Pankreas aus der Dose
Transplantierte Inselzellen könnten Diabetikern eines Tages das tägliche Spritzen ersparen. Eine raffinierte Verpackung schützt die winzigen Insulinfabriken vor den Attacken des Immunsystems.
Bei manchen Menschen wird das Immunsystem zum Amokläufer: Statt Krankheitserreger unschädlich zu machen, attackiert es plötzlich die eigenen Körperzellen. Im Fall von Typ-1-Diabetes sind die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse das Opfer. Die Folgen sind bekannt: Der Körper verliert die Fähigkeit, lebenswichtiges Insulin zu produzieren, der Patient muss es lebenslang spritzen.
Transplantierte Inselzellen
„Eine mögliche Alternative wäre eine Transplantation von insulinproduzierenden Zellen“, sagt Prof. Stefan Bornstein im Gespräch mit NetDoktor. Doch das hat einen gravierenden Haken: Ebenso wie nach der Transplantation eines Herzens oder nach einer Lebertransplantation muss der Empfänger lebenslang Medikamente nehmen, die das Immunsystem unterdrücken, damit es die fremden Zellen nicht angreift. Und die haben erhebliche Nebenwirkungen. Im Fall von Typ-1-Diabetes fällt die Entscheidung für diese Massnahme bislang schwer – denn die Krankheit selbst ist, anders als ein versagendes Herz, nicht unmittelbar lebensbedrohlich.
Verpackte Insulinfabriken
Die Forscher aus Dresden haben das Problem mit einem raffinierten Trick gelöst. Sie haben insulinprodzierende Bauchspeicheldrüsenzellen menschlicher Spender in eine flache Dose verpackt, gross wie ein Herzschrittmacher. Diese ist mit einer teflonbeschichteten Membran ausgestattet, die ähnlich funktioniert wie eine atmungsaktive Jacke: Durch sie gelangt zwar Insulin in den Körper, aber die für die Inselzellen gefährlichen Antikörper kommen nicht hinein. Ausserdem sind die Zellen in ein spezielles Algengel gebettet, das zusätzlich vor den Angriffen des Immunsystems schützt.
Gummischlauch unter der Haut
„Hauptproblem war es allerdings, die Zellen mit Sauerstoff zu versorgen“, sagt Bornstein. Sie über den Blutkreislauf zu versorgen war nicht möglich: „Dann hätten auch Immunzellen Zugang gehabt“, so der Wissenschaftler. Gelöst haben die Forscher das Problem mithilfe dünner Gummischläuche unter der Haut, über die die Patienten einmal am Tag selbst Sauerstoff zuführen können. „Wir arbeiten aber daran, dass dies nur noch einmal pro Wochen notwendig ist“, so Bornstein, der die Methode auf dem 57. Symposium der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie vorstellen wird, die vom 19. bis 22. März in Dresden stattfindet.
Bislang produziert der Bioreaktor nur geringe Mengen Insulin – das heisst, der Patient muss trotzdem noch spritzen. Durch eine Optimierung der Technik könnte sich diese Menge jedoch reduzieren. „Auch dass Diabetiker völlig unabhängig von der Spritze werden, ist denkbar“, sagt der Forscher.
Wiederhergestellte Sensibilität
Profitieren tuen die Patienten aber schon jetzt. „Viele Menschen, die seit vielen Jahren Diabetes haben, spüren nicht mehr, wenn sie in den Unterzucker gleiten“, sagt Bornstein. Diese Patienten leben in ständiger Angst - denn ihnen droht ein lebensgefährliches Koma. „Wir haben festgestellt, dass die künstliche Bauchspeicheldrüse diese Sensitivität wieder herstellt.“
Schweine als Spender
Und noch einen weiteren Vorteil hat die verkapselte Pankreas: Da sie Abstossungsreaktionen verhindert, ist die Technik unabhängig von menschlichen Spendern. Bornstein sagt: „Theoretisch können wir auch Inselzellen von Schweinen einsetzen.“ So hätte man auch den Mangel an Spendern elegant gelöst.