Stammzellen - FAQs
Stammzellen gelten als wichtige Hoffnungsträger für die Therapie verschiedener Krankheiten. Die häufigsten Fragen zum Thema Stammzellen
Was sind Stammzellen?
Die klassische Definition für eine Stammzelle lautet: Selbsterneuerung und vielfaches Entwicklungspotenzial. Das heisst, Stammzellen können sich selbst erneuern und immer neue Stammzellen hervorbringen, sie sind sozusagen unsterblich. Aus einer Stammzelle kann aber auch jede andere Zellart des Körpers entstehen. Stammzellen sind also im Prinzip eine unerschöpfliche Quelle von Ersatzzellen, mit welchen theoretisch Gewebeschäden repariert werden können.
Was ist der Unterschied zwischen embryonalen und adulten Stammzellen?
Adulte Stammzellen bleiben in vielen Organen nach Abschluss der Körperentwicklung zurück, zum Beispiel in der Haut oder im Blut. Auch sie sind selbsterneuernd und haben regenerierendes Potenzial. Sie können allerdings nur Zellen einer ganz bestimmten Gewebeart bilden. Da sie vorgeprägt sind, sind sie für eine Zellersatztherapie nur bedingt geeignet. Embryonale Stammzellen dagegen sind ein völlig "unbeschriebenes Blatt". Aus ihnen kann sich theoretisch jede Zell- und somit auch jede Gewebeart des Körpers entwickeln.
Was sind pluripotente Stammzellen?
Pluripotent bedeutet, dass eine Stammzelle sich in alle Zelltypen der drei Keimblätter des Embryos und somit in alle Zell- und Gewebetypen des Körpers entwickeln kann. Das berühmteste Beispiel für eine pluripotente Stammzelle ist die embryonale Stammzelle. Pluripotente Stammzellen sind in den letzten Jahren vor allem als sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen bekannt geworden.
Was sind induzierte pluripotente Stammzellen?
Wissenschaftlern ist es gelungen, normale Körperzellen mithilfe bestimmter Faktoren zu verjüngen und sie in ihr Embryonal- bzw. Stammzellstadium zurück zu entwickeln. Dazu haben sie bestimmte Kontrollgene in die Körperzellen eingeschleust. Aus den so entstandenen Stammzellen haben die Forscher verschiedene Gewebearten gezüchtet - ohne einen Embryo zu zerstören. Das Risiko: Durch die künstlich herbeigeführte Pluripotenz kann das Erbgut der Zellen geschädigt werden. Tumore und die Entstehung einer Krebskrankheit können die Folge sein.
Warum gibt es so eine grosse Debatte um Stammzellen?
In der sogenannten Blastozyste, die sich zwischen dem vierten und siebten Tag nach der Befruchtung einer Eizelle entwickelt, finden sich embryonale Stammzellen. Um diese Stammzellen zu erhalten, muss der Embryo im Frühstadium zerstört werden. Einige akzeptieren dieses Vorgehen als notwendiges Übel, für die Kritiker bedeutet das aber die Tötung von Leben. Zwar haben Wissenschaftler mithilfe von umprogrammierten Körperzellen eine ethisch unbedenkliche Alternativen zu embryonalen Stammzellen geschaffen. Diese Methode ist allerdings noch nicht ausgereift. Für eine wirksame Therapie müssen zudem erst alle grundlegenden Mechanismen aufgeklärt werden. Dafür ist viel Forschungsarbeit nötig, und zwar an embryonalen Stammzellen. Denn diese sind der Goldstandard, den es zu verstehen gilt.
Wann kommt die erste Therapie mit embryonalen Stammzellen?
Das ist schwer zu sagen. Im Oktober 2010 wurde in den USA ein teilweise Gelähmter mit embryonalen Stammzellen behandelt. Das ist der erste offizielle Versuch einer Therapie mit embryonalen Stammzellen am Menschen. Ein Jahr später wurden die umstrittenen Versuche aus Geldmangel abgebrochen - auch wenn das Zellpräparat von den Patienten gut vertragen wurde und keinerlei bedenkliche Nebenwirkungen entstanden. Eine weitere Studie zur Stammzelltherapie bei altersbedingter Makuladegeneration brachte erste positive Ergebnisse. Das ist allerdings erst der Anfang. Um eine Therapie standardmässig anbieten zu können, sind mehrere grosse klinische Studien notwendig, welche die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung nachweisen. Das ist zeitaufwändig und kostet. Selbst unter optimalen Forschungsbedingungen kann es nach Meinung von Experten daher noch bis zu 20 Jahre dauern, bis kranke Menschen standardmässig mit embryonalen oder induzierten pluripotenten Stammzellen behandelt werden können.
Welche Krankheiten könnten in Zukunft geheilt werden?
Die Erwartungen sind gross: Von Herzschäden über Diabetes, Parkinson, Multiple Sklerose, Lähmungen bis hin zu Schlaganfall und Krebs - die zellulären Alleskönner haben ein schier unerschöpfliches therapeutisches Potenzial. Tatsächlich waren einige Behandlungsversuche bereits erfolgreich - allerdings nur bei Tieren. Gelähmte Ratten zum Beispiel konnten nach einer Stammzell-Injektion ihre Hinterbeine wieder bewegen. Wissenschaftler ersetzten das durch einen Infarkt zerstörte Gewebe herzkranker Mäuse und heilten den Diabetes zuckerkranker Nager. Die Ergebnisse klingen vielversprechend. Aber solange sie nicht auch beim Menschen wiederholt werden können, sind Aussagen über mögliche Therapien Zukunftsmusik.
Welche Risiken birgt eine mögliche Stammzelltherapie?
Was Stammzellen ausmacht und weswegen sie als heisse Kandidaten bei der Wiederherstellung von kaputtem Gewebe gehandelt werden, ist gleichzeitig auch ihr grösstes Risiko: unbegrenztes Wachstum. Denn geraten Stammzellen ausser Kontrolle, kann das zu unerwünschten Gewebewucherungen und im schlimmsten Fall zu bösartigen Tumoren führen. Wie genau die Steuermechanismen dabei funktionieren, ist noch nicht restlos geklärt. Das ist aber nötig, um Stammzellen im Labor gezielt in bestimmte Körperzellen zu verwandeln.
Auch die Methoden der Stammzelltherapie selbst bergen Gefahren. Forscher können zwar mittlerweile auf die ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen verzichten. Doch das Umprogrammieren normaler Körperzellen in induzierte pluripotente Stammzellen kann die Erbinformation schädigen. Auch können sich im Laufe des Lebens bereits Mutationen im Erbgut der Körperzellen angesammelt haben. Mit den daraus gezüchteten therapeutischen Zellen bringt man aber auch diese Erbgutfehler in den Körper eines Patienten. Auch das kann zu unerwünschten Wucherungen und Krebs führen.
Ist es sinnvoll, Stammzellen aus Nabelschnurblut für sein Kind einzulagern?
Viele Eltern denken, dass sie mit der Einlagerung von Nabelschnurblut die Heilung für ihre Kinder im Falle einer Erkrankung sicherstellen. Eine Leukämie (Blutkrebs) wird aber normalerweise mit fremdem Nabelschnurblut behandelt, da das eigene Nabelschnurblut kranke Stammzellen enthält. Behandelt man den Patienten mit diesen Zellen, erkrankt er früher oder später erneut an Blutkrebs.
Viele private Anbieter für die Einlagerung von Nabelschnurblut werben damit, dass in naher Zukunft verschiedene Krankheiten wie Diabetes oder Multiple Sklerose mithilfe einer Stammzelltherapie geheilt werden können. Tatsächlich ist es bis dahin noch ein langer Weg, bei dem niemand so genau sagen kann, wann eine Stammzelltherapie beim Menschen möglich sein wird. Ganz billig ist die Einlagerung von Nabelschnurblut auch nicht. Etwa 2.000 Euro kostet die Aufbewahrung für 20 Jahre. Demgegenüber stehen die öffentlichen Nabelschnurbanken. Hier kann man das Nabelschnurblut kostenlos spenden - und damit vielleicht einem anderen leukämiekranken Menschen das Leben retten.
Autoren- & Quelleninformationen
- G. Kempermann: Neue Zellen braucht der Mensch: Die Stammzellforschung und die Revolution der Medizin. Piper 2008
- Kompetenznetzwerk Stammzellforschung NRW; www.stammzellen.nrw.de (Abruf: 08. Oktober 2012)