„Erholung lässt sich nicht speichern“
Der Urlaub ist zu Ende, der Schreibtisch hat Sie wieder. Was lässt sich aus den Ferien in den Alltag hinüberretten? Wie können Sie möglichst lange von der Auszeit profitieren? Im NetDoktor-Interview gibt Urlaubsforscher Dr. Gerhard Blasche* Tipps für den entspannten Wiedereinstieg.
Herr Dr. Blasche, gerade noch am Badestrand, jetzt wieder im Büro - warum fällt den meisten Menschen das Zurückkommen so schwer?
Viele haben sich im Urlaub vom Arbeitsalltag entwöhnt. Sie hatten Zeit, die Seele baumeln zu lassen und das zu tun, was sie möchten. Leider ist im Alltag dann vieles wieder anders. Von aussen stürmen viele Anforderungen auf die Urlaubsrückkehrer ein, die sie vollkommen in Beschlag nehmen. Wer frisch aus dem Urlaub kommt, ist anfälliger für Stress, haben wir in einer Studie herausgefunden. Die meisten brauchen deswegen ein paar Tage, um sich in der hektischeren Arbeitswelt wieder zurechtzufinden.
Wie kann man verhindern, dass der Übergang vom Urlaub zur Arbeit zu abrupt ausfällt?
Am besten gönnen Sie sich noch ein oder zwei Tage zu Hause, bevor Sie wieder in den Job starten. So gewöhnen Sie sich wieder an das andere Klima, die andere Zeitzone oder den anderen Lebensstil. Nehmen Sie sich lästige Dinge wie Wäschewaschen am besten gleich vor und schleppen sie diese nicht mit in die erste Arbeitswoche. Ganz wichtig ist, dass Sie sich an den ersten Tagen im Job nicht zu viel vornehmen. Sie müssen nicht gleich alles erledigen, was sich auf dem Schreibtisch angesammelt hat. Sonst ist der Erholungseffekt gleich wieder weg.
Können wir die Urlaubserholung nicht einfach speichern?
Das wäre schön, funktioniert aber leider nicht. Sie können das gut mit dem Ausgeschlafensein vergleichen: Wenn Sie genügend geschlafen haben, fühlen Sie sich sehr gut. Das heisst aber nicht, dass Sie in den nächsten Tagen keinen Schlaf brauchen - er lässt sich nicht speichern. Genauso ist das mit der Erholung im Urlaub.
Dann ist das Urlaubsgefühl begrenzt - wie lässt es sich so lange wie möglich retten?
Sie können die Gelassenheit aus dem Urlaub mitnehmen und sie in den Alltag integrieren. Achten Sie zu Hause gezielt auf Ihre Erholung, nehmen Sie sich Zeit für sich. Und machen Sie Arbeitspausen im Job. Denn von diesen hängt letztlich Ihre Leistungsfähigkeit ab. Auch körperliche Fitness intensiviert übrigens den Urlaubseffekt. Es gibt Hinweise, dass die Erholung länger anhält, wenn Sie im Urlaub körperlich aktiv waren. Damit fördern Sie Ihre Herz-Kreislauf-Funktion und sind stressresistenter, wenn Sie wieder in den Arbeitsalltag zurückkehren.
Nicht jeder will im Urlaub turnen, manche liegen lieber am Strand.
Und das ist auch gut so, denn jeder empfindet ja etwas anderes als erholsam. Der eine liest lieber Bücher, der andere kraxelt auf Bergern herum. Das sollten Sie bei der Urlaubsplanung berücksichtigen, gerade bei Urlauben mit der Familie. Man muss ja nicht immer alles zusammen machen. Je zufriedener der Einzelnen im Urlaub ist, desto grösser ist der Erholungseffekt für alle.
Die Familie gilt laut Umfragen allerdings auch als grosser Stressfaktor im Urlaub.
Während des Urlaub verbringt man mehr Zeit miteinander - klar können da auch die unterschiedliche Interessen aufeinander krachen. Während der eine vielleicht gerne genau plant, möchte der andere lieber in den Tag hinein leben. Das ist möglicher Zündstoff. Es kann aber auch ganz anderes sein: die Erlebnisse zusammen können zum Beispiel die Partnerschaft stärken. Das sind dann die Dinge, an die man sich auch im Alltag wieder gerne zurückerinnert.
Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub - wie wichtig ist die Vorfreude auf die nächste Auszeit?
Sie ist mindestens so wichtig wie die Erinnerung an den Strand oder die Berge. Die Vorfreude beeinflusst die Stimmung positiv und hebt die Laune. Ganz allgemein finde ich es sinnvoll, sich mehrere kleine Urlaube im Jahr zu gönnen.
Es heisst aber, man solle mindestens zwei Wochen am Stück Urlaub machen, sonst erhole man sich kaum. Stimmt das nicht?
Die grösste Erholung stellt sich schon in den ersten Urlaubstagen ein. Wie lange man Urlaub machen soll, dazu gibt es keine gesicherten Studien. Meine persönliche Empfehlung sind etwa zehn Tage Urlaub am Stück. So haben Sie genügend Zeit, richtig in den Urlaub hinein und wieder in den Alltag zurückzukommen. Die wichtigste Voraussetzung für einen guten Erholungseffekt ist, dass Sie im Urlaub abschalten können und nicht ständig für Ihren Job E-Mails lesen, im Internet surfen oder Ihr Smartphone ans Ohr pressen.
Dank der neuen Medien ist das ja eine echte Herausforderung.
Genau. Sie müssen sich im Urlaub innerlich von Ihrer Arbeit distanzieren können. Denn wenn Sie weiter an an ihren Job denken, sich mit den dortigen Problemen beschäftigen, dann halten Sie Ihren Stresspegel hoch. Fallende Stresspegel sind aber die Voraussetzung für gute Erholung. Schalten Sie im Urlaub also lieber ab - auch das Handy.
Herr Dr. Blasche, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte NetDoktor.de-Redakteurin Luise Heine