Apomorphin

Von , Apotheker, Arzt
Benjamin Clanner-Engelshofen

Benjamin Clanner-Engelshofen ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Er studierte Biochemie und Pharmazie in München und Cambridge/Boston (USA) und merkte dabei früh, dass ihm die Schnittstelle zwischen Medizin und Naturwissenschaft besonders viel Spaß macht. Deshalb schloss er noch ein Studium der Humanmedizin an.

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Apomorphin ist ein Dopamin-Agonist, vermittelt also die Wirkung des körpereigenen Botenstoffs Dopamin im Gehirn. Es kann unter anderem zur Behandlung der Parkinson-Krankheit, als Mittel gegen Erektionsstörungen und als Brechmittel genutzt werden. Wegen der teilweise schweren Nebenwirkungen ist es aber kein Mittel der ersten Wahl. Hier lesen Sie alles Interessante zu Apomorphin!

So wirkt Apomorphin

Apomorphin imitiert im zentralen Nervensystem den Botenstoff Dopamin und bindet an dessen Andockstellen (Rezeptoren). Dadurch vermittelt der Wirkstoff die dopamintypischen Wirkungen.

>> Parkinson-Krankheit:

Bei der Parkinson-Krankheit sterben nach und nach Nervenzellen ab, die Dopamin bilden und ausschütten. Die Anwendung von Apomorphin kann daher hilfreich sein. Der Wirkstoff kommt jedoch meist erst zum Einsatz, wenn die nebenwirkungsärmeren Therapieoptionen ausgeschöpft sind.

Dazu gehören besser verträgliche Dopamin-Agonisten und der Wirkstoff L-Dopa, eine Vorläufersubstanz von Dopamin, die der Körper zu Dopamin umwandeln kann. Die L-Dopa-Therapie lässt sich im Mittel etwa für zehn Jahre durchführen, bevor es zu sogenannten On-Off-Phänomenen kommt.

Dabei wird wie zuvor eine gleichbleibende Menge L-Dopa verabreicht, jedoch schwankt die Wirksamkeit drastisch - an einem Tag wirkt das Medikament gut, am nächsten Tag kaum. Diese Schwankungen werden stärker, bis L-Dopa irgendwann kaum noch wirkt. Zu diesem Zeitpunkt kann eine Therapie mit Apomorphin begonnen werden, das teilweise als letzte Therapiemöglichkeit gilt.

Bei der Parkinson-Diagnosestellung wird teils auch der sogenannte Apomorphin-Test durchgeführt. Dabei wird dem Patienten versuchsweise der Wirkstoff gespritzt, um zu prüfen, ob sich die krankheitstypischen Bewegungsstörungen damit lindern lassen.

>> Erektionsstörungen:

Bei der Parkinson-Behandlung mit Apomorphin entdeckte man zufällig, dass männliche Patienten mit Potenzstörungen wieder eine Erektion bekommen können. In der Folge wurde der Wirkstoff einige Jahre auch als Mittel gegen Potenzstörungen vermarktet. Wegen zu geringer Verkaufszahlen wurden die betreffenden Präparate dann aber wieder vom Markt genommen.

>> Brechmittel:

In der Notfallmedizin und in der Tiermedizin wird Apomorphin zusätzlich als zuverlässiges Mittel zum Auslösen des Brechreizes (Emetikum) eingesetzt - allerdings ausserhalb seiner Zulassung ("Off-Label-Use").

Obwohl Apomorphin chemisch gesehen ein Abkömmling (Derivat) von Morphin ist, hat es keine schmerzstillenden oder sonstigen Effekte, die man von einem Morphin-Abkömmling erwarten würde.

Aufnahme, Abbau und Ausscheidung

Apomorphin wird üblicherweise gespritzt, wodurch es sehr schnell in den Körperkreislauf gelangt. Dadurch setzt seine Wirkung meist in weniger als zehn Minuten ein. Der Wirkstoff wird dann schnell abgebaut (teilweise in der Leber) und über die Nieren ausgeschieden. Die Zeit, nach der die Hälfte von Apomorphin den Körper wieder verlassen hat (Halbwertszeit), beträgt circa eine halbe Stunde.

Wann wird Apomorphin eingesetzt?

Apomorphin ist in folgenden Anwendungsgebieten (Indikationen) offiziell zugelassen:

  • Behandlung von motorischen Fluktuationen ("On-Off"-Phänomen) bei Patienten mit Morbus Parkinson, die durch oral angewendete Antiparkinsonmittel nicht hinreichend eingestellt werden können

Die Anwendung bei Potenzstörungen oder als Brechmittel kann mit den verfügbaren Präparaten ausserhalb des Zulassungsbereichs ("Off-Label-Use") oder mit importierten Fertigarzneimitteln erfolgen.

Die Dauer der Anwendung richtet sich nach der Grunderkrankung.

So wird Apomorphin angewendet

Die in Deutschland, Österreich und der Schweiz verfügbaren Apomorphin-Präparate sind nur zur Injektion oder Infusion (auch zur kontinuierlichen Infusion mittels einer Pumpe) geeignet. Dafür stehen Fertigspritzen und Fertig-Pens (ähnlich den Insulin-Pens) zur Verfügung, sodass sich der Patient auch selbst nach einer Einweisung durch den Arzt den Wirkstoff spritzen kann.

Zu Beginn muss die individuell passende Dosierung ermittelt werden: Prinzipiell kann sie ein bis hundert Milligramm Apomorphin pro Tag betragen; im Mittel sind es 3 bis 30 Milligramm pro Tag. Pro Einzeldosis dürfen aber nicht mehr als zehn Milligramm des Wirkstoffes verabreicht werden.

Zusätzlich wird im Allgemeinen ein weiterer Wirkstoff gegeben (meist Domperidon), der die starke Übelkeit (Apomorphin-Nebenwirkung) unterdrückt.

Die Anwendung von Apomorphin bei Potenzstörungen erfolgt meist als Sublingualtablette. Das ist eine Tablette, die unter die Zunge gelegt wird, wo sie sich schnell auflöst. Bei dieser Darreichungsform tritt die gewünschte Wirkung ausreichend schnell ein, während die Nebenwirkungen meist nur sehr gering ausfallen.

Welche Nebenwirkungen hat Apomorphin?

Bei einem von zehn bis hundert Patienten zeigen sich Nebenwirkungen in Form von Verwirrtheitszuständen, Halluzinationen, Beruhigung, Schläfrigkeit, Schwindel, Benommenheit, häufigem Gähnen, Übelkeit, Erbrechen und Reaktionen an der Einstichstelle wie Rötung, Empfindlichkeit, Juckreiz und Schmerzen.

Gelegentlich kommt es zu einer Hautschädigung an der Einstichstelle, Hautausschlägen, Atembeschwerden, Blutdruckabfall beim Aufstehen aus liegender oder sitzender Position, Störungen des Bewegungsablaufs und Blutarmut (Anämie).

Was ist bei der Anwendung von Apomorphin zu beachten?

Gegenanzeigen

Apomorphin darf nicht angewendet werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der anderen Bestandteile des Medikaments
  • beeinträchtigter Atemsteuerung (Atemdepression)
  • Demenz
  • Psychose
  • Leberfunktionsstörung
  • Patienten, die auf die Gabe von L-Dopa mit einer "On-Periode" ansprechen, also mit Störungen des Bewegungsablaufs (Dyskinesien) oder unwillkürlichen Muskelkontraktionen (Dystonien)

Wechselwirkungen

Während der Behandlung mit Apomorphin sollten keine Wirkstoffe gegen Psychose und Schizophrenie (Antipsychotika) eingenommen werden. Diese wirken nämlich als Dopamin-Antagonisten, also entgegengesetzt wie Apomorphin. Bei gleichzeitiger Anwendung ist deshalb davon auszugehen, dass mindestens ein Wirkstoff nicht ausreichend effektiv ist.

Bluthochdruckmittel (Antihypertensiva) können bei der gleichzeitigen Anwendung mit Apomorphin womöglich verstärkt blutdrucksenkend wirken.

Wirkstoffe, welche die Reizweiterleitung am Herzen verlangsamen (genauer: das sogenannte QT-Intervall verlängern), dürfen nicht mit Apomorphin kombiniert werden, da dies zu lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen führen kann. Beispiele hierfür sind bestimmte Mittel gegen Depressionen (Amitriptylin, Citalopram, Fluoxetin), Antibiotika (Ciprofloxacin, Azithromycin, Metronidazol) und Mittel gegen Pilzinfektionen (Fluconazol, Ketoconazol).

Altersbeschränkung

Apomorphin ist bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren kontraindiziert.

Schwangerschaft und Stillzeit

Zur Anwendung von Apomorphin bei Schwangern liegen keine Daten vor. Zumindest in tierexperimentellen Studien ergaben sich keine Hinweise auf eine fruchtbarkeitsgefährdende und fruchtschädigende Wirkung (Reproduktionstoxizität). Da diese Ergebnisse aber nicht einfach auf den Menschen übertragbar sind, wird gemäss Fachinformation empfohlen, Apomorphin bei schwangeren Frauen nicht anzuwenden.

Es ist nicht bekannt, ob Apomorphin in die Muttermilch übertritt. Ein Risiko für Stillkinder kann daher nicht ausgeschlossen werden. Experten empfehlen daher, dass der behandelnde Arzt und die Mutter gemeinsam entscheiden, ob die Behandlung fortgesetzt (evtl. unter Abstillen) oder beendet wird.

So erhalten Sie Medikamente mit Apomorphin

Präparate mit dem Wirkstoff Apomorphin sind in Deutschland, Österreich und Schweiz in jeder Dosierung und Darreichungsform verschreibungspflichtig.

Seit wann ist Apomorphin bekannt?

Bereits 1869 konnten die Chemiker Augustus Matthiessen und Charles Wright durch das Kochen von reinem Morphin - einem starken Schmerzmittel - in konzentrierter Salzsäure einen neuen Stoff gewinnen, den sie Apomorphin nannten.

Dieser wirkt allerdings ganz anders als die Ausgangssubstanz. Statt als Schmerzmittel wurde Apomorphin deshalb zuerst als starkes Brechmittel in die Medizin eingeführt.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Benjamin Clanner-Engelshofen
Benjamin Clanner-Engelshofen

Benjamin Clanner-Engelshofen ist freier Autor in der NetDoktor-Medizinredaktion. Er studierte Biochemie und Pharmazie in München und Cambridge/Boston (USA) und merkte dabei früh, dass ihm die Schnittstelle zwischen Medizin und Naturwissenschaft besonders viel Spaß macht. Deshalb schloss er noch ein Studium der Humanmedizin an.

Quellen:
  • Aktories, K. et al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 11. Auflage, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2013.
  • Fachinformation: Apomorphin, unter www. fachinfo.de (Abruf: 19.02.2022).
  • Geisslinger, G. et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen - Pharmakologie, Klinische Pharmakologie, Toxikologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 11. Auflage, 2020.
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