„Das war knapp“ - Senioren als Verkehrshindernis
Sicher Autofahren – das möchte jeder. Aber was ist, wenn einem das zunehmende Alter immer mehr Steine auf die Strasse legt? Ab wann man die eigene Fahrtüchtigkeit hinterfragen sollte und welche Tricks es gibt, die eigene Mobilität möglichst lange zu erhalten, erklärt Sandra Demuth* vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat.
Frau Demuth, Senioren sind laut Statistiken auffallend oft in Unfälle verwickelt – warum?
Häufig stellen sich bei älteren Menschen Leistungseinbussen ein, sie sehen schlechter, sie können sich nicht mehr so gut bewegen oder die Reaktionsfähigkeit nimmt ab. Manchmal spielen dabei auch Neben- oder Wechselwirkungen von verschiedenen Medikamenten eine Rolle. Zudem werden unübersichtliche Situationen werden häufiger als stressig empfunden. Das sind alles Faktoren, die das Unfallrisiko erhöhen. Auch mangelnde Fahrpraxis, weil sie nicht mehr täglich zu Arbeit fahren, kann eine Rolle spielen.
Ab wann ist man zu alt zum Autofahren?
Eine Altersgrenze für Fahrtauglichkeit gibt es zum Glück nicht. Das ist individuell ganz verschieden, weil es nicht um das Lebensalter an sich, sondern um die Gesundheit geht. Jeder sollte das regelmässig für sich prüfen und sich fragen „Wie geht es mir?“.
Viele sind aber überzeugt: „Ich kann noch Autofahren!“ Ab wann sollte man wachsam werden?
Wenn man sich öfter bei Gedanken ertappt wie: „Das ist mir irgendwie zu stressig“, oder man merkt, dass man manche Situationen nicht mehr mag. Das heisst also, wenn man erlebt, dass einen der Verkehr stellenweise sehr anstrengt oder man sich unsicher fühlt. Und auch bei „Ups, das war aber knapp“ – diese kleinen Schreckmomente sollten ernst genommen werden.
Spielen Einschränkungen in der Sinneswahrnehmung dabei eine Rolle?
Sicher, manche merken, dass sie in gefährliche Situationen geraten sind, weil sie nicht mehr richtig hören oder sehen können. Allerdings schleichen sich diese kleinen Einschränkungen oft ein, ohne, dass man es richtig bemerkt. Darum ist es umso wichtiger, auch kleine Anlässe ernst zu nehmen und zum Beispiel beim Arzt mal durchchecken zu lassen.
Oft sind es die Angehörigen, die erstmals das Thema aufs Tapet bringen.
Ja, solche Sorgen sollte man dann nicht einfach abbügeln, sondern die nahestehender Menschen ernstnehmen. Niemand wird gerne kritisiert – aber lieber einmal zu viel den Weg zum Arzt suchen und sicherstellen, dass zum Beispiel mit den Augen alles in Ordnung ist.
Können Senioren etwas tun, um ihre Fahrfitness zu erhalten?
Natürlich! Der erste Schritt ist, sich ich einzugestehen, dass man ein Problem hat. Dann kommt der Check beim Arzt – vielleicht hilft ja schon eine neue Brille. Wenn die Gesundheit dem Fahren nicht im Wege steht, gibt es dann Fortbildungen, speziell für ältere Verkehrsteilnehmer. Zum Beispiel Fahrsicherheitstrainings. Dabei wird auf geschlossenem Gelände der Umgang mit dem „Ernstfall“ geübt. Was viele nicht wissen: Manche Fahrschulen bieten auch individuelle Feedbackfahrten an. Da setzen sich speziell geschulte Fahrlehrer mit ins Auto, geben Rückmeldung und verraten vielleicht auch kleine Tipps und Tricks, was man besser machen kann.
Gibt es Regeln die man sich selbst auferlegen sollte?
Senioren sollten ihr Mobilitätsverhalten natürlich den eigenen Fähigkeiten anpassen. Viele haben zum Beispiel nachts Probleme wegen der Blendempfindlichkeit ihrer Augen und sind dann unsicher. Deshalb muss natürlich niemand den Führerschein aufgeben. Eine Lösung ist, dass man einfach nicht mehr im Dunklen fährt. Oder man entscheidet sich dazu, lange Strecken nicht mehr selbst zu fahren – man könnte zum Beispiel auf den Zug ausweichen. Oder man verordnet sich mehr Pausen.
Können Angehörige dabei unterstützen?
Wichtig ist, dass das persönliche Umfeld ebenfalls weiss, wie alte Menschen ihre Mobilität erhalten können. So können sie viele Ängste nehmen. Besonders wichtig: Raunzen Sie den Betroffenen nicht während einer unglücklichen Situation im Verkehr an, sondern warten Sie lieber einen ruhigen Moment ab, um Ihre Bedenken behutsam zur Sprache zu bringen. Oft ist es auch nötig, wiederholt darüber zu reden, weil das erste Mal noch keine Früchte tragt. Da heisst es: Nicht entmutigen lassen! Oft muss das Thema erst ein bisschen sacken, bevor der Betroffene bereit ist, auch etwas an der Situation zu ändern.
Wer sollte wirklich ohne Wenn und Aber den Lappen abgeben?
Wenn der Arzt sagt, man soll nicht mehr fahren, dann sollte man auch wirklich nicht mehr fahren.
Das Interview führte Luise Heine.