Wie Fruchtzucker das Hirn verändert
Zu viel Fructose kann offenbar die Leistungskraft des Gehirns mindern. Trotzdem wird sie wegen ihrer grossen Süsskraft vielen Lebensmitteln beigemengt. Doch es gibt ein Gegenmittel: Fisch.
Joghurt und Limonade, Kuchen und Eis, Ketchup und Fertigmahlzeiten – Fructose steckt nicht nur in Früchten. Die Zuckerart ist besonders süss – und besonders billig, darum wird sie in der Nahrungsmittelindustrie in Massen eingesetzt. Das ist problematisch, denn in grossen Mengen konsumiert, ist Fructose, die aus eigentlich gesunden Früchten oder Mais stammt, ziemlich ungesund. Sie macht nicht nur dick, sondern belastet auch die Leber und fördert Diabetes und Herzkreislauferkrankungen.
Und: „Ein hoher Fructosekonsum verändert Hunderte von Genen im Gehirn. Darunter leidet unter anderem das Gedächtnis“, sagt Xia Yang von der University of California in Los Angeles gegenüber NetDoktor. Herausgefunden haben die US-Forscherin und ihr Team das in Experimenten mit Ratten.
Für ihre Untersuchung gaben sie den Tieren fructosehaltiges Wasser zu trinken. Über mehrere Wochen hinweg konsumierten die Nager so Fructosemengen, die beim Menschen einem täglichen Limonadenkonsum von einem Liter entspricht.
Verirrt im Labyrinth
Die Zuckerkur verschlechterte die Gedächtnisleistung der Tiere erheblich: Sie brauchten doppelt so lange, um aus einem bereits bekannten Labyrinth wieder herauszufinden. „Wir gehen davon aus, dass die Fructose ihr Erinnerungsvermögen geschwächt hat“, sagt Yang. Vorangegangenen Studien hätten bereits gezeigt, dass ein hoher Fructosekonsum langfristig mit einem geistigen Abbau einhergeht. „Daher nimmt man an, dass Fructose sogar ein Risikofaktor für Alzheimer sein könnte“, sagt Yang.
Eine Analyse von mehr als 20.000 Genen in den Rattenhirnen ergab, dass sich unter der fructosereichen Ernährung mehr als 900 Gene verändert hatten. Der Zucker hatte zum Teil bestimmte Molekülgruppen an den DNA-Baustein Cytosin angeheftet oder sie vom Cytosin abgekoppelt. Auf diese Weise – man spricht von epigenetischen Veränderungen – können Gene aktiviert oder stillgelegt werden. So steuert der Körper wesentlich die Funktion der Zellen.
900 falsch programmierte Gene
Verändert waren mehr als 200 Gene im Hippocampus, der entscheidend für die Gedächtnisleistung ist. Noch weit mehr, nämlich rund 700 Gene, waren im Hypothalamus betroffen, der eine zentrale Rolle bei der Regulierung der Stoffwechselprozesse spielt. „Unsere Studie zeigt, dass Fructose in spezieller Weise mit der biochemischen Maschinerie von Körper und Gehirn interagiert”, erklärt Yeng.
Schützende Fettsäure
Und noch etwas fanden die Forscher heraus: Schutz vor den fructosebedingten Veränderungen im Gehirn bietet offenbar eine spezielle Fettsäure: Docosahexaenoic acid (DHA), die zu den Omega-3-Fettsäuren gehört. Ratten, die neben dem Fructosewasser eine besonders DHA-haltige Kost gefressen hatten, waren in ihrer Gedächtnisleistung nicht beeinträchtigt. Sie konnten sich den Weg, der aus dem Labyrinth herausführte, ebenso gut merken wie Tiere, die nur Wasser erhalten hatten. „DHA versetzt die veränderten Gene wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurück“, erklärt Yang, „und zwar nicht nur eins oder zwei, sondern alle.“
Schmiermittel fürs Gehirn
DHA ist ein wichtiger Bestandteil der Zellmembranen, insbesondere der von Hirnzellen. Es hilft die Synapsen von Nervenzellen miteinander zu verknüpfen und ist daher wichtig für Lernen und Gedächtnis. Der Körper kann den Stoff zwar selbst produzieren, allerdings nicht in ausreichender Menge. Daher muss DHA mit der Nahrung aufgenommen werden. „Die beste Quelle dafür ist Wildlachs, aber auch Walnüsse enthalten viel DHA“, sagt Yeng.
Derzeit analysieren die Wissenschaftler den Einfluss von Fructose auf andere Organe wie die Leber,aber auch das Fettgewebe, die entscheidend an der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes beteiligt sind. „Wir wollen verstehen, welche Rolle Fructose dort spielt“, sagt Yang. Schon jetzt haben die Forscher einige physiologische Veränderungen beobachtet – beispielsweise verändern sich die Blutfettwerte und die Insulinausschüttung.“Wir erwarten, auch in anderen Geweben gravierend veränderte Gene zu finden“, sagt Yang.
Trotz der zahlreichen negativen Auswirkungen von Fruchtzucker – den Genuss ganzer Früchte empfehlen die Forscher auch weiterhin. Yeng betont: „Früchte enthalten viele gesunde Bestandteile wie Antioxidanzien, Vitamine und Ballaststoffe. Und gerade letztere sind nicht nur gut für den Darm, sie verhindern auch, dass die Fructose zu schnell in den Körper gelangt.“
Quelle: Qingying Meng et al.: Systems Nutrigenomics Reveals Brain Gene Networks Linking Metabolic and Brain Disorders, http://dx.doi.org/10.1016/j.ebiom.2016.04.008