Kölner Verein „Fair.Stärken“ hilft ukrainischen Kindern

Die Sehnsucht nach Frieden ist groß

Von , Redakteurin
Miriam Steinbach

Miriam Steinbach studierte Soziologie und Psychologie in Heidelberg. Anschließend absolvierte sie ein journalistisches Volontariat in Karlsruhe und schrieb Texte für ein Gesundheits- und Lifestyle-Magazin. Ihr großes Interesse an digitaler Gesundheit führte sie 2019 zur NetDoktor/mylife-Gruppe. Bei NetDoktor bringt sie seitdem ihre medizinredaktionelle Expertise vor allem im Bereich Alternativmedizin ein.

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Malen, Wasserspiele und Hula-Hoop: Der Verein „Fair.Stärken“ bietet ukrainischen Kindern und Jugendlichen in einer Gemeinschaftsunterkunft in Köln zweimal wöchentlich ein ausserschulisches Gruppenprogramm. „Zuhause in Köln“ heisst das Projekt. Traumasensible Pädagogik steht dabei im Fokus. NetDoktor war an einem Nachmittag dabei.

Kölner Verein „Fair.Stärken“ hilft ukrainischen Kindern

Umgeben von adretten Einfamilienhäusern, kompakten Doppelhaushälften und einem Bolzplatz, dessen Rasen nach Wasser lechzt, hat Viktoriia Hirfanova in einer Gemeinschaftsunterkunft in Köln-Ostheim Zuflucht gefunden. Mit ihren sieben Geschwistern und ihren Eltern fuhr die 17-jährige Ukrainerin Ende Mai mit dem Auto von Donezk nach Riga und kam von dort mit dem Flugzeug nach Deutschland. Es war eine nervenaufreibende Reise.

„Wir mussten unsere zwei Katzen und unseren Papagei zurücklassen“, erzählt die 17-Jährige mit leiser Stimme und fasst sich an ihre zwei Haarzöpfe, die sie mit bunten Gummis verziert hat. Es wirkt, als würde sie Halt an ihnen suchen. Auch von ihren Grosseltern nahm Viktoriia Abschied. Sie wohnen weiterhin im Osten der Ukraine und kümmern sich nun um die Tiere. „Ich hoffe, es geht ihnen gut“, sagt die 17-Jährige, ihr Blick wandert in die Ferne. Trotz der Sehnsucht ist sie froh, in Köln zu sein. „Endlich keine Kämpfe und kein Lärm mehr, ich bin so dankbar um Ruhe.“

TRIBUTE TO BAMBI Stiftung unterstützt „Fair.Stärken“

Viktoriia sitzt an diesem sommerlichen Nachmittag mit anderen geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine in einem 15 Quadratmeter grossen Container und knüpft dort ein Armband. Weisse und rosafarbene Wolle hat sie sich dafür ausgesucht. Konzentriert legt sie einen Faden über den anderen, scheint die Welt um sich herum vergessen zu haben.

Ihre drei kleinen Schwestern Liudmyla, Tetiana und Hanna sind ebenfalls da und malen mit Wasserfarben blaue Wale auf weisses Papier. Viktoriia hat auch ihnen Zöpfe mit vielen bunten Gummis geflochten. Dass die vier Schwestern zusammengehören, ist dadurch sofort sichtbar.

Der Kölner Verein „Fair.Stärken“ bietet zweimal die Woche dieses ausserschulische Gruppenangebot für die Kinder und Jugendlichen aus der Gemeinschaftsunterkunft. „Zuhause in Köln“ nennt sich das Projekt, das die TRIBUTE TO BAMBI Stiftung mit 10.000 Euro unterstützt, damit zunächst eine Gruppe mit 15 Teilnehmenden für ein Jahr starten kann.

„Mit unserem Gruppenangebot möchten wir Kindern, die aus der Ukraine flüchten mussten, schöne Stunden und einen sicheren Ort schaffen“, erläutert die Leiterin von „Fair.Stärken“, Mechthild Böll. Die Vision des Vereins ist ein buntes, inklusives Köln, in dem alle Kinder mit gleichen Chancen aufwachsen können, ihre Rechte kennen und anwenden sowie an Entscheidungen teilhaben, die ihr Leben betreffen.

Das Interesse am Programm in der Unterkunft in Köln-Ostheim ist gross. Jeder Stuhl in dem kleinen Container ist besetzt, die Kinder und Jugendlichen nehmen das kreative Angebot von „Fair.Stärken“ dankbar an. Es ist eine willkommene Abwechslung in ihrem Alltag in der Unterkunft. Jede Familie hat nur eine winzige Wohneinheit in den Containern. Durch die dünnen Wände dringt jedes Wort. Privatsphäre und Platz zum Spielen gibt es kaum. Vor allem für traumatisierte Kinder und Jugendliche ist die Situation eine grosse Herausforderung. Das regelmässige Programm des Kölner Vereins ist deshalb eine wichtige Konstante für die mentale Gesundheit der jungen Ukrainerinnen und Ukrainer.

Kölner Verein „Fair.Stärken“ hilft ukrainischen Kindern

„Wasserpistolen“ und „Wasserbomben“ sind tabu

Die beiden „Fair.Stärken“-Mitarbeiterinnen Deborah Helmbold und Irene Kotter koordinieren an diesem Tag das Programm. Irene Kotter spricht Russisch, ein grosser Vorteil, da die meisten Teilnehmenden bisher nur wenige deutsche Wörter kennen. Dazu gehören: danke, hallo und tschüss.

Die Themen Krieg und Flucht werden beim Spielen nur selten thematisiert. „Die Kinder sprechen bei uns kaum darüber“, hat Irene Kotter beobachtet. Das bedeutet aber nicht, dass die Erfahrungen keine tiefen Spuren in ihnen hinterliessen. Methoden der traumasensiblen Pädagogik spielen deshalb bei der Arbeit des „Fair.Stärken“-Vereins eine wichtige Rolle.

Das heisst unter anderem: Es gibt beim Fangen keine Jäger. Wörter wie Wasserpistole oder Wasserbombe sind tabu. „Wir wählen ausserdem bewusst Spiele aus, bei denen es um Kooperation und ein Miteinander geht“, erklärt Deborah Helmbold. Sie leitet bei „Fair.Stärken“ die Bereiche Soziales Lernen und Gewaltprävention.

Den Verantwortlichen des Vereins ist es wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem sich die Kinder und Jugendlichen wohl fühlen, Beziehungen aufbauen und Freude am Leben in ihrer neuen Umgebung entwickeln können. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung eines positiven Selbstverständnisses und sozialer Kompetenzen. Wettbewerb und ein Gegeneinander beim Spielen versuchen sie zu vermeiden.

Der Wunsch nach Frieden ist gross

Ehrenamtliche Unterstützung bekommen die zwei „Fair.Stärken“- Mitarbeiterinnen an diesem Sommertag von Ludmilla Burkova, die ebenfalls in der Unterkunft lebt. Die Ukrainerin flüchtete aus der Stadt Winnyzja und arbeitete dort zuletzt als Kunst-Pädagogin. Ihre Mitarbeit ist besonders wertvoll: Die Kinder können mit ihr in ihrer Muttersprache sprechen und wenden sich gerne an sie, wenn sie Hilfe bei den Motiven für ihre Wasserfarben-Bilder benötigen oder beim Knüpfen der Armbändchen nicht weiterkommen.

Auch für Ludmilla Burkova selbst ist das Projekt von „Fair.Stärken“ eine wichtige Konstante im Unterkunftsalltag geworden. „Ich habe grosses Heimweh“, erzählt die blonde Frau. In der Ukraine musste sie ihren 27-jährigen Sohn zurücklassen und ihren 84-jährigen Vater, der bereits sehr gebrechlich ist. „Ich mache mir grosse Sorgen“, sagt sie, Tränen steigen ihr in die Augen. Sie wünscht sich Frieden – so schnell wie möglich.

Für Integrationskurse angemeldet

Ebenfalls aus Winnyzja ist die 32-jährige Olena Bondarchuk mit ihrer siebenjährigen Tochter Maria (Mascha) nach Köln gekommen. Gemeinsam mit einer Freundin packte die junge Mutter Anfang März die Kinder in ein Auto und fuhr los, weg von den Bomben und Raketen. Ihre Eltern und ihre Schwester blieben. „Ich habe grosse Angst um sie“, sagt Olena Bondarchuk.

Mascha geht in Köln bereits zur Schule – mit ihrer Freundin Milena, die ebenfalls an diesem Nachmittag zum Basteln in den Container gekommen ist. Die beiden kleinen Mädchen sitzen am Tisch zusammen und knüpfen wie Viktoriia Armbändchen. Milena hat sich bei der Wolle für die Farbtöne Blau und Gelb entschieden. Mascha überlegt noch.

„Wir wollen erstmal in Köln bleiben“, erzählt Maschas Mutter, als sie kurz im Container vorbeischaut. Sie habe sich bereits für einen Integrationskurs angemeldet und möchte bald in Deutschland arbeiten. „Selbst wenn ich grosses Heimweh habe, weiss ich, dass es noch nicht der richtige Zeitpunkt für eine Rückkehr ist“, sagt die 32-Jährige.

Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz

Auch für Viktoriia und ihre Geschwister ist es klar, dass sie ihre zwei Katzen und ihren Papagei wohl noch eine Weile nicht wiedersehen werden. „Wir telefonieren deshalb oft mit unseren Grosseltern und fragen, wie es den Tieren geht“, erzählt Hanna. Das Handy gehört für die Schwestern zu den wichtigsten Gegenständen in der Unterkunft – wie für die meisten der dort lebenden Menschen aus der Ukraine.

Während die drei jüngeren Schwestern bald zur Schule gehen werden, hat Viktoriia in der Ukraine bereits die elfte Klasse abgeschlossen und überlegt sich deshalb, in Deutschland eine Ausbildung zu beginnen. „Vielleicht als Konditorin“, sagt sie. Bis sie eine Stelle gefunden hat, lernt sie nun Deutsch und ist froh um die Ruhe in Köln-Ostheim. Keine Panzer, keine Militärflugzeuge am Himmel. Einfach nur Stille.

Kölner Verein „Fair.Stärken“ hilft ukrainischen Kindern

Im Rahmen der Sonderförderung unterstützt die TRIBUTE TO BAMBI Stiftung deutschlandweit Hilfsprojekte für geflüchtete ukrainische Kinder mit einem Startkapital von 100.000 Euro. Ziel ist, dass geflüchtete Kinder und Jugendliche genau die Unterstützung bekommen, die sie gerade dringend benötigen: Im Mittelpunkt steht ein geregelter Alltag mit psychosozialer Betreuung, ein kindgerechtes Umfeld zum Spielen und Lernen und sehr viel Herzenswärme. Die Stiftung möchte dabei helfen, den Kindern Sicherheit und Perspektive zu bieten – zwei entscheidende Faktoren, um traumatische Erlebnisse zu verarbeiten.

Zu den Projekten der ersten Förderrunde zählt unter anderem „Fair.Stärken“, der Verein aus Köln. Wenn Sie die Arbeit der TRIBUTE TO BAMBI Stiftung unterstützen möchten, können Sie gerne über diesen Link spenden: https://www.tributetobambi-stiftung.de/jetzt-spenden

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Miriam Steinbach studierte Soziologie und Psychologie in Heidelberg. Anschließend absolvierte sie ein journalistisches Volontariat in Karlsruhe und schrieb Texte für ein Gesundheits- und Lifestyle-Magazin. Ihr großes Interesse an digitaler Gesundheit führte sie 2019 zur NetDoktor/mylife-Gruppe. Bei NetDoktor bringt sie seitdem ihre medizinredaktionelle Expertise vor allem im Bereich Alternativmedizin ein.

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