.

Zweifeln Sie also nicht an Ihrer Intelligenz, wenn Sie sich durch die Packungsbeilage eines Medikaments gekämpft, aber immer noch nicht alles verstanden haben. Bitten Sie lieber Ihren Arzt oder Apotheker um Erklärung.

Erst verstehen, dann schlucken

Der sogenannte "Waschzettel" dient vor allem dem Schutz des Patienten und enthält alle wichtigen Informationen über die Zusammensetzung und Wirkungsweise des Arzneimittels. Gehen Sie ihn daher Punkt für Punkt durch. Scheuen Sie sich nicht davor, Unverständliches mit Ihrem Arzt oder einem Apotheker zu besprechen. Beide sind gesetzlich dazu verpflichtet.

Auch muss seit dem 1. Januar 1999 in einer Apotheke eine abgetrennte Beratungsecke eingerichtet sein, in der eine vertrauliche Beratung des Kunden möglich ist. Dass auf dem Beipackzettel die Einnahme-Anleitung für den Patienten und die medizinischen Hinweise für den Arzt oft zusammen beschrieben werden, vernebelt eher, statt dass es Durchblick verschafft. Der Hintergrund ist, dass sich die Hersteller vor späteren Schadenersatzansprüchen schützen wollen.

Vor allem für Allergiker, die auf bestimmte Arzneimittel überempfindlich reagieren, können die Hinweise auf dem Beipackzettel lebensnotwendig sein.

Beipackzettel - was besonders wichtig ist

Besonders wichtig bei der Lektüre des Beipackzettels sind die folgenden Aspekte:

» Gegenanzeigen (Kontraindikationen): Absolute Gegenanzeigen sind alle Umstände, welche die Anwendung des betreffenden Medikaments wegen zu gravierender Nebenwirkungen verbieten (z.B. Schwangerschaft, Asthma, Magengeschwüre). Daneben gibt es noch relative Gegenanzeigen, bei denen der Arzt Nutzen und Risiko der Medikamentenanwendung für den Patienten abwägen muss.

» Nebenwirkungen: Jedes Medikament kann unerwünschte Wirkungen hervorrufen. Wenn Sie nach der Anwendung eines Arzneimittels irgendwelche gesundheitlichen Veränderungen oder körperlichen Beeinträchtigungen spüren, sollten Sie auf jeden Fall Ihren Arzt aufsuchen.

» Wechselwirkungen mit anderen Mitteln (Medikamenten-Interaktionen): Verschiedene Medikamente können sich bei zeitnaher Anwendung gegenseitig in ihrer Wirkung beeinflussen. Solche Wechselwirkungen sollten Sie keineswegs unterschätzen: Die Wirkung eines oder beider Medikamente kann vermindert oder verstärkt werden, ausserdem kann ein Präparat kürzer oder länger wirken als es soll.

Informieren Sie daher Ihren Arzt und Apotheker über alle Medikamente, die Sie einnehmen, bevor Sie ein neues Präparat anwenden. Kombinieren Sie auch verschriebene Medikamente nicht mit rezeptfreien, ohne dies zuvor mit Ihrem Arzt oder Apotheker besprochen zu haben: Nicht jedes Mittel verträgt sich mit jedem anderen.

Aber nicht nur andere Arzneimittel, auch Lebens- und Genussmittel können unerwünschte Wechselwirkungen mit einem Medikament eingehen. Verzichten Sie daher auf Kaffee, Alkohol, Grapefruitsaft oder Milchprodukte, wenn dies im Beipackzettel steht oder von Arzt oder Apotheker empfohlen wurde.

» Dosierung, Art und Dauer der Anwendung: Besonders wichtig für eine korrekte Medikamentenanwendung ist es auch, sich an die verschriebene Dosierung zu halten. Sowohl zu viel als auch zu wenig des Wirkstoffs können den Therapieerfolg aufs Spiel setzen. Auch der Zeitpunkt der Anwendung ist wichtig: Sie sollten sich hierbei genau an die Hinweise im Beipackzettel beziehungsweise die Angaben des Arztes oder Apothekers halten.

Nebenwirkungen - keine Panik

Beipackzettel enthalten oft eine lange Liste mit möglichen Nebenwirkungen. Die Häufigkeit, mit der die Nebenwirkungen auftreten können, reicht von sehr häufig bis sehr selten.

Die Pharmahersteller müssen sämtliche bekannten Nebenwirkungen aufführen, auch wenn sie beispielsweise nur bei einem einzigen Patienten vorgekommen sind. Ausserdem ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein Patient alle gelisteten Nebenwirkungen bekommt.

Wie viel Prozent der Patienten nach Anwendung des betreffenden Arzneimittels Beschwerden hatten, können Sie in den Häufigkeitsangaben der Hersteller lesen. Hier bedeutet:

  • Sehr selten: in weniger als 0,01 Prozent der Fälle
  • Selten: in 0,01 bis 0,1 Prozent
  • Gelegentlich: 0,1 bis 1 Prozent
  • Häufig: in 1 bis 10 Prozent
  • Sehr häufig: in mehr als 10 Prozent

Auch Einzelfälle muss der Hersteller im Beipackzettel aufführen. Das sind Ereignisse oder Verdachtsfälle, die zahlenmässig noch nicht erfasst sind, aber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet wurden. Zu den peinlich genauen Häufigkeitsangaben sind Pharmaunternehmen seit 1978 per Arzneimittelgesetz verpflichtet, ebenso wie zur lückenlosen Angabe über Inhaltsstoffe und Wirkungen.

Lassen Sie sich von keinem Beipackzettel abschrecken, auch wenn sich mancher liest wie das Tagebuch eines Pathologen.

Autoren- & Quelleninformationen

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Datum :
Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Dr. med. Nina Buschek
Quellen:
  • Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): www.bfarm.de (Abruf: 15.05.2014)
  • Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA): www.abda.de (Abruf: 15.05.2014)
  • Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG)
  • Pressemeldung vom 16.07.2009 der Universität Witten/Herdecke: www.uni-wh.de (Abruf: 15.05.2014)
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