Prostatakrebs – Onlinewegweiser im Therapiedschungel
Bei Prostatakrebs gibt es oft mehrere Therapieoptionen. Ein individuell angepasstes Onlinetutorial soll Erkrankten nun helfen, die für sie beste Alternative zu finden.
Abwarten und beobachten? Eine antihormonelle Therapie? Oder sicherheitshalber doch gleich das grosse Programm mit OP und Bestrahlung? Bei Prostatakrebs gibt es oft mehrere Behandlungsoptionen – mit unterschiedlichen Nebenwirkungen.
Auf welche Therapie letztlich die Wahl fällt, hängt dann nicht nur vom Stadium der Erkrankung und der Aggressivität des Tumors ab, sondern auch stark vom Patienten selbst. Wie gross ist sein Sicherheitsbedürfnis? Wie ist sein Gesundheitszustand insgesamt? Hat er ein erfülltes Liebesleben, das durch einen grösseren Eingriff bedroht wäre?
Alle diese Aspekte müssen sorgfältig abgewogen werden – und das ist nur möglich, wenn der Patient umfassend informiert ist. Im Sprechzimmer des Arztes überfordert die Flut der zu verdauenden Informationen viele.
Individuell angepasstes Onlinetutorial
Mediziner der Deutschen Gesellschaft für Urologie haben nun ein Onlineangebot entwickelt, das die Entscheidungsfindung wesentlich unterstützen soll. Dafür erhält jeder Patient einen individuellen Zugangscode zu dem Onlinetutorial, damit nur er in seine persönlichen Daten Einblick hat.
„Der besondere Charme ist, dass alle wesentlichen Informationen anhand kurzer Videos vermittelt werden, die der Patient sich auch gemeinsam mit der Partnerin oder einem anderen Vertrauten anschauen kann“, erklärt Privatdozent Johannes Huber, Projektleiter der Entscheidungshilfe Prostatakrebs gegenüber NetDoktor. Das fördert das Gespräch zwischen Betroffenen und Angehörigen über ein schwieriges, angstbesetztes Thema.
Entwickelt wurde es für Männer, bei denen der Krebs noch nicht gestreut hat. Welche Behandlungsoptionen im konkreten Fall in Frage kommen, ergibt sich aus acht medizinischen Eckdaten, die der Patient zuvor von seinem Arzt erhält und die er beim Starten des Programms zuallererst eingibt. Dazu zählen das klinische Stadium, der PSA-Wert oder die Menge des Tumorgewebes die in einer Stanzbiopsie gefunden wurde. Anhand dieser Basisangaben wird gefiltert, welche Varianten der Informationsvideos der Betroffene erhält.
Herausfinden, was wichtig ist
Darüber hinaus füllt der Patient - ebenfalls online - detaillierte Fragebögen aus – zu etwaigen weiteren Krankheiten, aber auch zu seinen persönlichen Bedürfnissen und Haltungen. „Darin erfassen wir beispielsweise nicht nur, wie es um seine Sexualfunktionen bestellt ist, sondern auch wie wichtig es für ihn ist Geschlechtsverkehr haben zu können – oder auch, wie schlimm eine Inkontinenz wäre“, so Urologe Huber.
Ein weiter zentraler Punkt, der geklärt werden muss: Wie wichtig ist es dem Erkrankten, dass ihm die Behandlung eine maximale Lebenserwartung bietet – wofür im Gegenzug allerdings meist drastischere Therapiemassnahmen notwendig wären. Ergänzt wird das Paket durch ein psychonkologisches Screening – „so erfahren wir, ob der Patient depressiv ist oder unter grossen Ängsten leidet“, sagt Huber.
Etwa zwei Stunden nimmt das Procedere in Anspruch, dann fasst das Programm die wichtigsten Ergebnisse ausdruckfähig für den Arzt zusammen. Auf dieser soliden Basis lässt sich dann beim nächsten Besuch eine Entscheidung fällen, die alle wichtigen Aspekte berücksichtigt.
Die persönliche Meinung zählt
„Für die Patienten ist es sehr wichtig, das Gefühl zu haben, dass ihre Meinung zählt und wertgeschätzt wird“, weiss Huber. Damit steigt die Therapiezufriedenheit, Ängste werden abgebaut und das bedrückende Gefühl der Erkrankung ausgeliefert zu sein schwindet.
Vorteil für den Arzt ist, dass er es mit einem gut informierten Gegenüber zu tun hat, das die Entscheidung für die Therapie mitträgt – und natürlich, dass er die zur Verfügung stehende Zeit optimal zur gemeinsamen Entscheidungsfindung nutzen kann. „Der Beratungsbedarf ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich“, sagt Huber. Gerade für niedergelassene Ärzte ist es wichtig, entlastet zu werden, wo es nur um die reine Information geht.
Mehr als 1000 Teilnehmer
Schon jetzt ist das Projekt ein Erfolg: Seit dem Startschuss im Juni 2016 haben schon mehr als 1000 Patienten den Onlineentscheidungshelfer genutzt. 88 Prozent von ihnen waren mit dem Angebot sehr zufrieden. „66.000 Männer erhalten jedes Jahr die Diagnose Prostatakrebs“, sagt Huber. Der Grossteil von ihnen muss anschliessend eine unter Umständen lebensentscheidende Wahl treffen. Ihnen allen könnte diese nun ein wenig leichter gemacht werden.
Interessierte Patienten können ihren Arzt auf das kostenlose Programm aufmerksam machen. Weitere Informationen: www.entscheidungshilfe-prostatakrebs.info.