Argatroban

Von , Apotheker, Arzt
Benjamin Clanner-Engelshofen

Benjamin Clanner-Engelshofen ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Er studierte Biochemie und Pharmazie in München und Cambridge/Boston (USA) und merkte dabei früh, dass ihm die Schnittstelle zwischen Medizin und Naturwissenschaft besonders viel Spaß macht. Deshalb schloss er noch ein Studium der Humanmedizin an.

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Argatroban ist ein Gerinnungshemmer, der speziell dann eingesetzt wird, wenn ein Patient Heparin zur Gerinnungshemmung nicht verträgt. Wegen seiner kurzen Wirkdauer muss der Wirkstoff als Dauerinfusion verabreicht werden - so lange, wie die gerinnungshemmende Wirkung gewünscht ist. Hier lesen Sie alles Wichtige zu Argatroban: Anwendung, Wirkung und Nebenwirkungen.

So wirkt Argatroban

Argatroban greift in die Blutgerinnung ein, indem es das beteiligte Enzym Thrombin hemmt - der Wirkstoff ist also ein direkter Thrombin-Hemmer.

Thrombin wird normalerweise durch Enzyme aktiviert, die ihrerseits durch eine Gefässschädigung oder Fremdkörper in der Blutbahn aktiviert wurden. Es wandelt dann an der betroffenen Stelle Fibrinogen zu Fibrin um - dem "Klebstoff", der das entstehende Blutgerinnsel zusammenhält.

Durch die Thrombinhemmung stört Argatroban diesen Prozess. Es wird aber nur bei Patienten eingesetzt, die zuvor eine sogenannte Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) vom Typ II hatten. Das ist eine Form von Blutplättchen-Mangel, die als gefährliche Nebenwirkung einer Behandlung mit dem Gerinnungshemmer Heparin ausgelöst werden kann.

Die Blutgerinnung wird bei den Betroffenen nicht gehemmt, sondern paradoxerweise gesteigert. Diese Patienten dürfen deshalb unter keinen Umständen mehr Heparin erhalten, da sich sonst zahlreiche Blutgerinnsel im Blutkreislauf bilden und die Gefässe verstopfen können. Stattdessen wird mit Argatroban die Gerinnungshemmung aufrechterhalten.

Aufnahme, Abbau und Ausscheidung

Wenn Argatroban als Infusion verabreicht wird, bauen sich die Blutspiegel über ein bis drei Stunden auf, wonach dann die volle Wirksamkeit erreicht ist. Zeitgleich wird der Wirkstoff laufend in der Leber abgebaut und vor allem mit dem Stuhl ausgeschieden. Nach Beendigung der Infusion ist der Wirkstoff etwa innerhalb einer Stunde um die Hälfte abgebaut und ausgeschieden.

Wann wird Argatroban eingesetzt?

Argatroban wird bei erwachsenen Patienten mit einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) eingesetzt, wenn diese eine gerinnungshemmende Therapie benötigen.

Die Behandlungsdauer sollte zwei Wochen nicht überschreiten. In Einzelfällen kann die Therapie unter ärztlicher Aufsicht auch über längere Zeit erfolgen.

So wird Argatroban angewendet

Der Gerinnungshemmer Argatroban ist nur als Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung im Handel. Dieses Konzentrat wird durch den Arzt verdünnt und dann per Infusion oder Spritzenpumpe verabreicht. Dabei hängt die verabreichte Wirkstoffmenge vom Gewicht und Gesundheitszustand des Patienten ab.

Während der Behandlung müssen die Gerinnungswerte engmaschig kontrolliert werden.

Welche Nebenwirkungen hat Argatroban?

Unter der Behandlung mit dem Wirkstoff Argatroban zeigen sich bei einem von zehn bis hundert Behandelten Nebenwirkungen in Form von Blutarmut (Anämie), Blutungen, Blutgerinnseln in den tiefen Venen, Übelkeit und Purpura (viele stecknadelkopfgrosse Einblutungen unter der Haut).

Ausserdem entwickeln sich gelegentlich Nebenwirkungen wie Infekte, Appetitverlust, niedrige Natrium- und Blutzucker-Spiegel, Kopfschmerzen, Schwindel, Seh- und Sprachstörungen, Taubheit, hoher oder niedriger Blutdruck, Herzrasen und andere Herzprobleme.

Auch Erbrechen, Verstopfung, Durchfall, Verdauungsstörungen, Leberfunktionsstörungen, Hautausschläge, Muskelschwäche und -schmerzen, Schmerzen und Müdigkeit sind möglich. Diese Nebenwirkungen treten jedoch nur bei einem von hundert bis tausend Behandelten auf.

Was ist bei der Anwendung von Argatroban zu beachten?

Gegenanzeigen

Argatroban darf nicht eingesetzt werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der anderen Bestandteile des Medikaments
  • unkontrollierten Blutungen
  • schwerer Leberfunktionsstörung

Wechselwirkungen

Wird Argatroban gleichzeitig mit anderen Gerinnungshemmern (wie ASS/Acetylsalicylsäure, Clopidogrel, Phenprocoumon, Warfarin, Dabigatran) verabreicht, kann das Blutungsrisiko erhöht sein. Das gilt auch für die Einnahme von ASS als Schmerzmittel, Ibuprofen und Diclofenac (weitere Schmerzmittel).

Die Infusionspräparate mit dem Wirkstoff Argatroban enthalten zur Verbesserung der Löslichkeit Ethanol (Trinkalkohol). Sie bergen damit ein mögliches Gesundheitsrisiko für Leberkranke, Alkoholkranke, Epileptiker und Patienten mit bestimmten Erkrankungen des Gehirns. Auch Wechselwirkungen mit Metronidazol (Antibiotikum) und Disulfiram (Mittel bei Alkoholabhängigkeit) sind nicht auszuschliessen.

Altersbeschränkung

Die Daten zur Anwendung von Argatroban bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sind begrenzt. Es können keine Empfehlungen hinsichtlich der Dosierung gegeben werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Die vorliegenden Daten zur Anwendung in der Schwangerschaft sind unzureichend. Eine Behandlung mit Argatroban sollte bei Schwangeren daher nur dann eingeleitet werden, wenn dies unbedingt erforderlich ist. Besser untersuchte Alternativen sind Danaparoid und Fondaparinux.

Es ist nicht bekannt, ob Argatroban in die Muttermilch übertritt. In tierexperimentellen Untersuchungen an Nagetieren mit radioaktiv marktiertem Argatroban zeigte sich eine Anreicherung in der Muttermilch. Aus Sicherheitsgründen wird deshalb von einer Anwendung bei stillenden Müttern abgeraten. Gegebenenfalls muss für die Dauer der Behandlung das Stillen unterbrochen werden.

So erhalten Sie Medikamente mit Argatroban

Argatroban ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz rezeptpflichtig, wird jedoch nicht auf Rezept verordnet, da die Anwendung stationär unter ärztlicher Aufsicht erfolgen muss.

Seit wann ist Argatroban bekannt?

Der Gerinnungshemmer Argatroban wurde erstmals 1990 in Japan zugelassen. Zehn Jahre später erhielt der Wirkstoff in den USA die Zulassung für die Behandlung von Blutgerinnseln bei Patienten mit einer HIT.

Im Jahr 2002 wurde die Zulassung erweitert auf Patienten, die zuvor eine HIT hatten oder Risikopatienten dafür sind. Das erste in Deutschland und Österreich verfügbare Präparat mit dem Wirkstoff Argatroban wurde im Jahr 2010 zugelassen. Die Zulassung in der Schweiz folgte 2014.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Benjamin Clanner-Engelshofen
Benjamin Clanner-Engelshofen

Benjamin Clanner-Engelshofen ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Er studierte Biochemie und Pharmazie in München und Cambridge/Boston (USA) und merkte dabei früh, dass ihm die Schnittstelle zwischen Medizin und Naturwissenschaft besonders viel Spaß macht. Deshalb schloss er noch ein Studium der Humanmedizin an.

Quellen:
  • Aktories, K. et al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 11. Auflage, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2013.
  • Di Nisio, M. et al. (2005). Direct thrombin inhibitors. The New England journal of medicine, 353(10), 1028–1040.
  • Pharmakovigilanz und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin: Argatroban, unter: www.embryotox.de (Abruf: 27.02.2022).
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