Cola

Diabetes – Freispruch für Cola light?

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Alle NetDoktor.ch-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Machen Lightgetränke in Wahrheit dick? Oder sogar krank? Der aktuelle Stand der Forschung zum Thema Zuckeraustauschstoffe.

Sie heissen "light", "zero" oder "zuckerfrei" und sind zuckersüss bei nahezu null Kalorien. Möglich machen das schon lange künstliche Süssstoffe. Doch die gerieten immer wieder in Verruf – erst mutmasste man, sie könnten Krebs auslösen – eine Hypothese, die inzwischen ausgeräumt scheint. Doch jetzt stehen die Süssmacher erneut unter Verdacht: Tragen sie, ebenso wie ihre zuckerlastige Verwandtschaft, zur grassierenden Übergewichtsepidemie bei? Fördern sie sogar Typ-2-Diabetes? Und wenn ja, wie soll das funktionieren, praktisch kalorienlos, wie sie sind?

„Wir wissen schon länger, dass zuckerhaltige Getränke und Typ-2-Diabetes zusammenhängen. Nun haben wir uns diese Frage auch in Hinblick auf Getränke mit künstlichen Süssstoffen gestellt“, sagt Fumiaki Imamura von der University of Cambridge. „Ausserdem hat uns interessiert, ob ein solcher Zusammenhang auch unabhängig vom Körpergewicht existiert.“

Gemeinsam mit seinen Kollegen wertete er insgesamt 17 Studien aus, die sich mit dem Einfluss unterschiedlicher Getränketypen auf Körpergewicht und Diabetesrisiko befassten – insgesamt rund 38.000 Teilnehmer wurden erfasst. Neben zuckerhaltigen Softdrinks und ihren kalorienarmen Pendants wurden auch Fruchtsäfte und Milch untersucht.

Auch schlanke Zuckerschlürfer leben riskant

Dass der regelmässige Konsum zuckerhaltiger Softdrinks das Diabetesrisiko nach oben schnellen liess, war wenig überraschend. Schon bei einer Dose Cola light & Co. täglich stieg es um 18 Prozent. Das hat nicht nur damit etwas zu tun, dass die Zuckerbrausen dick machen (und so automatisch das Risiko einer Zuckerkrankheit steigern): Auch als die Wissenschaftler das Gewicht als Einflussfaktor herausrechneten, blieb das Risiko erhöht - bei  immer noch 13 Prozent.

„Das bedeutet, auch schlanke Leute haben ein höheres Krankheitsrisiko, wenn sie regelmässig zuckerhaltige Limonaden trinken“, sagt Imamura im Gespräch mit NetDoktor. Denn der gelöste Zucker geht besonders schnell ins Blut und provoziert so Blutzuckerspritzen. Darauf reagiert die Bauchspeicheldrüse und stösst grössere Mengen Insulin aus, die den Zucker aus dem Blut in die Zellen schaffen sollen – Schwerstarbeit für das Organ. Ist das häufig der Fall, kann das die Bauchspeicheldrüse nach und nach überfordern – die Insulinproduktion erschöpft sich. Es droht ein Diabetes.

Narren Süssstoffe das Gehirn?

Beim Süssstoff hingegen sollte dieser Mechanismus nicht wirken – oder doch? Es gibt zumindest Untersuchungen, die darauf hinweisen. In der wohl bekanntesten Studie konnten Forscher um Yanina Pepino von der Washington University in St. Luis nachweisen, dass der Insulinspiegel übergewichtiger Probenden stieg, sobald sie süssstoffhaltige Getränke konsumierten. Die Hypothese: Der süsse Geschmack des Kunstzuckers könnte im Gehirn Reaktionen anstossen, die die Insulinausschüttung fördern.

Imamura allerdings ist von der Studie nicht wirklich überzeugt: „Um auf ähnliche Mengen Saccharose zu kommen, wie sie die Teilnehmer in der Studie konsumiert haben, müsste man täglich etwa 40 Dosen Lightgetränke trinken“, gibt der Wissenschaftler zu bedenken. Zudem hätten die Probanden bereits eine Insulinresistenz gezeigt – eine Vorstufe von Diabetes.

Dennoch fanden auch Imamura und sein Team einen Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes und Cola light – und der war sogar stärker als jener zuckerhaltiger Getränke. Um 25 Prozent höher lag das Risiko zuckerkrank zu werden für Teilnehmer, die Lightlimos süffelten. Doch dieser verblüffende Effekt verflüchtigte sich weitgehend, wenn man den Faktor Übergewicht herausrechnete. Das erhöhte Risiko lag dann nur noch bei acht Prozent. „Das ist nicht signifikant“, sagt der Forscher – also nicht beweiskräftig.

Wer dick ist, trinkt eher light

Menschen gleichen Gewichts hätten folglich das gleiche Diabetesrisiko, unabhängig davon, ob sie gerne Lightgetränke konsumierten oder nicht. Das Studienergebnis bedeutet auch: Unter den Lightkonsumenten ist der Anteil der Übergewichtigen besonders gross. Und das wiederum ist keine Überraschung: So greifen Menschen, die bereits mit ihrem Gewicht zu kämpfen haben, vermutlich eher zu Lightversionen von Softdrinks als schlanke Zeitgenossen.

Eine zusätzliche Erklärung: Möglicherweise ässen Menschen, die Lightgetränke konsumieren, ganz einfach mehr und nehmen deshalb zu, so Imamura. Beispielsweise, weil sie glaubten, sich im Ausgleich einen kalorienreichen Snack gönnen zu dürfen. Zudem – und auch dafür gibt es experimentelle Hinweise – regen künstliche Süssstoffe möglicherweise den Appetit an. Das bedeutet: Lightgetränke können schon dick machen, wenn auch auf indirekte Weise.

Und noch einen weiteren Verdacht hat der Forscher: „Es kann sein, dass bevorzugt Studien veröffentlicht werden, die einen Zusammenhang zwischen künstlichem Süssstoffen und Diabetes nachweisen.“ Aus dem einfachen Grund, dass ein solcher Zusammenhang spannender erscheint als das Gegenteil.  Die Studienlage weise insgesamt eher darauf hin, dass süssstoffhaltige Getränke Übergewicht und damit Diabetes eher verhindern könnten als fördern, fasst Imamura die Ergebnisse vorsichtig zusammen.

Fördert Süssstoff dickmachende Darmbakterien?

Doch das gilt möglicherweise nicht für alle Menschen. Israelische Forscher um Jotham Suez vom Weizmann Institute of Science stellten zunächst in Experimenten mit Mäusen und später auch bei Menschen fest, dass künstliche Süssstoffe die Darmflora verändern können. In der Folge besiedelten mehr Bakterien den Darm, die langkettige Zuckermoleküle besonders effektiv aufspalten können – und zwar solche, die sonst unverdaut wieder ausgeschieden worden wären.

Mensch und Maus verwandelten sich folglich zu besonders guten Futterverwertern. „Doch das war nur etwa bei der Hälfte der Testpersonen der Fall“, schreiben die Forscher. Einmal mehr zeigt sich hier, dass jeder menschliche Körper anders reagiert – was für den einen von Vorteil ist, hat auf den anderen einen negativen Effekt. Das könne erklären, warum die Studienlage zur Auswirkung von Süssstoff auf das Gewicht so uneinheitlich sei.

Ein endgültiges Urteil zum Thema Süssstoff, Übergewicht und Diabetes steht also noch aus. Dass zuckerhaltige Softdrinks mit Vorsicht zu geniessen sind, scheint hingegen festzustehen – und zwar unabhängig von der Figur.  

F. Imamura et al.: Consumption of sugar sweetened beverages, artificially sweetened beverages, and fruit juice and incidence of type 2 diabetes: systematic review, meta-analysis, and estimation of population attributable fraction, BMJ 2015;351:h3576

M.Y. Pepino et al.: Sucralose affects glycaemic and hormonal responses to an oral glucose load. Diabetes Care 2013; DOI: 10.2337/dc12-2221

Jotham Suez et al.: „Artificial sweeteners induce glucose intolerance by altering the gutmicrobiota“,Nature, DOI: 10.1038/nature13793

Swithers SE et al.: A role for sweet taste: calorie predictive relations in energy regulation by rats; Behav Neurosci. 2008 Feb;122(1):161-73. doi: 10.1037/0735-7044.122.1.161.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Autor:

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

ICD-Codes:
E11E10E13O24H36E12E14
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich